The Bicycle

Eine Filmkritik von Falk Straub

Abgefahren

Um einen Film zu drehen, bedarf es im digitalen Zeitalter immer weniger. Regisseur Arne Körner und seinen beiden Kompagnons von Against Reality Pictures genügen zwei Personen, eine Weltstadt und ein Fahrrad für die traurige Liebesgeschichte The Bicycle.
Bevor das titelgebende Vehikel in Großbuchstaben von der Leinwand grüßt, rollt es eine Minute ungeschnitten von rechts nach links durchs Bild. Ein Mittzwanziger (Akin Şipal), dessen Namen wir nach einer knappen halben Stunde erfahren, steuert das klapprige Rennrad durch Hamburg. Er heißt Mark, und als er drei Szenen später nicht mehr in der Hansestadt auf dem Sattel, sondern neben Antonia (Carly May Borgstrom) vor dem Centre Georges-Pompidou sitzt, glauben wir, sein Ziel zu kennen und die Erzähltechnik durchschaut zu haben. Bis zum Schluss wechselt sich das Geschehen in Paris mit den Ereignissen auf Marks Weg dorthin ab. Doch die Zeit ist etwas anders organisiert in Arne Körners erstem Langfilm.

Es ist die Geschichte einer Liebe, die an ihren Voraussetzungen scheitert und ausgerechnet in der Stadt der Liebe ihr Ende findet. Mark und Antonia, er ein verschlossener Hamburger, sie eine umtriebige Kanadierin, führen eine Fernbeziehung. Ihr Urlaub in Paris ist das lang ersehnte Wiedersehen. Doch in der Enge des Hotelzimmers werden die beiden einander schneller fremd, als sie es über die modernen, Kontinente überbrückenden Kommunikationsmittel je könnten. Er redet ihr zu wenig, sie interpretiert ihm zu viel. Dass sie kein Deutsch spricht und er nur leidlich Englisch, verschärft die Situation. Und so weicht das Händchenhalten vor den obligatorischen Sehenswürdigkeiten nach und nach handfesten Streitereien. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Marks Fahrrad, dem noch eine böse Überraschung bevorsteht.

Was Arne Körner da mit tatkräftiger Unterstützung seiner Kompagnons Akin Şipal (Hauptrolle, Drehbuch) und Martin Prinoth (Kamera) in Eigenproduktion erzählt, ist bereits tausendfach gesehen. Wie er es jedoch auf die Leinwand bringt, ist eine Herausforderung. Wiederholt verschluckt der Großstadtlärm die Dialoge, die ebenso improvisiert erscheinen wie Marks und Antonias Spaziergänge, bei denen die Kamera nie weiß, was hinter der nächsten Häuserecke auf sie wartet. Denn die umstehenden Passanten sind echt. Wie sie auf das Paar reagieren, wenn es mitten auf der Straße einen Streit vom Zaun bricht, steht in keinem Drehbuch.

Diesem Rohen, Unverfälschten, Ungefilterten setzt Körner Bilder entgegen, die er durch den Filter jagt. Grobkörnige Nachtaufnahmen und taghelle voller Gegenlicht und Unschärfen wechseln mit Aufnahmen, die Mark mit einer alten Schmalfilmkamera während des Urlaubs dreht, und solchen, die nachträglich auf alt getrimmt wurden. Bei allen (gewollten oder ungewollten) Unzulänglichkeiten dieses wagemutigen Unterfangens ist ihm eine erfrischende Wahrhaftigkeit nicht zu nehmen. Auch wenn The Bicycle kaum etwas erklärt, ist uns alles klar. Schließlich waren die meisten selbst einmal in Marks und Antonias Lage, in der ein falscher Blick und ein richtiges Wort, eine Zigarette zu viel und ein Kuss zu wenig alles entscheidend sein können.

The Bicycle

Um einen Film zu drehen, bedarf es im digitalen Zeitalter immer weniger. Regisseur Arne Körner und seinen beiden Kompagnons von „Against Reality Pictures“ genügen zwei Personen, eine Weltstadt und ein Fahrrad für die traurige Liebesgeschichte The Bicycle.
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