The Dixie Chicks: Shut Up & Sing

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Zum Teufel mit der Redefreiheit

Bis zum Jahr 2003 hatte die Karriere der Dixie Chicks stets steil nach oben gezeigt. Das Country-Trio, das aus Natalie Maines, Emily Robison und Martie Maguire besteht, hatte bereits 30 Mio. Alben verkauft. Außerdem hatten sie bei der Super Bowl die Nationalhymne intonieren dürfen und waren wenig später zu einer Welttournee aufgebrochen, die ihren Beginn in London nahm. Doch dort geschah das, was die Karriere der Dixie Chicks massiv unterbrechen und aus den erklärten Lieblingen vieler US-Amerikaner unerwünschte Personen machen sollte. Am 10. März 2003, am Vorabend des Ausbruchs des Irak-Krieges, hatte sich in London eine Million Menschen versammelt, um gegen den unabwendbaren militärischen Konflikt zu protestieren – es war die größte politische Kundgebung in der Geschichte Großbritanniens. Als die Dixie Chicks am selben Abend in Shepherd’s Bush Empire auftraten, standen die Musikerinnen offenbar noch unter dem Eindruck der Demonstrationen, und es entsprang wohl der Magie des Moments, dass die Leadsängerin Natalie Maines nach der Country-Ballade „Travellin’ Soldiers“ folgende Worte ins Mikrofon sprach: „Nur damit ihr’s wisst – wir sind auf eurer Seite. Wir wollen diesen Krieg nicht. Und wir schämen uns dafür, dass der Präsident der Vereinigten Staaten aus Texas stammt.“ Das Publikum war begeistert und jubelte Natalie Maines zu, doch schon bald sollte sich zeigen, welche Folgen diese flapsige Bemerkung haben würde.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von dem Statement der bislang völlig unpolitischen Country Girls, und in den USA brach ein Sturm der Entrüstung los. Politiker, Fans und Journalisten zeigten sich empört ob der schädigenden Äußerung und in Internet—Foren wurde zum Boykott der CDs des texanischen Trios aufgerufen. Doch es sollte noch schlimmer kommen – die Proteste, offensichtlich initiiert von einer rechtsradikalen Gruppe namens „Free Republic“, die beste Verbindungen zu verschiedenen Radiosendern unterhält, erwirkten, dass zahlreiche Country-Sender die Musik der Dixie Chicks boykottierten und ihre Fans zur Vernichtung der CDs aufforderten. Es folgten öffentliche Zerstörungen von Alben der Musikerinnen, die an die Bücherverbrennungen des Dritten Reiches erinnern – der durch die Terroranschläge am 11. September 2001 erwachte Patriotismus zeigte sich von seiner übelsten Seite. Nach halbherzigen Versuchen, die erhitzten Gemüter zu beruhigen, traten die Dixie Chicks schließlich die Flucht nach vorne an: Für Fotoaufnahmen mit dem Magazin Entertainment Weekly präsentierten sie sich hüllenlos und mit Statements wie „Großmaul“, „Verräterinnen“, „Saddams Engel“ oder „Dixie Schlampen“ auf der nackten Haut. Außerdem bedauerte Natalie Maines in einem Interview lediglich die Wortwahl ihrer Äußerung, aber nicht deren Inhalt. Schließlich hatte die Affäre auch ihr Gutes: Nachdem nun die meisten Radiosender die Musik der Dixie Chicks boykottierten, sahen sich diese nicht mehr genötigt, sich allzu sehr an den Geschmack ihrer Fans anzupassen, sondern lediglich den eigenen Visionen zu folgen – ein Skandal als Chance zur Erneuerung und Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln.

Die beiden Filmemacherinnen Barbara Kopple und Cecilia Peck – Tochter der Schauspielers Gregory Peck, der sich während der Nixon-Ära aufgrund seines politischen Engagements auf einer Schwarzen Liste befunden hatte – haben die Dixie Chicks von 2003 bis 2006 begleitet und zeichnen in ihrem engagierten Film die Spuren der Affäre nach. Bemerkenswert an The Dixie Chicks: Shut Up & Sing / Shut Up & Sing ist vor allem, wie wenig die Musikerinnen hier zu Heldinnen hoch stilisiert werden, sie sind ganz einfach drei couragierte Frauen, die sich den Mund nicht verbieten lassen wollen – eben weil sie ihr Land so lieben. Und zugleich zeigt der Film, wie die Mechanismen des Pop-Business funktionieren und wie sehr in einem Land wie den USA die große Politik längst alle Lebensbereiche durchdringt — ein Lehrstück in Sachen Demokratie und Redefreiheit.

The Dixie Chicks: Shut Up & Sing

Bis zum Jahr 2003 hatte die Karriere der Dixie Chicks stets steil nach oben gezeigt. Das Country-Trio, das aus Natalie Maines, Emily Robison und Martie Maguire besteht, hatte bereits 30 Mio. Alben verkauft.
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