The Gunman

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Sixpacks im Kugelhagel

Wenn in einem Presseheft der Name des Drehbuchautors fehlt, ist das kein gutes Zeichen. Und tatsächlich bestätigt sich bei Pierre Morels Actionfilm The Gunman diese Beobachtung wieder einmal. Der Film beginnt mit nachrichtenartigen Bildern aus dem Kongo, zu denen die Stimmen von Nachrichtensprechern zu hören sind, die die Situation in diesem Land im Jahr 2006 erläutern sollen. Es sieht nicht gut aus, der Kongo steht erneut am Rand eines Bürgerkriegs und die Menschen sind auf der Flucht.
Vor Ort versuchen deshalb NGOs mit medizinischer Versorgung zu helfen, unter ihnen ist auch Jim Perrier (Sean Penn), der angeblich für die Sicherheit eines Flughafens zuständig ist. Er hat eine Affäre mit der Ärztin Annie (Jasmine Trinca), die von seinem Vorgesetzen Felix (Javier Bardem) eifersüchtig beäugt wird. Dann erfährt Jim, dass er den Auftrag erhalten hat, eine Zielperson im Kongo zu erledigen. Denn eigentlich ist Jim Söldner, ein bezahlter Mörder, der das tut, was man ihm sagt. Ausgewählt wurde er für diese Aufgabe – so suggeriert es der Film – von Felix, der genau weiß, dass Jim nach dem Attentat das Land und damit Annie verlassen muss.

Anscheinend gibt es im Kongo kein besseres Motiv als Eifersucht. In einem Land, in dem jeden Tag tausende Menschen sterben und internationale Unternehmen Profit machen, soll der Zuschauer nun also Anteil nehmen an dem schrecklichen Schicksal des Söldners Jim, der seine große Liebe verlassen muss, weil er den Landwirtschaftsminister des Kongos, der an den Rohstoffprofiten des Landes beteiligt werden wollte, auftragsgemäß erschießt. Da bereitet es fast größere Sorge, dass der Verantwortliche einer Söldnertruppe nicht den besten Schützen für diese Tat aussucht, sondern aus Eifersucht handelt. Aber immerhin ist der Schuss schön inszeniert: die Farben sind dunkel, es gibt eine leichte Zeitlupe, die die Bedeutung und Tragik dieses Schusses unterstreicht.

Danach springt die Handlung einige Jahre weiter. Jim arbeitet nun selbst für eine NGO in Afrika und geht vor dem Gutmenschsein morgens am Strand schon einmal surfen, so dass Sean Penn eine von unzähligen Gelegenheiten bekommt, seinen durchtrainierten Oberkörper zu zeigen. Jim, der coole Typ, hat alles unter Kontrolle. Das glaubt er zumindest bis das Dorf überfallen wird, in dem er einen Brunnen bohren wollte. Jedoch geht es bei diesem Überfall natürlich nicht um das Dorf – so wie es in diesem Film auch nicht um Afrika oder Söldnertum geht –, sondern um Jim. Er ist auf einer Abschussliste gelandet, weil sein ehemaliger Arbeitgeber alle Spuren zum damaligen Attentat beseitigen will.

Also kehrt er erst nach London zurück, macht sich dann auf den Weg nach Rom und weiter durch Europa, um die Drahtzieher zu enttarnen und nicht nur sein Leben zu retten. Nein, in Rom findet er nämlich heraus, dass Annie nun scheinbar Lehrerin und mit Felix verheiratet ist, also will er auch seine große Liebe retten, die natürlich gerettet werden muss. Denn eine Frau, die im Kongo gearbeitet hat, ist nicht tough, sondern rettungsbedürftig. Sie hat ja auch den unsympathischen Felix geheiratet, weil Frauen nun einmal den Nächstbesten nehmen, wenn sie gerade von ihrer großen Liebe wortlos verlassen wurden. Die Liebe zwischen Annie und Jim ist so groß, dass Jim und Felix sie ebenso wie Annies Einzigartigkeit ständig betonen müssen. Die Bilder zeigen das nicht. Jim kommt auch nicht auf die Idee, dass ein Camouflage-Rucksack in einer Stadt nicht die beste Tarnung ist. Aber sobald er etwas Interessantes sieht, nimmt er immerhin demonstrativ die Sonnenbrille ab, damit der Zuschauer auch mitbekommt, dass es etwas Interessantes zu sehen gibt. Ohnehin wird ständig sicher gestellt, dass dem Zuschauer nichts entgeht, deshalb werden in Rückblenden noch einmal Situationen gezeigt, die gerade erst passiert sind.

