Sing It Loud – Luthers Erben in Tansania (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Chor statt Disco

Für Gläubige kann Kirchenmusik auch Popmusik sein. Das beweist Julia Irene Peters in ihrem Dokumentarfilm Sing It Loud – Luthers Erben in Tansania, der drei Chöre bei einem Wettstreit begleitet und das Publikum zum Mitwippen bringt.

„Es ist nicht leicht, diese europäischen Lieder zu lernen“, sagt Emmanuel Loishiye nach einem ersten Griff in die Tasten. Der Mitbegründer, Komponist und Leiter des Kanaani Jugendchors sitzt auf seinem Bett, vor sich ein Keyboard. Von Emmanuels rotem T-Shirt blickt ein leidender Christus ins Leere. Glaubt man dem Spruch über dessen dornengekröntem Haupt, richtet sich Emmanuel an ihm auf, wie im Grunde alle, die in Sing It Loud eine Rolle spielen. Das Lied, das den Protagonisten in Julia Irene Peters und Jutta Feits Dokumentarfilm beim ersten Proben so schwerfällt, ist Martin Luthers Eine feste Burg ist unser Gott. Neben einer Eigenkomposition ist der alte deutsche Choral in diesem Jahr der Pflichtsong eines traditionsreichen Gesangswettbewerbs der Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias, an dem im Norden des Landes mittlerweile mehr als 1500 Chöre teilnehmen.

Peters und ihre Koregisseurin Feit haben drei Chöre auf ihrem Weg zum Finale begleitet. Vita Spieß‘ Kamera schaut während und abseits der Proben zu, lässt die Auftritte wie Musikvideos aussehen und erzählt ganz nebenbei viel über Land und Leute, die sie in kräftigen Farben und ausladenden Bewegungen einfängt. Während die Mitglieder des Jugendchors allesamt im digitalen Zeitalter groß geworden sind, ohne Laptop, Smartphone und soziale Medien nicht mehr auskommen, leben die Kleinbauern Martha und Simon Mollel vom Neema Chor noch in einfachsten Verhältnissen. Liebevoll ziehen sie neben den eigenen fünf Kindern zwei weitere Söhne auf. Für deren Schulgeld tauschen sie Lebensmittel, zum Wettbewerb gehen sie zu Fuß. Das Ehepaar Maria und Evarest, das in der Großstadt Arusha eine Autowerkstatt betreibt, ist hingegen in der Mittelklasse angekommen, was es mit einer Mischung aus Stolz und Demut zur Schau stellt.

Peters und Feit scheinen sich auch dramaturgisch den Eigenheiten Tansanias, dem ganz eigenen Rhythmus dieses Landes angepasst zu haben. Statt den Wettstreit der Chöre bis zum Finale zuzuspitzen und ihr Publikum mitfiebern zu lassen, mäandert der Film seinem Ende entgegen. Sing It Loud geht mit seinen Protagonisten in den weiten Ebenen und den schmalen Gassen spazieren, gönnt sich die eine oder andere Wiederholung, blickt mal hierhin, mal dorthin. Dabei sieht der Film nicht nur jede Menge zutiefst gläubige Menschen, die lieber im Chor singen, als in die Disco zu gehen, sondern auch die geglückte Verbindung von heimischem und einst fremdem Glauben. Wenn die Sänger in der Tracht der Massai oder Wagogo zu ihren selbst komponierten Kirchenliedern tanzen, dann haben sie längst ihren Frieden mit der Missionsgeschichte gemacht.

Als ordnende Instanz fungieren die beiden Juroren des Wettbewerbs, die zwischen all diesen Eindrücken nach und nach ihre Bewertungskriterien verkünden. Wer am Ende gewinnt und wer verliert, spielt keine Rolle. Das Publikum hält es längst nicht mehr auf den Sitzen.
 

Sing It Loud – Luthers Erben in Tansania (2017)

Für Gläubige kann Kirchenmusik auch Popmusik sein. Das beweist Julia Irene Peters in ihrem Dokumentarfilm „Sing It Loud – Luthers Erben in Tansania“, der drei Chöre bei einem Wettstreit begleitet und das Publikum zum Mitwippen bringt.

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