The Merciless

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Eine eingeschränkte Idee von Männlichkeit

Die koreanische Genrewelle bricht nicht ab. Im Gegenteil. The Merciless ist ein feiner koreanischer Noir-Film irgendwo zwischen klassischem Noir, dem schnellen, coolen Witz der frühen Quentin-Tarantino-Filme, Scorseses The Departed und Die üblichen Verdächtigen. Klingt gut, ist es auch. Vor allem weil es dieser Film schafft, bis zur allerletzten Minute offenzuhalten, wer nun auf welcher Seite steht und wer das Gemetzel überleben wird. Denn in diesem Film wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Beginnt er noch mit Gangstern, die sich im Knast Ohrfeigen geben, so fallen alsbald die Menschen wie die Fliegen. Nicht umsonst heißt der Film „die Unbarmherzigen“.

Der junge, unverschämte und fürchterlich gutaussehende Jo Hyun-su (K-Pop Star Yim Si-Wan) kommt in den Knast und sorgt dort mit seiner frechen Klappe sofort für Ärger. Der Gangsterchef Han Jae-ho (Sul Kyung-Gu) findet Gefallen an ihm und als Jo Hyun-su ein Attentat auf ihn verhindert, nimmt er ihn unter seine Fittiche. Er tröstet den Jungen, als seine Mutter bei einem Unfall stirbt, und die beiden werden Blutsbrüder. Als sie entlassen werden, arbeiten sie zusammen für den lokalen Drogenboss Chairman Ko Byung-gab (Kim Hie-Won). So weit, so einfach, aber in diesem Film ist absolut gar nichts, wie es scheint. Denn Jo Hyun-su ist ein eingeschleuster Undercover-Cop, Chariman Ko hat es auf Han Jae-ho abgesehen und wollte ihn im Knast töten und Jo Hyun-sus Mutter ist auch nicht versehentlich gestorben. Alle Beteiligten in diesem Film haben ihre eigene Agenda. Auch die einzige Frau, die hier vorkommt. Die Polizeichefin Cheon (Jeon Hye-jin) steht in der Brutalität ihrer Methoden den Gangstern, die sie jagt, in nichts nach. Und so dreht sich das Karussell mithilfe von Rückblenden und Ortswechseln immer weiter. Langeweile kommt nie auf, von der ersten bis zur letzten Minute gibt es neue Enthüllungen, Kämpfe und Intrigen.

Byun Sung-Hyun legt mit The Merciless einen atemlosen Film hin, der sich trotzdem sehr konservativ an die Genreregeln hält. Innerhalb dieser aber arbeitet er lässig seine Geschichte ab, spickt sie mit wohlfeil ausgesuchten Drehorten, hervorragenden Schauspielern und perfekt choreographierten Action-Sequenzen, in denen die Kamera ab und an ihren Platz verlässt und sich im Treiben und Töten voller kinetischer Energie hin- und hertreiben lässt und sogar Kopf steht. Zur konservativen Einstellung gehört allerdings auch, dass sich der Film nicht allzu lang mit seinen Figuren beschäftigt oder gar versucht, Psychogramme zu erstellen. Sie bleiben eher Tropen, kurze Charakterstudien, die für bestimmte Ideen und Lebenswege stehen, die zwar nicht immer gleich zu durchschauen sind, letztendlich aber in die klassischen Kategorien fallen. Dazu zählt auch, dass The Merciless ganz und gar von den Ideen dominiert wird, wie ein richtiger Gangster zu sein hat. Hart, unerbittlich, clever, immer misstrauisch, aber eben auch maskulin, hetero und nicht zu vergessen frauenfeindlich und homophob. Letztere Kategorien haben dem Regisseur, nachdem er sich auf Twitter selbst auch misogyn geäußert hat, eine Menge Ärger eingebracht. Auch filmisch behindert das den Film, denn diese feindlichen Einstellungen, die sich vor allem in einer hochgradig schwulenfeindlichen Szene ausdrücken, in der ein vermeintlich schwuler Mann als Perverser beschimpft und verprügelt wird, sind völlig unnötig und geben den Figuren nicht Härte, sondern einen bitteren Beigeschmack. Die Frauen in diesem Film sind ausschließlich Sexobjekte, die einzige, die in irgendeiner Art und Weise eine eigene Persönlichkeit hat, Polizeichefin Cheon, wird dafür beschimpft, mit Vergewaltigung bedroht und bestraft. Dabei herrscht zwischen den Gangstern selbst stets eine leichte homoerotische Anziehungskraft, die, wenn man sie einmal zugelassen und ausgespielt hätte, den Film mit einer Wucht in eine neue Richtung und ins 21. Jahrhundert katapultiert hätte, dass das Werk hier einen regelrechten Durchbruch hätte erlangen können.

Aber The Merciless bleibt klassisch, im Guten wie im Schlechten. Genreliebhabern wird der Film trotzdem sehr gut gefallen. Für gute Unterhaltung sorgt er jedenfalls und die Wünsche, die grundsätzlich ans Genrekino gestellt werden, erfüllt er voll und ganz. Trotzdem, es ist schade, dass hier wieder eine Chance verstrichen wurde, Noir-Filme und das Genrekino überhaupt mit einer neuen, weniger eingeschränkten Idee von Männlichkeit auszustatten.

The Merciless

Die koreanische Genrewelle bricht nicht ab. Im Gegenteil. The Merciless ist ein feiner koreanischer Noir-Film irgendwo zwischen klassischem Noir, dem schnellen, coolen Witz der frühen Quentin-Tarantino-Filme, Scorseses Departed und Die üblichen Verdächtigen. Klingt gut, ist es auch.

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