Dadurch wird die Handlung verschleppt, Spannung kommt nicht auf. Stattdessen hat Jim noch eine Hirnverletzung, die Gedächtnisprobleme verursacht, die praktischerweise immer in den Momenten auftreten, in denen es dramaturgisch hilfreich wäre. Auch bleibt die gelungene Ästhetik der ersten Hälfte leider nicht erhalten, sondern am Ende reihen sich in einer Stierkampfarena (Achtung Metapher!) unzählige altbackene, alberne Bilder aneinander, die nur noch von den absurden Dialogzeilen unterlaufen werden. In diesem Film sagt ein ehemaliger Söldner, ein bezahlter Mörder, der für seine Taten noch nicht einmal ein wie auch immer fehlgeleitetes Motiv hatte, sondern für Geld mordete, dass es der größte Fehler seines Lebens gewesen sei, Annie zu verlassen. Eine Frau, die sich inmitten eines Überfalls weigert, sich vom Fleck zu rühren, wenn er ihr nicht die ganze Geschichte erzählt.

Noch ärgerlicher wird The Gunman bei einem Blick auf die literarische Vorlage Position: Anschlag liegend von Jean-Patrick Manchette, von der kaum etwas übrig geblieben ist. Dort kehrt der Auftragsmörder Martin Terrier nach zehn Jahren in sein Heimatdorf zurück, um seine große Liebe zu heiraten, die aber nicht auf ihn gewartet hat. Im Gegensatz zu Jim bekennt er sich dazu, für Geld gemordet zu haben. Er sieht sehr schnell ein, dass er seinem alten Leben nicht einfach entfliehen kann, sondern eine letzte Tat begehen muss, die er verabscheut. Mit der Liebe ist es sowieso bald vorbei. Manchette schildert seine Figuren ohne viel Einfühlungsvermögen und Mitleid, dennoch ist das Buch spannend und man will wissen, wie es weitergeht.

Pierre Morel traut seinen Zuschauern nicht zu, dass sie einer unsympathischen Figur folgen würden. Deshalb braucht er die Liebe als Motiv. Doch sie macht den Berufskiller nicht weicher, sondern unprofessioneller, außerdem bildet Jasmine Terat mit dem wesentlich älteren Sean Penn ein nicht allzu überzeugendes Liebespaar. Es ist grundsätzlich ein guter Ansatz, die Handlung aus Frankreich nach Afrika zu verlagern und aus dem Kampf um Öl den um Rohstoffe zu machen. Allein, es spielt für diesen Film keine Rolle, Afrika wird zur Hintergrundkulisse und zum verzweifelten Versuch, Jim doch noch als Gutmensch dastehen zu lassen. Wenigstens ein wenig. Und es ist fast schmerzlich mit anzusehen, wie Idris Elba in zwei Kurzauftritten verpulvert wird und Javier Bardem verzweifelt versucht, seiner Figur etwas mehr Tiefe zu verleihen.

Am Ende dieses Films steht dann eine Auflösung, bei der man sich fragt, warum Jim darauf nicht schon vorher gekommen ist. Dann wären diese 115 Minuten nämlich um einiges kürzer ausgefallen. Aber gut, Sean Penn hätte nicht wiederholt beweisen können, wie gut sein Körper noch in Form ist. Schließlich muss man mit 54 Jahren eine schusssichere Weste erst einmal auf nacktem Oberkörper tragen können. Also mach Platz Liam Neeson, Sean Penn will auf den Ältere-Herren-Actionthron!

The Gunman

Wenn in einem Presseheft der Name des Drehbuchautors fehlt, ist das kein gutes Zeichen. Und tatsächlich bestätigt sich bei Pierre Morels Actionfilm „The Gunman“ diese Beobachtung wieder einmal. Der Film beginnt mit nachrichtenartigen Bildern aus dem Kongo, zu denen die Stimme von Nachrichtensprechern zu hören ist, die die Situation in diesem Land im Jahr 2006 erläutern sollen.
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Meinungen

Laura M. · 09.05.2015

Ich finde keineswegs, dass der Film diese durch und durch zickige Kritik verdient hat. Man muss aus einem Actionfilm keinen Dokumentarstreifen machen, nur weil ein ernster Hintergrund gewählt wird. Auch finde ich, dass Jim nicht als Gutmensch dargestellt wird. Natürlich ist es immer schwer, den Protagonisten nicht auch als Helden darzustellen. Glorifiziert wird er hier jedoch nicht. Bestrafung erfährt er durch seine Erfahrungen, seine Krankheit, das Gefängnis.
Wie auch immer, ich fand den Film absolut sehenswert. Wenn man aber offensichtlich nach Dingen sucht, über die man nachher schön meckern kann, dann ist man ohnehin zu bemitleiden. Wirklich professionell wirkt so eine Kritik dann ebensowenig, eher lebensfrustriert.