The Canyons

Eine Filmkritik von Sebastian Moitzheim

Ein eingehaltenes Versprechen

Die Eröffnungseinstellungen von The Canyons – eine Reihe von Stillleben verlassener, heruntergekommener Kinos in (ausgerechnet) Los Angeles – versprechen eine Elegie auf das Kino, eine Abrechnung mit der Filmindustrie vielleicht, in jedem Fall aber einen Film über Film und darüber, wie er heute gemacht und konsumiert wird. Das Versprechen dieser Bilder kann der Film von Paul Schrader, nach einem Drehbuch von Romanautor Bret Easton Ellis (American Psycho), gleich in doppeltem Sinne nicht einlösen: Nicht nur ist visuell nichts in The Canyons mehr so interessant wie diese Bilder, der Film hat auch wenig bis nichts über Film und Kino (oder, um genau zu sein, irgendetwas anderes) zu sagen.
Nicht, dass Schrader und Ellis nicht weiterhin versuchen würden, ihrer dünnen Handlung um den zugekoksten Filmproduzenten Christian (Pornostar James Deen), dessen Freundin Tara (Lindsay Lohan) ihn mit dem Hauptdarsteller seines aktuellen Filmprojektes (Nolan Funk) betrügt, mit diesem thematischen Überbau mehr Gewicht zu verleihen: Christian scheint wenig Interesse an seiner aktuellen Produktion zu haben, filmt lieber mit seinem Smartphone Tara beim Sex mit ihm selbst und anderen, Tara, ebenfalls in Christians Filmprojekt involviert, sagt „I don’t really like movies anymore” etc. Doch solche Momente bleiben Lippenbekenntnisse, Behauptungen, die sich nie zu einem wirklichen thematischen Rahmen oder roten Faden vereinen lassen.

Über weite Strecken vergisst der Film sein angebliches Thema gänzlich, und wenn dann doch mal wieder eine Figur irgendeinen Allgemeinplatz über den Niedergang der Filmindustrie in die Kamera sagt, scheint das eher den Zweck zu haben, The Canyons im Voraus vor möglicher Kritik zu schützen: James Deen spielt den ganzen Film über mit einem Gesichtsausdruck, wie wir ihn von Ben Stiller als Zoolander kennen? Nolan Funks Figur bleibt blass und charakterlos? Ästhetisch pendelt der Film irgendwo zwischen Seifenoper und Softporno? Muss alles so. Alles ist genau so intendiert, da alles irgendwie den Verfall von Film- und Kinokultur symbolisiert. Das mag sogar stimmen, doch es kommt keine besonders originelle Erkenntnis dabei herum und dass Ellis‘ und Schraders krude Idee eines Erotikthrillers (möglicherweise) absichtlich mit ungelenk-künstlichen, inhaltslosen Dialogen, uninteressanten Figuren, schlechten Performances und uninspirierter Inszenierung aufwartet, macht das Ansehen kein Stück erträglicher.

Wenn es überhaupt einen Grund gibt, The Canyons anzuschauen, dann ist das – überraschenderweise – Lindsay Lohan, wenn auch weniger durch ihr Schauspiel als ihre bloße Präsenz. Zwar hat es auch etwas voyeuristisches, wie Schrader den einstigen Kinderstar nach ihrer in aller Öffentlichkeit durchlebten professionellen und persönlichen Krise weiter ausstellt, indem er sie einem, wohlwollend ausgedrückt, „ungeschönten“ Blick unterwirft. Doch immerhin vermag Lohan es, mit ihrem mit gerade mal 27 Jahren seltsam verbraucht aussehenden, von blauen Flecken gezeichneten Körper, anders als der Rest des Films, beim Zuschauer irgendeine emotionale Reaktion auszulösen. Wenn irgendwer in diesem Film etwas von den dunklen Seiten der Traumfabrik zu erzählen weiß, dann ist es Lindsay Lohan. Sie verkörpert, im wahrsten Sinne des Wortes, die Abgründe von Ruhm und Reichtum.

Was allerdings sagt es über einen Film aus, wenn der Körper einer gescheiterten Nachwuchsschauspielerin mehr über das behauptete Thema zu erzählen hat als Drehbuch und Inszenierung? Wahrscheinlich, dass der Film genau so oberflächlich ist wie die Industrie, die er zu entlarven glaubt – und dazu noch so langweilig, dass man als Zuschauer die Zeit damit überbrückt, den im Grunde ja gar nicht so interessanten, weil letztlich doch nur dem Kinderstar-Klischee folgenden Aufstieg und Fall Lindsay Lohans zu analysieren. In der Filmografie aller Beteiligten dürfte The Canyons als Ausreißer nach unten dastehen, für den sie sich in ein paar Jahren schämen werden. Diese Vermutung, das sei zur Verdeutlichung der unterirdischen Qualität des Films angemerkt, bezieht sich ausdrücklich auch auf Pornostar James Deen.

The Canyons

Die Eröffnungseinstellungen von „The Canyons“ – eine Reihe von Stillleben verlassener, heruntergekommener Kinos in (ausgerechnet) Los Angeles – versprechen eine Elegie auf das Kino, eine Abrechnung mit der Filmindustrie vielleicht, in jedem Fall aber einen Film über Film und darüber, wie er heute gemacht und konsumiert wird. Das Versprechen dieser Bilder kann der Film von Paul Schrader, nach einem Drehbuch von Romanautor Bret Easton Ellis („American Psycho“), gleich in doppeltem Sinne nicht einlösen:
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