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In Italiens Universitäten wird inzwischen sogar am Strom gespart – und Pietro, 37, steht kurzerhand auf der Straße. Noch problematischer ist allerdings, dass Neurobiologen auf dem Arbeitsmarkt nicht sehr begehrt sind. Und so gründet der Ex-Forscher einen Amateurdrogenring. Chaos ist vorprogrammiert.

Morgen ist Schluss - Der Anfang (2014)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Gestatten, Prof. Dr. Drogenpapst

Krise, Krise, Krise. Beinahe egal, wohin man derzeit innerhalb der EU-Zone blickt, überall brodelt es heftig unter der gesellschaftspolitischen Decke. Die Folgen der weltweiten Finanzkrise haben insbesondere einige südliche EU-Länder mehr schlecht als recht oder immer noch nicht konkret in den Griff bekommen. Und so überrascht es nicht wirklich, dass gerade Italien nach unzähligen Hauruckversuchen aus diversen Parteibündnissen oder sogar Neugründungen weiterhin mitten im Reformstau festsitzt, während die jetzt schon gigantischen Staatsschulden scheinbar ins Unermessliche steigen … 

Insbesondere die italienische Mittelschicht leidet massiv unter diesen finanziell prekären Umständen, weil dort inzwischen kaum noch ein 30-Jähriger festangestellt oder karrieretechnisch extra rasch nach oben befördert wird. Und so passt es geradezu wie die Faust aufs Auge, dass der 1981 geborene – und damit auch selbst davon betroffene – Regiedebütant Sydney Sibilia seinen ersten Kinofilm Morgen ist Schluss – Der Anfang (2014) mit Offsprings Jugendhymne Why don’t you get a job? aus dem Off beginnen lässt. 

Nicht nur der Einstieg in diese grelle Aussteigerfarce um den gekündigten Universitätsdozenten Pietro Zinni (Edoardo Leo), der bald zum gefeierten Drogendealer umsattelt, ist laut und wie ein visueller Paukenschlag inszeniert. Auch sonst nimmt der erste Teil dieses als Mini-Film-Saga (Teil 2: Morgen ist Schluss – Masterclass / Teil 3: Morgen ist Schluss – Ad Honorem) angelegten Stoffes dramaturgisch wie filmtechnisch reichlich Fahrt auf. Denn der geniale Neurobiologe Pietro hat aufgrund staatlicher Mittelkürzungen nicht nur seine Stelle an der Universität verloren, sondern auch sonst jede Menge Probleme am Hals: Er wird gleich zu Beginn in einer herrlich boshaften Szene von seinen gelangweilten Nachhilfeschülern dummdreist abgezockt. 

Zu Hause angekommen, kreist bereits der Pleitegeier über allen Haushaltsgegenständen, weil Pietro schon lange nicht mehr weiß, wie er die letzte Liftrechnung bezahlen soll. Und dann soll er seiner toughen Partnerin Giulia (Valeria Solario) schließlich irgendwie noch beichten, dass er sich urplötzlich auf Jobsuche begeben muss, wie eben derzeit so viele in Bella Italia. Was also tun, wenn’s finanziell lichterloh brennt? Ins Escort-Geschäft einsteigen, Pornos drehen, jemanden entführen oder gleich schwerstkriminell werden? 

Nicht ganz, wobei alle genannten Elemente in Sibilias heillosem Inszenierungsdurcheinander später noch eine gewisse Rolle spielen werden. Stattdessen heuert das geschasste Superhirn mit dem smarten Scarface-Gedächtnis-Habitus in kürzester Zeit einige seiner best buddies aus Studienzeiten an, die zwar allesamt eigentlich Koryphäen innerhalb ihrer Fachwissenschaften sind, sich aber trotzdem aktuell mit verschiedensten Drecksarbeiten irgendwie über Wasser halten müssen. 

Schließlich sind die Zeiten für dynamische Makroökologen, lateinische Epigraphen oder interpretative Semiotiker im gegenwärtigen Italien nicht gerade rosig, worüber man in Morgen ist Schluss – Der Anfang in der ersten Stunde durchaus das ein oder andere Mal beherzt lachen kann: So liebevoll bitter, teilweise sogar richtig grotesk verzerrt hat Sibilia das Schicksal seiner gestrauchelten Anti-Ocean’s-Eleven-Helden angelegt, dass es mehrere Momente lang eine echte Freude ist zuzusehen. 

Natürlich geht es hierbei insgesamt ziemlich toll-dreist zu, was kontroverse Reaktionen geradezu provozieren muss. Gewürzt wird diese en gros schlichtweg zu lang geratene Achterbahnfahrt obendrein mit allerlei Slapstick-Momenten, die allerdings nicht per se durchgängig zünden. Und auch manche derbe Blödelei sorgt eher für Kopfschütteln als für Schenkelklopfer, das muss man dieser ungewöhnlichen Gesellschaftssatire im Akademikermilieu durchaus ankreiden. Trotzdem ist dieses visuell ambitionierte Langfilmdebüt im Neon-Look (Bildgestaltung: Vladan Radovic) mit einer Reihe klassischer Underdogs-Typen im Hauptcast nicht nur für Breaking Bad- oder Quentin-Tarantino-Enthusiasten einen Blick wert. 

Morgen ist Schluss - Der Anfang (2014)

Pietro Zinni, 37 Jahre alt, ist ein Forscher und ein Genie. Aufgrund der Kürzungen, die die Universitäten erfahren, wird Zinni gefeuert. Doch was kann ein Nerd tun, der im Leben immer nur studiert hat, um zu überleben? Pietros Idee ist einfach und doch gewagt: eine kriminelle Bande gründen, wie sie die Welt noch nie gesehen hat. Er rekrutiert die besten unter seinen ehemaligen Kollegen, die trotz ihrer Fähigkeiten, allesamt am Rande der Gesellschaft leben: einer arbeitet als Tankwart, ein anderer als Spüler und ein anderer wiederum als Pokerspieler. Das Ganze zu verwalten erweist sich jedoch als problematischer als erwartet …

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