They Glow in the Dark

Eine Filmkritik von Kirsten Kieninger

Leben, Liebe, Zweckgemeinschaft

Jim und Mikal hatten vor Jahrzehnten mal was miteinander, jetzt haben sie sich in einer Zweckgemeinschaft zusammengetan. Beide Männer sind über fünfzig und HIV-positiv. „Alle, die wir kennen, sind tot“, so lakonisch begründet Jim, warum er und Mikal sich nach 20 Jahren Funkstille jetzt unter einem Dach im Post-Katrina New Orleans zusammenraufen. Der griechische Filmemacher Panajotis Evangelidis hat einen Monat mit den beiden verbracht und porträtiert ganz unmittelbar ihre Situation. Der Titel seines Dokumentarfilms They Glow in the Dark bezieht sich auf ihre selbst gebastelten Figürchen mit Voodoo-Appeal, die sie auf dem Markt verkaufen: einige sind mit fluoreszierender Farbe bemalt.
Der Titel beschreibt im übertragenen Sinne aber auch die beiden eigenwillig-sympathischen Protagonisten. Es ist bewundernswert, mit wie viel Lebensmut (gewürzt mit einer guten Prise Sarkasmus) sie ihren Alltag meistern. Beide haben mit starken Nebenwirkungen ihrer AIDS-Medikamente zu kämpfen, die sie körperlich einschränken: Mikal hat starke Nervenschmerzen in Händen und Beinen und bekommt eine Erwerbsunfähigkeitsrente, Jims Körper ist durch die Medikamente ausgezehrt. Das Geld ist knapp, sie tun, was sie können, um sich mit ihrer Bastelei über Wasser zu halten. Sie wirken wie ein schrulliges aber liebenswertes Ehepaar, jeder bewohnt sein eigenes Stockwerk. Anfangs haben sie versucht ein Bett zu teilen, doch Michael zuckt zu stark im Schlaf. Und außerdem: die große Liebe ist ja eh keiner der beiden für den anderen. Aber beide haben eine solche einmal erlebt.

Obwohl They Glow in the Dark mitten im Hier und Jetzt der beiden verankert ist, öffnet sich der Film um dieses lebendige Gravitationszentrum herum in Richtung Vergangenheit und Zukunft. Während sich die beiden mit ihren sehnigen Körpern, meist nur mit Unterhemd bekleidet, in der schwülen Hitze von New Orleans durch die Tage kämpfen, fließt wie nebenbei immer mehr ihres vergangenen Lebens in den Film ein. Jim kann auf Fotos und eine Zeit als gut gebauter Pin-Up Boy zurückblicken. Mikal hat seinen Körper früher auf dem Straßenstrich zu Markte getragen. Auch er muss einmal ein wirklich hübscher Kerl gewesen sein. Sehnsüchtig denkt er an seine große Liebe, Adam, den er als Teenager auf der Straße kennengelernt hatte und dann schnell wieder aus den Augen verlor, was er bis heute bereut. Jims große Liebe starb nach 11 Jahren Beziehung an AIDS. Beide treibt die Sehnsucht nach der wahren Liebe noch immer um, aber sie wissen auch, was sie aneinander haben.

Die Stärke von They Glow in the Dark liegt nicht in den Bildern, die Panajotis Evangelidis selbst mit seiner Kamera eingefangen hat, sondern in der Geschichte, die darin aufscheint. Denn so ungewöhnlich die Partnerschaft von Jim und Mikal auf den ersten Blick auch erscheinen mag, in 68 auf den Punkt montierten Filmminuten entwickelt sich eine äußerst berührende und dabei humorvolle Geschichte, in der vielfältige universelle Themen anklingen. Der Film handelt von Freundschaft, Krankheit, Intimität, sexueller Identität, Vergänglichkeit, und letztendlich von Liebe.

Auf dem 15. Thessaloniki Documentary Festival wurde They Glow in the Dark in der Reihe der griechischen Filme mit dem Preis der Internationalen Filmkritik ausgezeichnet. Der FIPRESCI-Award in der Reihe der Internationalen Filme ging an den mexikanischen Dokumentarfilm Parts of a Family. Dort steht die dysfunktionale Beziehung im Mittelpunkt, welche die Eltern des Filmemachers Diego Gutiérrez seit ihrer Liebesheirat vor 50 Jahren jetzt führen. Die alternative Zweckgemeinschaft, die Jim und Mikal gebildet haben, wirkt dagegen wie eine ideale Ehe.

They Glow in the Dark

Jim und Mikal hatten vor Jahrzehnten mal was miteinander, jetzt haben sie sich in einer Zweckgemeinschaft zusammengetan. Beide Männer sind über fünfzig und HIV-positiv. „Alle, die wir kennen, sind tot“, so lakonisch begründet Jim, warum er und Mikal sich nach 20 Jahren Funkstille jetzt unter einem Dach im Post-Katrina New Orleans zusammenraufen.
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