Sleeping Giant

Eine Filmkritik von Festivalkritik Cannes 2015 von Katrin Doerksen

Die Magie eines Sommers an der Schwelle zum Erwachsenwerden

Für debütierende Regisseure bietet es sich wiederum an, Coming of Age-Dramen zu inszenieren, da können ihre Figuren sich genauso ausprobieren wie sie selbst. Sleeping Giant von Andrew Cividino ist in vielerlei Hinsicht nicht überraschend: das Coming of Age-Drama eines Langspielfilm-Debütanten.
Er ist so eine Art popkultureller Mythos, dieser eine spezielle Sommer im Leben eines Jugendlichen, der alles für immer verändert. Ein Phänomen – im Kino omnipräsent und im wirklichen Leben eines Teenagers wahrscheinlich selten Realität. Aber das macht nichts, denn auch die drei jungen Protagonisten treffen wir in Sleeping Giant nicht in ihrem realistisch anmutenden Alltag an, sondern an einem losgelösten Ort: einem abgelegenen Feriendorf mitten im Wald am Lake Superior.

Der Newcomer Jackson Martin verkörpert den zurückhaltenden Jugendlichen Adam, der die Sommerferien wie immer mit seinen Eltern am Lake Superior verbringt. Dort freundet er sich mit zwei Cousins an: Nate (Nick Serino) und Riley (Reece Moffett) verbringen ihre Zeit mit Einbrüchen in die örtlichen Tankstellen, dem Springen von Felsenklippen und allerlei anderem Blödsinn, den man als gelangweilter Jugendlicher eben so treibt. Dass es bei der Ferienidylle nicht bleibt, scheint dabei schon von der ersten Minute an klar.

Andrew Cividino hat weder einen sonderlich abgedrehten Film gemacht, noch einen Film voller ätherischer Fantasy-Elemente. Nach wenigen Momenten ist trotzdem klar, was sich zum Ende hin bestätigt: nämlich, dass der Regisseur wahrscheinlich alle Stilmittel in Sleeping Giant unterzubringen versucht hat, die er immer schon einmal ausprobieren wollte. Lange Kamerafahrten, begleitet von rhythmisch treibender Musik, lassen den See und seine Umgebung malerisch schön erscheinen, aber gleichzeitig auch einen Hauch mysteriöser Bedrohung ausstrahlen. Zeitraffer beschleunigen den Erzählfluss, später gibt es Jump-Cuts zu sehen, Spiele mit der Tiefenschärfe, um 90 Grad schräg gelegte Kameraeinstellungen, Computerspielsequenzen oder amateurhafte Videoaufnahmen. Es gelingt Cividino durchaus, diese verspielten Mittel nicht ausschließlich zum Selbstzweck zu nutzen, sondern sie sinnvoll mit den Geschehnissen in Verbindung zu bringen; trotzdem zeugen sie gleichermaßen auch von einem Regieneuling, der bei allem Potential noch ein wenig brauchen wird, bis er seinen ganz eigenen Stil gefunden hat.

In einer solchen Selbstfindungsphase befinden sich auch die drei Jungs und wenn man es genau nimmt, erzählt Sleeping Giant weniger ihre Geschichte, sondern beschreibt vielmehr ihre Situation. Bevor sich nur ganz allmählich ihre Charaktere und Probleme entfalten, ist der Film vor allem eine ausführliche Beobachtung ihrer Unternehmungen. Und hier liegt auch die Stärke von Sleeping Giant: Andrew Cividino unternimmt nicht den Versuch, sich zu pädagogisch wertvoller Didaktik aufzuschwingen. Eher kreiert er eine filmische Welt, in der eine unbewohnte Insel inmitten des Lake Superior zum vielleicht plakativen, aber immerhin recht wirkungsvollen Symbol für die Verirrungen in der ziemlich experimentellen Lebensphase namens Pubertät wird. Der Eine wächst daran, der Andere scheitert.

Rücksichtsvoll dabei: auf das Scheitern sind hier keineswegs nur die Jugendlichen abonniert. Andrew Cividino beweist nicht nur eine feine Beobachtungsgabe, sondern auch Humor, wenn er in seinem Film ebenso die Unzulänglichkeiten der Erwachsenen eine nach der anderen enthüllt. Aber apropos Unzulänglichkeiten: Sleeping Giant mag seine intensiven und manchmal auch charmanten Momente vorzuweisen haben, den eingangs versprochenen frischen Wind bringt er aber nicht unbedingt ins Kino.

(Festivalkritik Cannes 2015 von Katrin Doerksen)

Sleeping Giant

Für debütierende Regisseure bietet es sich wiederum an, Coming of Age-Dramen zu inszenieren, da können ihre Figuren sich genauso ausprobieren wie sie selbst. „Sleeping Giant“ von Andrew Cividino ist in vielerlei Hinsicht nicht überraschend: das Coming of Age-Drama eines Langspielfilm-Debütanten.
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