Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden

Eine Filmkritik von Stefan Otto

Schatten gleiten übers Kissen

Es ist zweifellos Lars Eidinger, der hier in der Rolle des expressionistischen Dichters Georg Trakl zu sehen ist. Der Schauspieler von der Berliner Schaubühne verschwindet in Tabu — Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden nicht in oder hinter der Figur, die er darstellt. Eidinger (Hell, Alle anderen) bleibt deutlich Eidinger und entspricht nicht dem Bild von Trakl, wie Fotografien es überliefern. Das Kostümdrama ist trotzdem oder vielleicht umso mehr ein Film großer schauspielerischer Leistungen, mit Eidinger, mit Petra Morzé als Trakls Mutter Maria, mit Rainer Bock und der Debütantin Peri Baumeister, die für ihre Darstellung der Schwester Grete beim Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken 2012 als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde.
Wie eigentlich immer, wenn es jenseits purer, seriöser Literaturwissenschaft um den Salzburger Dichter Georg Trakl (1887-1914) geht, steht die Geschwisterliebe, der Inzest im Vordergrund, der von den Suiziden Georg und Grete Trakls 1914 bzw. 1917 an maßgeblich den Blick auf sein Leben und weithin auch auf sein Werk prägte. Tabu, das erste Wort im Titel, deutet bereits an, dass es in Christoph Starks Biopic nicht anders ist. Die deutsch-österreichisch-luxemburgische Produktion ist jedoch zumindest bemüht, die Beziehung zu erforschen, die zwischen Trakls Biografie und seiner Dichtkunst bestand. Der Film nimmt sich Freiheiten heraus, aber er nimmt es ernst, von Trakl zu erzählen.

Tabu ist ein freies Künstlerporträt, das in seiner Drastik zum Teil den Gemälden George Grosz‘ und Otto Dix‘ nachzueifern scheint. Die Darstellung von Nacktheit und Krankheit, Zerrissenheit, Prostitution und Erotik kulminiert im Bild einer Prostituierten mit Holzbein.

Der Film konzentriert sich aber auf die Hauptfiguren und wenige Nebenfiguren. Neben der inzestuösen Beziehung der Geschwister erzählt er von Eifersucht, von Georg Trakls Studium der Pharmazie und der Arbeit in einer Apotheke, die es ihm gestattet, an alle möglichen Drogen zu kommen und sie auch zu konsumieren. Trakl schreibt manisch und allerorten, veröffentlicht die Sammlung Gedichte und hält seine erste und einzige Lesung. Die Drehbuchautorin Ursula Mauder erdachte sich aber für Grete eine Biografie, die die ganze Geschichte gefährlich nahe an den Rand einer Soap-Opera steuert. Da ehelicht Margarethe Trakl, die in Wirklichkeit einen Berliner Buchhändler heiratete, ihren 20 Jahre älteren Wiener Musikprofessor Brückner, der an ihr vor allem ihre Musikalität bewundert. Als sie schwanger wird, weiß er lange nicht, dass das Kind nicht seines ist, sondern das ihres Bruders.

Es ist dies gerade so ein gelingender Kniff, Georg Trakl aus eingestaubten Büchern zu holen und zu neuem, bewegten Leben zu erwecken. Er habe kein dokumentarisches Werk über den Lyriker und seine Zeit schaffen wollen, erklärt auch Regisseur Christoph Stark (Polizeiruf 110: Zapfenstreich, Julietta), sondern einen Film mit einem zeitlos universellen Thema: „Eine große, leidenschaftliche, aber unmögliche Liebe. So wie Romeo und Julia an ihren verfeindeten Familien zu Grunde gingen, arbeiteten sich Georg und Grete an einem Tabu ab.“

Tabu - Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden

Es ist zweifellos Lars Eidinger, der hier in der Rolle des expressionistischen Dichters Georg Trakl zu sehen ist. Der Schauspieler von der Berliner Schaubühne verschwindet in „Tabu — Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden“ nicht in oder hinter der Figur, die er darstellt. Eidinger („Hell“, „Alle anderen“) bleibt deutlich Eidinger und entspricht nicht dem Bild von Trakl, wie Fotografien es überliefern.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Harald · 16.05.2012

Gerade lief der Film in der Sneak Preview im Münchner City KIno.
Lange nicht mehr so ein unerträgliches Machwerk gesehen - hier stimmt ja nichts.
Erstaunlich, dass vor mir nach rund 50 Minuten erst rund ein Dutzend Leute die Vorstellung verlassen hatte.