Strafpark

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Zur Hölle mit den Hippies!

Wie die Zeiten sich doch ändern: In den 1970er Jahren galt Peter Watkins Film Strafpark / Punishment Park noch als bitterböse Dystopie und allenfalls als weit von der Realität entrückte Allegorie auf staatliche Willkür, die selbstverständlich in der Heimstatt der Tapferen und Freien niemals vorkommen würde. Wobei es schon so manchen Redneck (und durchaus auch manches deutsche Pendant dazu) gab, der die „ungewaschenen“ und sonstwie verwahrlosten Hippies der späten Sechzigerjahre am liebsten in ein Arbeitslager in die Wüste geschickt hätte, wie dies hier geschieht. Heute, nach Guantanamo Bay und Abu Ghuraib kommt man nicht umhin, diesen Film mit ganz anderen Augen zu sehen – als nahezu prophetische und ungeheuer wütende Gesellschaftsstudie über die zunehmende Entfremdung zwischen Staat und Bürger gerade im Mutterland der Demokratie. Das gibt dem Film trotz der mehr als 40 Jahre, die seit seinem Entstehen vergangen sind, eine ungeheure Wucht, Brisanz und Aktualität, die die Neuveröffentlichung dieses Filmes beinahe schon zu einer Zwangsläufigkeit werden lassen.
Strafpark erzählt, ausgehend von der Realität der frühen Siebziger, von einer weiteren Eskalation der Gewalt, wie sie teilweise im Zuge der Studentenunruhen und der Proteste gegen den Vietnam-Krieg in den USA wahrzunehmen war. Allerdings haben sich – so die Ausgangslage des Films – die historischen und (außen)politischen Rahmendaten erheblich verschärft: Weil mittlerweile auch die südkoreanische Hauptstadt Seoul unter Beschuss steht und die Sowjetunion eine U-Boot-Flotte vor Kuba zusammengezogen hat, haben die US-Behörden eine Reihe von Notstandsgesetzen erlassen, die unter anderem die Internierung von Kriegsgegnern und Oppositionellen erlauben. Diese Staatsfeinde werden in den sogenannten Strafparks irgendwo in der Wüste interniert und von Schnellgerichten zu drakonischen Haftstrafen verdonnert. Wer sein Urteil verkürzen will, hat die Möglichkeit, an einem Wettlauf teilzunehmen: Wer in drei Tagen ohne Wasser oder Nahrung eine in 50 Meilen Entfernung aufgestellte US-amerikanische Flagge erreicht und seinen Verfolgern entkommt, kann in den Genuss einer Amnestie gelangen. Was die Teilnehmer an diesen perversen Läufen aber nicht wissen: In Wirklichkeit sind diese lediglich eine Trainingseinheit für die Sicherheitskräfte, die die „Regeln“ der Wettkämpfe zu ihren eigenen Gunsten umgestalten. Festgehalten wird das Ganze durch zwei zufällig anwesende Fernseh-Teams, die den Bildern eine dokumentarische Anmutung verleihen.

In den Kinos ging Strafpark, dessen Szenen vor den Tribunalen mehr erschrecken als seine Gewaltdarstellung, mehr oder weniger sang- und klanglos unter. Das lag weniger an offener staatlicher Zensur als vielmehr am vorauseilenden Gehorsam zahlreicher Kinobetreiber, die im Falle der Aufführung des Filmes wohl Repressalien befürchteten. In den USA wurde der Film weder auf der großen Leinwand noch im Fernsehen jemals gezeigt – und dass obwohl er im Jahre 1971 beim Filmfestival von Cannes außerhalb des Wettbewerbs zu sehen war. In Großbritannien wurde der Film immerhin auf einigen 16mm-Kopien vertrieben, in Deutschland kam er erst 1980 in verschwindend geringer Kopienzahl in die Kinos.

Dennoch hat Strafpark Spuren hinterlassen und wird auch heute noch als Vorbild und Inspirationsquelle herangezogen. Romain Gavras´ Musikvideo zum Song Born Free der aus Sri Lanka stammenden Rapperin M.I.A. (bekannt unter anderem durch ihre Beiträge zu Danny Boyles Slumdog Millionär) beispielsweise erscheint rückblickend wie eine Hommage an diesen Film, der beinahe in Vergessenheit geraten wäre. Umso löblicher ist nun die Neuveröffentlichung dieser sehenswerten und schlau gemachten Fake-Doku, die die Stimmung in den USA in jenen bewegten Jahren ebenso auf den Punkt bringt wie Michelangelo Antonionis Zabriskie Point (1970) oder Haskell Wexlers Medium Cool (1969). Peter Watkins aber brachte der Film trotz überwiegend positiver Kritiken kein Glück – Strafpark sollte sein letzter in den USA realisierter Film bleiben. Was folgte, war eine Karriere, die äußerst wechselvoll immer wieder an den Rand des Absturzes geriet – zu radikal waren Watkins´ Ideen, zu progressiv seine Ansichten. Ganz sicher ist er ein außergewöhnlicher Regisseur, dessen gesamtes Werk einer Revision harrt. Schon allein aus diesem Grund (aber auch aus vielen anderen) ist Strafpark eine echte Empfehlung und Entdeckung.

Strafpark

Wie die Zeiten sich doch ändern: In den 1970er Jahren galt Peter Watkins Film „Strafpark“ / „Punishment Park“ noch als bitterböse Dystopie und allenfalls als weit von der Realität entrückte Allegorie auf staatliche Willkür, die selbstverständlich in der Heimstatt der Tapferen und Freien niemals vorkommen würde. Wobei es schon so manchen Redneck (und durchaus auch manches deutsche Pendant dazu) gab, der die „ungewaschenen“ und sonstwie verwahrlosten Hippies der späten Sechzigerjahre am liebsten in ein Arbeitslager in die Wüste geschickt hätte, wie dies hier geschieht.
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