The Imitation Game

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Das Leiden eines Genies

Man sollte meinen, dass Benedict Cumberbatch sein Soll im Spielen von exzentrischen, bisweilen genialen Männern erfüllt hat. Doch nun stellt er in The Imitation Game den Mathematiker Alan Turing dar, der ebenso sozial inkompetent, genial und auch gnadenlos offen gegenüber den Schwächen anderer und über die Brillanz seiner eigenen Leistungen ist, wie ein gewisser Meisterdetektiv aus der Baker Street. Allerdings enden hier die Gemeinsamkeiten, denn Alan Turing arbeitete während des Zweiten Weltkrieges in Bletchley Park, Buckinghamshire, an einem streng geheimen Projekt der britischen Regierung zur Entschlüsselung der Enigma-Maschine, mit der die Nazis jede Nachricht an ihre Armee codierten. Enigma galt als unknackbar, aber Turing war überzeugt, dass er es mit Hilfe einer modernen Maschine schaffen würde. Er war ein brillanter Mathematiker – und homosexuell in einer Zeit, in der dies unter Strafe stand.

Nach einem Drehbuch von Graham Moore erzählt Regisseur Morten Tyldum in The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben von dem Leben des brillanten Mathematikers und Erfinders der Turing-Maschine und nimmt es mit den historischen Fakten nicht allzu genau. Vielmehr fügt er beispielsweise einen russischen Spion hinzu, den Turing nach Quellenlage nie getroffen hat. Aber da Turing ausgerechnet ihm anvertraut, dass er homosexuell sei, wird er erpressbar und somit erhöht sich die Spannung. Auch ist die Entschlüsselung von Enigma laut The Imitation Game vor allem Turing zu verdanken, das Mitwirken anderer beschränkt sich auf Details. So schafft Turing den Durchbruch in einem Pub, als er den ebenso klugen wie gutaussehenden Mitentschlüssler und Schachmeister Hugh Alexander (Matthew Goode) beim Flirten beobachtet. Viel bedauerlicher ist, dass Morten Tyldum nicht auf das Einstreuen lieblos und plump inszenierter Kriegsszenen sowie auf Turings angebliche persönliche Beteiligung bei der Entscheidung, die Entschlüsselung geheim zu halten, verzichtet hat. Hier scheint Tydlum das Vertrauen in sein Publikum zu fehlen, dem er scheinbar nicht zutraut, das Grauen des Krieges und die strategische Bedeutung sowohl der Entschlüsselung als auch deren Geheimhaltung zu begreifen.

Dass der Film dennoch unterhält und bewegt ist daher vor allem den Schauspielern zu verdanken. Benedict Cumberbatch bietet zwar keine neuen Facetten, ist aber gewohnt gut als genialer Alan Turing. Er lässt den ständigen Konflikt erkennen, in dem sich Turing aufgrund seiner Brillanz als auch Homosexualität befand. Alex Lawther spielt hervorragend Alan Turing in jungen Jahren und bringt sowohl seine Klugheit als auch seinen Schmerz zum Ausdruck, den er durch die beständige Erfahrung des Andersseins verspürt. Es ist vor allem ihnen zu verdanken, dass der Film als Biopic über Alan Turing funktioniert – und sie gleichen zudem einige Leerstellen des Drehbuchs aus.

An Cumberbatchs Seite steht ein sehr guter Cast. Keira Knightley bleibt als Joan Clarke nicht viel Raum, die undankbaren Aufgaben begabter Frauen in den 1940er Jahren erkennen zu lassen. Aber sie bringt zum Ausdruck, wie hart der Kampf der Frauen in Bletchley Park und innerhalb der gesellschaftlichen Konventionen war. Ohnehin liegt in der Beziehung zwischen Alan Turing und Joan Clarke das größte Potential des Films: Sie ist eine zu kluge Frau für die Rolle, in die sie die Gesellschaft zwängt, er ist ein homosexueller Mann und könnte deshalb im Gefängnis landen. Am Ende drängt sich daher unvermeidlich der Gedanke auf, wie Turings Leben verlaufen wäre, hätte er im entscheidenden Moment auf die kluge Joan gehört. Daneben ist Charles Dance als Turings Vorgesetzter eindrucksvoll militärisch während Mark Strong als Geheimdienstler angemessen undurchsichtig agiert.

