The Big Eden

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Jenseits von Rolf Eden

„Super“, lautete der Kommentar des Berliner Playboys Rolf Eden, nachdem er die Dokumentation von Peter Dörfler über sich gesehen hatte. Das ist kein Wunder, denn der 81-Jährige ist geradezu süchtig nach jeder Kamera, die ihn in den Sucher nimmt. Ganz egal, in welchem Licht. Hauptsache „Showtime“ – eines der häufigsten Worte aus dem Mund des auf jugendlich getrimmten Multimillionärs, der seine graue Mähne mit Haarspray aufdonnert. Aber Peter Dörflers Film ist vielschichtiger als es Rolf Eden wahrhaben will. Der Regisseur blickt hinter die Fassade des exzessiven Selbstdarstellers und nimmt sie zum Ausgangspunkt für eine faszinierende filmische Reflexion, die interessanter ist als ihr Gegenstand.
Warum soll man sich einen Film über einen Mann anschauen, über den man – wenn man denn möchte – schon alles weiß? Über einen, der allein deshalb in der Zeitung steht, weil er sich mal wieder einen neuen Rolls-Royce gekauft hat, in dem er seine neueste Eroberung spazieren fährt, die meist jünger ist als seine Enkeltochter. Auch Peter Dörfler stellte sich diese Frage. Zunächst wollte er nämlich gar keinen Film über den Gründer des ersten Nachtklubs im Berlin der Nachkriegszeit drehen. Sondern über dessen sieben Kinder, die er mit sieben verschiedenen Frauen gezeugt hat. Das hat Dörfler in The Big Eden dann unter anderem auch getan, die Familie kommt ausführlich zu Wort. Aber er war im Laufe der Recherchen so fasziniert vom dem radikalen Anspruch Edens, alles Negative aus seinem Leben fernzuhalten, dass dieses „Experiment“ (Dörfler), die Welt ausschließlich durch die rosarote Brille zu sehen, zum zentralen Spannungsfeld wurde. Für Dörfler ist The Big Eden der Abschluss einer Trilogie. Auch die Vorläuferfilme Der Panzerknacker und Achterbahn handeln von Männern, die radikal ihre eigene Sicht der Dinge pflegen und sich nicht darum scheren, was andere davon halten.

Rolf Eden wurde 1930 in Berlin als erster Sohn eines jüdischen Unternehmers geboren. Die Familie wanderte rechtzeitig, nämlich schon 1933, nach Palästina aus. Aber der Vater musste beruflich ganz von vorn anfangen und machte in Haifa ein Café auf. Als Rolf 18 war, kämpfte er im israelischen Unabhängigkeitskrieg in einer Einheit, in der von 1.200 Soldaten nur 400 überlebten. Nach dem Wehrdienst ging er zuerst nach Paris, dann nach Berlin. Dorthin lockten ihn die 6.000 Mark, die jeder Rückkehrer bekam, der vor den Nazis hatte fliehen müssen. Eden investierte das Geld in seinen ersten Klub und von da an ging’s nur noch bergauf, zumindest was die Finanzen, den Champagner und den Erfolg bei Frauen betrifft.

Wer ist dieser Mann, der mit extrem frauenfeindlichen Sprüchen selbst seine aktuelle Freundin schockiert? Wer steckt hinter der Fassade des penetrant gut gelaunten Lebemannes, der den Sinn des Lebens auf Geld und Sex reduziert? Das möchte man gern wissen und das macht die Spannung dieser geschickt erzählten und flott geschnittenen Dokumentation aus. Aber Peter Dörfler ist klug genug, sich unserem Bedürfnis nach ein wenig Küchenpsychologie zu verweigern. Er liefert zwar die Zutaten für eine ganze Reihe von Deutungen, backt daraus aber selbst keinen Kuchen.

Diese Zurückhaltung spiegelt sich auch in der Ästhetik. Mit einer ganzen Reihe von Elementen lenkt Dörfler den Blick auf unterschiedliche Perspektiven. Da ist zum einen die Selbstwahrnehmung Edens, den der Regisseur vor einem weißen Hintergrund ohne sichtbares Gegenüber in die Kamera sprechen lässt. Da sind zum anderen die Reisen zu den Orten seines Lebens, wo wir zum Beispiel den jüngeren Bruder und die älteste Tochter treffen. Und da gibt es die ziemlich erhellenden Statements seiner Kinder und Ex-Frauen, die zum Teil immer noch gute Beziehungen zu ihm pflegen und ihn besser durchschauen als er sich selbst. Eine wahre Goldgrube sind zudem die Super-8-Filme, die Rolf Eden viele Jahre lang über sich selbst gedreht hat und die er dem Filmemacher zur freien Auswahl überließ. Eine Steilvorlage, die sich Dörfler nicht entgehen ließ. Mit entlarvenden Schnitten baut er das Material in den aktuellen Dreh ein, nicht gerade zum Vorteil seines Protagonisten. Was diesen aber keineswegs zu stören scheint. Wie auch? Offensichtlich hat Eden seine rosarote Brille selbst beim Filmegucken auf der Nase.

The Big Eden

„Super“, lautete der Kommentar des Berliner Playboys Rolf Eden, nachdem er die Dokumentation von Peter Dörfler über sich gesehen hatte. Das ist kein Wunder, denn der 81-Jährige ist geradezu süchtig nach jeder Kamera, die ihn in den Sucher nimmt. Ganz egal, in welchem Licht.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen