The Man in the Orange Jacket

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Laute Halluzinationen

Die Ausgangsposition in Aik Karapetians The Man in the Orange Jacket dürfte der heimliche, feuchte Traum vieler entlassener Arbeiter sein. Ein namenloser Mann in einer orangen Sicherheitsweste ist gerade zusammen mit 200 Kollegen von seiner Arbeit im Hafen entlassen worden. Das veranlasst ihn zu einem grausamen Racheakt gegen den Firmenbesitzer und dessen junge Frau auf ihrem Landsitz. Wie in einem Musikvideo von Romain Gavras marschiert er gewaltvoll, überzeugt und mit stylishen Schnitten markiert zu seiner Destination. Klassisches Horrormaterial also, nur dass der Film diese Rache bereits nach wenigen Minuten blutig abschließt und dann eher zu einem psychologischen Spiel in und um die Wahrnehmung des Protagonisten wird.
Die politische Komponente, die sich hinter dem gewaltvoll ausgetragenen Konflikt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbergen würde und auch in den Klassenunterschieden, die im weiteren Verlauf sichtbar werden, als der junge Mann es sich auf dem Landgut gemütlich macht und versucht, das Leben seiner ehemaligen Vorgesetzten zu leben, interessieren den in Armenien geborenen Jungregisseur kaum. Vielmehr versucht er ein intensives Psychospiel zu etablieren, indem man beginnt seiner Wahrnehmung zu misstrauen und die Ebenen zwischen Imagination, Erinnerung und filmischer Realität verschwimmen. Hier und da stellt sich eine Frage nach Schuld und Gewissen.

Das wichtigste Objekt der Gewalt im Film ist ein Werkzeugkasten, den der Mann seelenruhig bei sich trägt, um aus dem Sortiment grausame Gegenstände zu wählen, die in Slasher-Manier das Ende bringen sollen. Ganz ähnlich geht auch der Film vor, nur dass im Werkzeugkasten noch ein Handbuch liegt, dass einem erklärt, wie man die Werkzeuge benutzen muss und welchen Effekt man damit erzielt. Damit soll gesagt sein, dass Karapetian derart bemüht ist, eine Horrostimmung zu etablieren und Bildikonen (zum Beispiel aus Kubricks Shining oder von Triers Antichrist) zu kopieren, dass dem Film jede Seele fehlt, die er bräuchte, um einen wirklich zu beschäftigen oder zu berühren.

Stattdessen fühlt sich The Man in the Orange Jacket an wie ein ambitionierter Studentenfilm, bei dem sich die Filmemacher immerzu über ihre eigenen Fähigkeiten freuen und völlig unmotiviert mit coolen Einstellungen (eine Kranfahrt über dem toten Körper hier, ein stotternder Wechsel auf Handkamera dort) um sich werfen. Zudem ist – ein häufiges Problem im modernen Horrofilm – der komplette Schockeffekt auf die Tonebene verlegt. Zum Teil passiert im Bild gar nichts, was einen erschaudern oder erschrecken ließe, alles findet im mehr als lauten Tondesign statt. So hört man immer wieder ein krachendes Bassgeräusch aus dem Off, das wohl im Kopf der Figur stattfinden soll, aber eher im Nichts verendet.

Irgendwann lädt sich der junge Mann zwei Prostituierte in das Haus ein und es zeigt sich, dass seine Fantasien nicht nur übertrieben sind, sondern schlicht erkrankt. In manchen Momenten gelingt es dem Film mit unserer Wahrnehmung von Gut und Böse zu spielen, sodass wir einen Identitätsverlust verspüren, der mit der Angst der Arbeitslosigkeit durchaus harmoniert. Man verliert sich also durchaus im halluzinierenden Blutbad, allerdings befindet man sich nicht in den Tiefen dieser Ängste sondern springt über ihre Oberfläche, weshalb der Film einen nie ganz packen kann.

The Man in the Orange Jacket

Die Ausgangsposition in Aik Karapetians „The Man in the Orange Jacket“ dürfte der heimliche, feuchte Traum vieler entlassener Arbeiter sein. Ein namenloser Mann in einer orangen Sicherheitsweste ist gerade zusammen mit 200 Kollegen von seiner Arbeit im Hafen entlassen worden. Das veranlasst ihn zu einem grausamen Racheakt gegen den Firmenbesitzer und dessen junge Frau auf ihrem Landsitz.
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