So viele Jahre liebe ich dich

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Schwierige Familienverhältnisse

Lange haben sich die beiden Schwestern nicht mehr gesehen, doch nun ist es endlich soweit. Als Léa (Elsa Zylberstein) ihre große Schwester Juliette (Kristin Scott Thomas) bei sich aufnimmt, wurde diese kurz zuvor nach 15 Jahren Haft entlassen und versucht nun die ersten Schritte in der ungewohnten Freiheit. Der Grund für die lange Strafe: Juliette hat ihren sechsjährigen Sohn getötet – eine ungeheure Tat. Zunächst kalt und distanziert, blüht Juliette bei ihrer Schwester, deren Mann und den beiden Adoptivkindern von Léa langsam auf, öffnet sich mehr und mehr. Doch das gegenseitige Misstrauen sitzt tief und bricht immer wieder heraus, sei es bei der Suche nach einem Babysitter, bei dem Léas Mann das Hilfsangebot seiner Schwägerin einfach ignoriert, oder bei einem Spiel mit einer Freundin, bei dem Juliette bedrängt wird, über ihre Vergangenheit zu sprechen und sie die Wahrheit sagt – sie erntet ungläubiges Gelächter. Erst zum Schluss und durch einen Zufall kommen die wahren Hintergründe von Juliettes Tat ans Tageslicht. Und dann endlich ist Juliette wieder angekommen im richtigen Leben…
So viele Jahre liebe ich dich / Il y a longtemps que je t’aime… ist ein ungeheuer langsam sich entwickelnder und genau beobachteter Film voller Zärtlichkeit und Respekt gegenüber seinen Figuren. Beeindruckend, wie Philippe Claudel hier in seinem ersten Spielfilm zwei Welten etabliert, die langsam zueinander finden müssen – auf der einen Seite Juliettes Sphäre der Einsamkeit und Trauer, auf der anderen Léas kleines familiäres Glück. Die ansonsten stets elegante und mondäne Kristin Scott Thomas macht eine unglaubliche Wandlung durch, obgleich man sie sofort erkennt, ist sie eine vollkommen Andere: Die Augen liegen tief in den Augenhöhlen, die Haare sind stumpf, das Gesicht eingefallen – sie ist wahrhaft eine verhärmte und verbitterte Frau, die ein schweres Schicksal auf sich geladen hat. Auch Elsa Zylberstein als Léa brilliert, versteht es, das Glück ihres Lebens, ihre Zufriedenheit und ihr inneres Strahlen zum Leuchten zu bringen, dann wechselt sie mühelos wieder in Schmerz und Anteilnahme – ein wahrhaft fantastisches Duo, das diesen kleinen Film zu einem bemerkenswerten Erlebnis macht. Auch die anderen Figuren sind bemerkenswert gut gestaltet und bravourös dargestellt, so dass So viele Jahre liebe ich dich / Il y a longtemps que je t’aime… zusammenfassend als gelungenes Debüt bezeichnet werden kann. Mit einem kleinen Manko allerdings: Vielleicht wäre es interessant gewesen, wenn der Film am Ende nicht so eine einfache und nachvollziehbare Lösung für die Frage nach Juliettes Motiv gefunden hätte. Seine Glaubwürdigkeit beschädigt hat diese Finte des Drehbuchs allerdings nicht…

So viele Jahre liebe ich dich

Lange haben sich die beiden Schwestern nicht mehr gesehen, doch nun ist es endlich soweit. Als Léa (Elsa Zylberstein) ihre große Schwester Juliette (Kristin Scott Thomas) bei sich aufnimmt, wurde diese kurz zuvor nach 15 Jahren Haft entlassen.
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Meinungen

Liola · 20.05.2009

angucken lohnt sich NICH!!!!!!!!!!!!!!

henry · 10.01.2009

„Il y a longtemps que je t’aime” besticht vor allem durch die Dinge, die nicht gesagt werden. Schade, dass sich Claudel dieser Stärke nicht bis zur letzten Minute bewusst ist und Juliette am Ende über die dunkelste Seite ihrer Vergangenheit berichten lässt. Damit erklärt er sie vom Täter zum Opfer - eine Legitimation ihrer selbst, die das Publikum gar nicht mehr braucht. Das hat auch so verstanden.

simmerl · 02.01.2009

sensationell. aufklärung schwach? wegen mir hätte der film auch enden können, als sie den telefonanruf zwecks der testauswertung bekommt und ihre tochter aus dem buch vorließt. hammer szene.

· 25.11.2008

Toller Film mit super Schauspielerinnen! Leider war die "Aufklärung" schwach.

Juergen · 20.11.2008

Fabelhaft! Und was für eine Schauspielerin!

Philippe · 25.10.2008

Gesehen während die Berlinale im URANIA. Selbe Atmosphäre in diesem riesigen, vollbesetzten Saal. Ausserordentlich gespielt von der Hauptdarstellerin. Proust oder Balzac vom feinsten auf der Leinwand.
Tiefgründig und ergreifend, die Stimmung aber auch das Thema.

· 14.09.2008

Ich kann Pierre nur zustimmen.

Pierre · 29.03.2008

Ich habe diesen Film in Originalsprache gesehen, Fast alle hatten am Ende Tränen in den Augen. Und alle sind Muksmäuschenstill sitzengeblieben bis der letze Ton des Abspanns verklungen war.
vpierre@pt.lu