Sons of Norway

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Jugendliche Rebellionen und fäkale Weisheiten

Norwegen, Dezember 1978. Es ist das letzte Weihnachtsfest, das Magnus (Sven Nordin), seine Frau Lone (Sonja Richter) und ihre drei Söhne miteinander verbringen. Hier proben die Kinder das erste Mal den Aufstand („Nieder mit dem Patriarchat!“), müssen aber feststellen, dass die Rebellion gegen ihre Hippie-Eltern mühsam ist. Wenig später reißt ein Unfall die Familie auseinander. Der mittlere Sohn, Nikolaj (Åsmund Høeg), entfernt sich noch weiter von der Familie, wird Punk, macht Musik und ärgert mit seinen Kumpel die biederen Dorfbewohner. Doch Punk scheint nicht die Antwort auf alles zu sein.
Auch wenn Sons Of Norway, der mittlerweile dritte Spielfilm von Jens Lien, als Komödie beworben wird, wie das Plakat unmissverständlich deutlich macht, sollte sich der Zuschauer nicht täuschen lassen. Trotz zahlreicher Momente zum Schmunzeln ist Sons Of Norway ein ernster Film, der eine dramatische Familiengeschichte mit einer schwierigen Coming-of-Age Thematik verbindet. Nikolaj fühlt sich zum Punk hingezogen, rasiert sich die Haare und experimentiert mit neuer Musik. Doch erst nachdem ihm die Familie keinen Halt mehr bieten kann, sich sein Vater zeitweise isoliert und er von seinem jüngeren Bruder getrennt wird, verschreibt sich Nikolaj diesem neuen Lebensgefühl mit Haut und Haar. Aber die Revolution währt nicht lange. Als sein Sohn den Schulleiter mit einer Flasche verletzt, erwacht Magnus aus seiner Lethargie und übernimmt wieder die Vaterrolle. Allerdings auf eine recht unkonventionelle Art.

Sons Of Norway beginnt mit Nikolajs Flaschenwurf, der den Schulleiter unglückseligerweise niederstreckt und erzählt danach in Rückblenden, wie es zu diesem Ereignis kommen konnte. Ob das der optimale Weg ist, die Geschichte zu erzählen, darf bezweifelt werden, denn dadurch wird von Beginn an ein starker Fokus auf die Wandlung des Flegels gelegt. Punk als Lebensgefühl macht aber mitnichten die Geschichte aus. Das eigentlich faszinierende an dem Film sind seine genauen Beobachtungen, wie verschiedene Ideologien interagieren. Jedes System zeigt die Schwächen eines anderen Systems auf und erhält seine Daseinsberechtigung sowie den Code zu seiner Zerstörung durch ein anderes. Dieses Phänomen wird charmant und mit viel Augenzwinkern deutlich, als Nikolaj mit Vater Magnus ein Nudistencamp in Schweden besucht. Im Wald trifft der Junge eine nackte Frau. Fast scheint es, als wäre in dem Moment in Nikolaj der Zeitzünder aktiviert worden, der sein Glaubenssystem schließlich zum Einsturz bringt. Bis dahin passiert allerdings noch so einiges. Um sich dem kreativen Wiederaufbau seiner selbst zu widmen, muss Nikolaj erst einmal mit dem Motorrad durch eine Scheibe fahren.

Ein paar Ähnlichkeiten hat Sons Of Norway mit der schwedischen Literaturverfilmung Populärmusik aus Vittula, die ebenfalls das Erwachsenwerden, die Liebe zur Musik und die Konflikte mit der (Erwachsenen-)Welt thematisiert. Aber es geht auch um eine Vater-Sohn-Beziehung, die erste Liebe, Drogen, Bananen und einiges mehr. Jens Lien hat sich wohl nicht recht entscheiden können, was ihn an der Geschichte am meisten reizt und in welchem Ton er sie erzählen will. In dieser Form wirkt Sons Of Norway aller Stärken zum Trotz ein wenig unentschlossen. Immerhin hört der Zuschauer am Ende noch – und zwar von John Lydon alias Johnny Rotten persönlich – dass alles scheiße ist und dass es darauf ankommt, aus der Scheiße etwas Schönes zu machen. Wie ergiebig diese fäkale Weisheit für Nikolaj sein wird, erfährt der Zuschauer allerdings nicht mehr.

Sons of Norway

Norwegen, Dezember 1978. Es ist das letzte Weihnachtsfest, das Magnus (Sven Nordin), seine Frau Lone (Sonja Richter) und ihre drei Söhne miteinander verbringen. Hier proben die Kinder das erste Mal den Aufstand („Nieder mit dem Patriarchat!“), müssen aber feststellen, dass die Rebellion gegen ihre Hippie-Eltern mühsam ist. Wenig später reißt ein Unfall die Familie auseinander.
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Meinungen

egomaschine · 01.07.2012

Hallo,
>
> ich bin Punkrocker seit 1982 und ich finde den Film grossartig. Es gibt etliche saukomische, sehr lustige sehr traurige und auch sehr nachdenkliche und überflüssige (mit John Lydon) Stellen. Es geht darum etwas zu bewegen und nicht zu verharren. Also einfach erstmal Spass haben, um dann zu wissen, warum man wo steht. Man kann Rebell sein und trotzdem mitten im Leben stehen. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Erstmal muss man das Leben suchen und finden. Ich bin über den Punk zum Vegetarier, Antidrogenheini (Also straight edge (inkl. Kippen, Alkohol, Zucker etc. als Drogen) geworden und Ökoerfinder geworden. PUNKROCK still I Die!