Die Misandristinnen (2017)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Somewhere in Ger(wo)many

Der Kanadier Bruce LaBruce, der mit Otto; or, Up with Dead People (2008) den queersten und zugleich einen der schönsten Zombiestreifen aller Zeiten geschaffen hat und in Geron (2013) mit den Mitteln mainstreamiger Kino-Romanzen von der Liebe zwischen einem jungen und einem deutlich älteren Mann erzählte, hat mit Die Misandristinnen ein Werk gedreht, in welchem fast ausschließlich Frauen auftreten.

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Das ist schon mal eine ziemlich interessante Prämisse. Das Resultat ist indes noch viel mehr als nur interessant: Es ist überaus komisch, clever, kämpferisch, wild, wüst, derb und zudem ein kundiger Trip durch die Historie des weiblichen Coming-of-Age-Films, der – insbesondere in den 1970er Jahren – nicht selten in trashiger Optik, mit lächerlichen Klischeefiguren sowie einer gehörigen Portion Exploitation daherkam. Die Misandristinnen spielt im Jahre 1999, irgendwo in Ger(wo)many. Zu Beginn irrt der verletzte Volker (Til Schindler) durch den Wald, bis er auf Isolde (Kita Updike) und Hilde (Olivia Kundisch) stößt. Erstere fasst den Entschluss, dem Flüchtigen zu helfen. Die beiden Schülerinnen nehmen Volker mit in ihr Internat und verstecken ihn dort im Keller. Wie sich bald herausstellt, ist dieses Internat jedoch keine gewöhnliche Bildungsstätte, sondern das Domizil einer kleinen Terrorzelle, bestehend aus vier Erzieherinnen, acht Elevinnen sowie der Anführerin Big Mother (Susanne Sachße). Gemeinsam sind die 13 Frauen die Female Liberation Army (FLA) – und ihre Mission lautet: „Down with the patriarchy!“

LaBruce – der nicht ohne Grund als „Politpornograf“ bezeichnet wird – schöpft hier aus etlichen literarischen sowie kinematografischen Inspirationsquellen. So hat er sich unverkennbar mit den Schriften von Simone de Beauvoir und Ulrike Meinhof (in deren Prä-RAF-Zeit) befasst; überdies verarbeitet er neben den Dramaturgien und Ästhetiken zahlloser Produktionen aus der filmindustriellen Peripherie der Sixties und Seventies auch Motive aus Werken wie Immer Ärger mit den Engeln (1966) von Ida Lupino oder Betrogen (1971) von Don Siegel (gerade durch Sofia Coppola in Die Verführten einer Neuinterpretation unterzogen), um daraus etwas ganz Eigenes zu machen. Die Schul- beziehungsweise Terrorgruppenleiterin, die von Susanne Sachße mit platinblonder Perücke und sehr viel Sinn für satirische Übertreibung interpretiert wird, proklamiert ihre radikalen Ansichten in der Manier einer düsteren Diva; herrlich ist auch, wie die US-Underground-Künstlerin Kembra Pfahler als strenge Lehrerin ihrer Klasse den Begriff „Parthenogenese“ erläutert. Die Misandristinnen erlaubt sich, vor allem in der Zeichnung der skurrilen Autoritätspersonen, diverse Albereien; hinzu kommen ein paar betont hölzern gespielte Passagen sowie fiese Schockeffekte. Dennoch wird klar, dass LaBruce als Regisseur und Drehbuchautor sein Thema der Ausbeutung und Unterdrückung, der feministischen Ermächtigung und Aneignung ernst nimmt.

Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Darstellung der Schülerinnen. Die stets verhärmt wirkende Ute (Victoire Laly) ist eine ebenso spannungsreiche Figur wie die undurchsichtige Editha (Lo-Fi Cherry). Am faszinierendsten ist allerdings die Protagonistin Isolde – eine junge Trans*-Frau, die im Laufe der Geschichte Stärke sowie Selbstvertrauen erlangt und in wenigen Worten einige der zentralen Thesen der Gender und Queer Studies auf den Punkt bringt. Egal, ob sich LaBruce schwulen Zombies, Liebesformen jenseits der Norm oder lesbisch-queeren Terroristinnen widmet – stets gelingt es ihm, Verrücktheit und schrille Provokation mit wahrhaftiger Courage zu verbinden.
 

Die Misandristinnen (2017)

Der Kanadier Bruce LaBruce, der mit „Otto; or, Up with Dead People“ (2008) den queersten und zugleich einen der schönsten Zombiestreifen aller Zeiten geschaffen hat und in „Geron“ (2013) mit den Mitteln mainstreamiger Kino-Romanzen von der Liebe zwischen einem jungen und einem deutlich älteren Mann erzählte, hat mit „Die Misandristinnen“ ein Werk gedreht, in welchem fast ausschließlich Frauen auftreten.

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