Insgesamt ist The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben vor allem dank seiner guten Besetzung ein unterhaltsames, dramatisches Biopic. Nur warum Morten Tyldum tatsächlich darauf verzichtet hat, den angebissenen Apfel zu zeigen, der neben dem toten Alan Turing gefunden worden sein soll, bleibt ein Rätsel.
 

The Imitation Game

Man sollte meinen, dass Benedict Cumberbatch sein Soll im Spielen von exzentrischen, bisweilen genialen Männern erfüllt hat. Doch nun stellt er in „The Imitation Game“ den Mathematiker Alan Turing dar, der ebenso sozial inkompetent, genial, gnadenlos offen gegenüber den Schwächen anderer und über die Brillanz seiner eigenen Leistungen ist, wie ein gewisser Meisterdetektiv aus der Baker Street.

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Meinungen

Hartmut T. · 30.01.2015

Das scheint das Schicksal der meisten Biopics zu sein, dass deren Macher glauben, durch Hinzuerfinden historisch falscher oder zumindest nicht belegbarer Details eine Geschichte dramaturgisch aufmotzen zu müssen, weil sie glauben, den Zuschauer damit beeindrucken zu müssen. Das Traurige daran ist, dass der Zuschauer das goutiert und am Ende für bare Münze nimmt. In diese Falle ist leider auch dieser Film getappt. Das Verdienst dieses Films ist aber, eine Person in den Mittelpunkt zu stellen, die unser heutiges Leben so beeinflusst hat wie nur ganz wenige weitere Menschen. Die Wissenschaftsgeschichte ist voll von Menschen, von denen, wie "stephanie" schreibt, "... kaum jemand (den) Namen ... oder überhaupt (die) wissenschaftlichen Leistungen kennt." Und jeder dieser Menschen hätte eine filmische Würdigung verdient.

stephanie · 25.01.2015

Also für mich hart sich das Warten echt gelohnt. Seit Wochen habe ich mich durch Interviews, trailer und auch dokus zu Alan Turing quasi vorbereitet, da ich fand (nachdem ich irgendwann schonmal den alten Film mit Derek Jacobi gesehen hatte), dass es fürchterlich ist, was man dem mann angetan hat und dass völlig unverständlich ist, warum kaum jemand seinen Namen und seine Rolle Krieg oder überhaupt seine wissenschaftlichen Leistungen kennt. Wenn ich heute im Internet einen verschwommenen Zahlencode eingebe, um meine Anmeldung oder Ähnliches zu bestätigen, dann wegen Alan Turing.
Aber nun zum Film. Für mich war das eine besondere Leistung aller Beteiligten, eine so facettenreiche und auch oft undurchsichtige Persönlichkeit einem Publikum näher zu bringen, das sicherlich nicht damit rechnen konnte, das der Film neben aller Tragik um das Ende Turings, auch humorvolle Momente enthält. Das ging aus keinem trailer hervor und ich und der Rest im Kinosaal haben mehrfach herzlich gelacht.
Auch werden hier Zusammenhänge dargestellt, die es einem als nicht- Mathematiker oder Kryptograph auch erlaubt, der Handlung zu folgen.
Besonders gelungen fand ich die Darstellung der Beziehung von Alan Turing und Joan Clarke, in einer Zeit, die auch für Frauen keinen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft vorsah.
Insgesamt kann ich also nur sagen: toller Film, tolle Schauspieler, wer mehr wissenschaftliche Hintergründe braucht, für den gibt's reichlich Bücher und Dokus auf youtube. Ich drück die Daumen für die Oscar - Nacht:)

@Mike · 23.01.2015

Ja, eine Std. später war der 1. Kommentar wieder da.
Nun, ungewöhnlich finde ich das nicht, wenn gelöscht wird, freut mich, wenn´s hier anders ist.

@Barbara · 23.01.2015

Wir löschen keine Kommentare, die sich kritisch mit Filmen auseinandersetzen. Warum sollten wir auch...
LG, Mike

Barbara · 23.01.2015

Sehr, sehr schwach, auch ein Cumberbatch bleibt weit unter seinen Föhigkeiten und für die Oscars sehe ich keine Berechtigung. Der kleine Turing-Darsteller ist klasse.
Viele Momente, die gelungen sind gleiten ab in Oberflächlichkeit, was sehr bedauerlich ist. Da wäre Raum zur Vertiefung gewesen.

Besonders bedauerlich ist, dass dieser Beitrag von mir schon gestern gepostet, wohl dann doch wieder gelöscht wurde. Kritik ist offenbar unerwünscht.