Timeswings - The Art of Hanne Darboven

Eine Filmkritik von Falk Straub

Hanne Darboven verpacke Zeit, haben die Verpackungskünstler Christo und Jeanne-Claude das Werk ihrer Hamburger Kollegin einmal umschrieben. Rasmus Gerlach hat einen lebhaften Dokumentarfilm über die 2009 verstorbene Hamburger Konzeptkünstlerin gedreht. Der vibriert so sehr wie sein Titel: Timeswings.
Rasmus Gerlachs jüngste Arbeit hat einen sehr persönlichen Anlass. Bereits als Schüler lernte er Hanne Darboven während einer Klassenfahrt kennen. „Wir waren schnell per Du und unsere Kunstlehrerin hatte nach dem Ausflug einen ganz schönen Schwips“, erinnert sich Gerlach aus dem Off. Dass er sich später entschlossen habe, Film zu studieren, habe auch viel mit diesem Tag zu tun. Danach kreuzten sich seine und Darbovens Wege mehrfach. Auch die späteren Berührungspunkte haben Eingang in Gerlachs Film erhalten, der zu sehr um sich selbst kreist.

Darbovens Kunst wie Persönlichkeit sind nur schwer zu fassen. Rasmus Gerlach gibt sich allerdings auch nicht sonderlich viel Mühe. Wer wenig bis nichts über das Leben und Werk der 1941 in eine Kaufmannsfamilie Geborenen weiß, wird das Kino enttäuscht verlassen. Dass Darboven durchaus streitbar und nicht gerade umgänglich war, wird in den wenigen Zeitdokumenten schnell klar. Für Kasper König, den ehemaligen Direktor des Museums Ludwig in Köln, war sie von „herausfordernder Arroganz“ und „hölzerner, aristokratischer Würde“; der ewige Kommunarde und einstige Mitschüler Rainer Langhans empfand sie als „hanseatisch hochnäsig“, „eisig“ und „abwesend“. Fast scheint es so, als habe Darboven auch ihre Persona – ihr klares, kühles Äußeres, die strengen, kurzen Haare, stets eine Zigarette zwischen den Mundwinkeln – jener mathematischen Präzision unterzogen, mit der sie ihre Kunst betrieb.

„Eins + eins ist eins zwei. Zwei ist eins zwei“, so lautete Hanne Darbovens Urthese für alle Gesetze. Die historischen Ereignisse und Zeiträume, die Darboven zunächst in Zahlen, später auch in minimalistische Musik übersetzte und in unermüdlicher Schreibarbeit zu Papier brachte, füllen ganze Räume. Ihr umfangreichstes Werk, ihr Requiem, umfasst 45.000 Blätter. An den Wänden des Münchner Hauses der Kunst, das Darboven von September 2015 bis Februar 2016 eine Retrospektive widmete, sieht das auf den ersten Blick recht eintönig aus. Rasmus Gerlachs dokumentarische Annäherung an das Leben und Werk der Hamburger Ausnahmeerscheinung ist das genaue Gegenteil. Statt mathematischer Präzision herrscht hier reges Durcheinander – ein bisschen wie in Darbovens 300 Jahre altem Bauernhaus in Hamburg-Harburg, dessen mit allerlei Tinnef vollgestopftes Interieur so gar nicht zu ihrer Kunst passen will.

Dieser Rückzugsort ist das Zentrum dieses Films. Hier lebte und arbeitete Hanne Darboven und hier ist sie neben ihren Haustieren auch begraben. Rasmus Gerlach umkreist das Bauernhaus, durchmisst es, kommt immer wieder dorthin zurück und lässt seinen Film mit der Archivaufnahme einer Weihnachtsfeier auch dort enden. Rund um das Anwesen kommen Darbovens Galerist, ihr Tierarzt, Bekannte und Verwandte und ihre ehemaligen Mitarbeiter zu Wort, die Darbovens Nachlass bis heute pflegen. Gerlach schert sich dabei wenig um filmische Konventionen, hält mit seiner Kamera einfach drauf und fragt beständig aus dem Off, egal wie gut oder schlecht die Befragten gerade zu sehen und zu hören sind. Mit Auszügen aus Darbovens Kompositionen setzt er wiederholt musikalische Kontrapunkte zum Gezeigten.

Timeswings – The Art of Hanne Darboven ist ein wilder, schlecht strukturierter, manchmal konfuser und selbstverliebter Ritt durch ein unkonventionelles Leben, bei dem man am Ende das Gefühl nicht ganz los wird, als habe der Regisseur selbst nicht so genau gewusst, wo er mit seinem Film eigentlich hin will.

Timeswings - The Art of Hanne Darboven

In dem Dokumentarfilm „Timeswings“ befasst sich Rasmus Gerlach mit der Hamburger Künstlerin Hanne Darboven, die sich mit Zahlen auseinandersetzte und Bilder in Minimalmusik umrechnete.
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