Straw Dogs - Wer Gewalt sät

Eine Filmkritik von Tim Slagman

Der Barbar in mir

Das Glas von David Sumners Brille ist zersplittert, um ihn herum liegt seine kleine Welt in Trümmern. Dustin Hoffman spielte 1971 diesen jungen Intellektuellen in Sam Peckinpahs „Wer Gewalt sät“, und der zierliche Bursche war die Idealbesetzung für einen Jedermann, hinter dessen zivilisatorischer Fassade noch die Wildnis brodelt.
Die Allegorie der Brille hat Rod Lurie, der Regisseur des Remakes Straw Dogs — Wer Gewalt sät, in seinem Film behalten. Und sie ist nicht das einzige Bild, das ein wenig zu bedeutungsschwanger scheint, zu belastet damit, über sich selbst hinausweisen zu müssen. Gleich zu Beginn fällt ein Hirsch einer jagenden Bande zum Opfer, ein hilfloses Ding, das die Männer in einem Wald in Mississippi geradezu hinrichten. Dann kommen David Sumner (James Marsden) und seine Frau Amy (Kate Bosworth) in dem nahe liegenden Dorf an, das Blackwater heißt wie früher die zweifelhafte Privatarmee, die im Irak gewütet haben soll. Nach dem Tod von Amys Vater kehrt die Schauspielerin in ihren Heimatort zurück, wo David in Ruhe an seinem nächsten Drehbuch über die Kämpfe um Stalingrad schreiben will.

Doch den Southern Rock aus dem Ghettoblaster der vier Einheimischen, die das Dach seiner Scheune reparieren, kann er mit klassischer Musik nur notdürftig übertönen. Und dass ausgerechnet Amys Ex-Freund Charlie (Alexander Skarsgård) nebenan Leitern schleppt und Pfannen verlegt, ist die Saat einer langsamen Eskalation. Sie in einer wahren Schlacht enden wird, deren erstes und letztes Opfer die Ehe der Sumners ist.

Der hoch gewachsene Schwede Alexander Skarsgård, der schon als Bösewicht in der Vampirserie True Blood den Hauptfiguren die Schau stahl, hat für seine Rolle des Charlie alles Ätherisch-Übersinnliche abgelegt. Er spielt den ehemaligen Star des Football-Teams an der High School, das neben dem Gottesdienst immer noch der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Blackwater ist. Doch in dessen schiere körperliche Präsenz mischt Skarsgård immer noch ein wenig sinistere Nachdenklichkeit, eine Höflichkeit und Vorsicht, die an das Taktieren einer Schlange erinnert.

Solche Ambivalenzen streut Rod Lurie elegant unauffällig über den ganzen Film hinweg und weigert sich konsequent, sie aufzulösen. Nicht zuletzt das macht seinen Stoff so stark – stark genug, dass er auf manche etwas eitlere Spielerei hätte verzichten können. Die Gewalt auf dem Football-Feld und das Schießen eines Hirsches montiert er zu einem Panoptikum, das in der barbarischen Gewalt gipfelt, die Amy erlitten hat. In manchen Gesprächen springt die Perspektive wie in einem klassischen Achsensprung, eine Verkehrung der Welt – der forcierte und unnötige Hinweis darauf, dass Blackwater einem Neuankömmling aus der Stadt verwirrend, ja desorientierend scheinen mag.

Denn natürlich liegt die Skepsis der Menschen vom Lande gegenüber den Sumners tiefer. Sie speist sich aus dem Gefühl der zu kurz Gekommenen, des abgehängten Teils Amerikas, der sich Zuflucht sucht in vertrauten, scheinbar anti-modernen Ritualen, in Kirche, Stadion und der einzigen Kneipe im Ort. Blackwater ist beinahe eine Karikatur des Lebens im „bible belt“, eine bequeme fiktionale Befriedigung europäischer Vorurteile, die das Finale dann drastisch auf den Kopf stellt.

Straw Dogs - Wer Gewalt sät

Das Glas von David Sumners Brille ist zersplittert, um ihn herum liegt seine kleine Welt in Trümmern. Dustin Hoffman spielte 1971 diesen jungen Intellektuellen in Sam Peckinpahs „Wer Gewalt sät“, und der zierliche Bursche war die Idealbesetzung für einen Jedermann, hinter dessen zivilisatorischer Fassade noch die Wildnis brodelt.
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