The Life And Death Of Peter Sellers

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das schnelle Leben des Dr. Strangelove

Keine Frage: Biopics sind einer der heißen Trends im schnelllebigen Filmgeschäft. Die Traumfabrik giert nach wahrem, echtem Leben, und so geraten immer mehr Promis ins Visier der Drehbuchschreiber — Hollywood als Durchlauferhitzer des Realen. Nach Kinsey, Ray Charles, Howard Hughes und Bobby Darin kommt nun Peter Sellers an die Reihe, jener Vorzeige-Komödiant also, der mit stoischer Gelassenheit und unbeweglicher Miene Inspector Clouseau verkörperte, Harun A. Bakshi in Blake Edwards’ Kult-Nonsense-Improvisation Der Partyschreck und Dr. Strangelove in Stanley Kubricks legendärer Parodie auf die Schrecken des kalten Krieges. Wer den Briten in diesen Rollen kennt und liebt – und wer tut das nicht? – dem sei Stephen Hopkins Film The Life And Death Of Peter Sellers dringend ans Herz gelegt, denn er zeigt die andere Seite des Mimen, der spielte, als ginge es um sein Leben. Denn genau das war auch der Fall.

Mit den legendären Auftritten in der BBC-Radio-Show The Goons in den frühen Fünfzigern begann eine Karriere, die den britischen Komiker zu einem der beliebtesten und wandlungsfähigsten Darsteller der Filmgeschichte machte – und zu einem der produktivsten. Denn in 30 Jahre drehte er mehr als 70 Filme, in denen er sich zum Teil nicht mit einer Rolle begnügte, sondern zwei, drei oder mehr Parts übernahm – ein Wahnsinniger. Und doch kannte ihn kaum jemand so, wie er wirklich war. Denn so liebenswert Peters Sellers auch in seinen Filmrollen gewesen sein mag, so menschenverachtend, beziehungsunfähig und jähzornig war er auch. Vier Ehefrauen verschliß er, zeitlebens in einer nahezu symbiotischen Beziehung an seine Mutter (Miriam Margolyes) geheftet, mit der ihn eine intensive Hassliebe verband. Die charakterlichen Defizite versuchte Sellers auszugleichen, indem er sich in seine Rollen stürzte, vollkommen in ihnen eintauchte und damit auch in seinem realen Leben immer wieder zwischen Wahn, Spiel und Wirklichkeit oszillierte. Eine Haltung, die Stephen Hopkins mit einem brillanten Kniff ins Szene gesetzt hat, denn immer wieder taucht Geoffrey Rush in anderen Rollen auf, mal spielt er seine eigene Mutter, dann wieder seine erste Frau, dann wendet er sich als eine Art freundlicher Conferencier an das Publikum, das sein Leben betrachtet. Leben als Show und Show als Leben, was könnte die Verstrickung eines Vollblutschauspielers sinnfälliger zeigen als dieser Trick, der erstaunt, befremdet und der doch zugleich so einleuchtend ist.

Mit über 50 versuchte Peter Sellers nach einem Herzinfarkt noch einmal, das Ruder herumzureißen und einen Imagewechsel zu vollziehen, doch die Kehrtwende kam zu spät, der Komiker verstarb im Alter von gerade mal 54. Ein Leben, das offensichtlich zu schnell, zu intensiv und wohl auch zu unglücklich gelebt wurde, um länger Bestand zu haben.

Vor allem Geoffrey Rush, aber auch Emily Watson als erste Ehefrau und Charlize Theron als letzte Partnerin Britt Eklund zeigen sich in diesem Film in bester Spiellaune, und die nachgestellten Szenen aus Peter Sellers bekanntesten Filmen sind allein schon das Eintrittsgeld wert. Dass der Film trotz dieses exzellenten Ensembles, einer stimmigen und liebevollen Inszenierung und seiner unorthodoxen Erzählweise nicht immer funktioniert, dafür gibt es vor allem eine Erklärung: Denn beim Verlassen des Kinosaals fragt man sich unwillkürlich, welches nun der wirkliche Peter Sellers war – der Publikumsliebling oder das Ekel? Oder waren nicht vielleicht doch beides nur Rollen? Insofern zeichnet der Film das Leben Sellers’ schon sehr genau nach, weil hier wie dort die Persönlichkeit hinter den Rollen verschwindet. Trotzdem, die Enttäuschung bleibt, und wenn es nur diejenige ist, dass einer der großen Komiker privat so ein bedauernswerter und abstoßender Mensch gewesen sein soll. Es ist fast wie beim Abschied von einem Freund: Man muss sich schon sehr genau überlegen, wie man Peter Sellers gerne in Erinnerung behalten möchte. Good-bye, Peter! Wir werden dich nie vergessen…
 

The Life And Death Of Peter Sellers

Keine Frage: Biopics sind einer der heißen Trends im schnelllebigen Filmgeschäft. Die Traumfabrik giert nach wahrem echtem Leben, und so geraten immer mehr Promis ins Visier der Drehbuchschreiber — Hollywood als Durchlauferhitzer realen Lebens.

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