Sharayet - Eine Liebe in Teheran (2011)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Freier als erlaubt: Eine Mädchenfreundschaft im Iran

Die beiden Freundinnen hören gern Popmusik und tanzen, wie andere Sechzehnjährige auch. Aber wenn sie auf eine Party gehen, sagen sie an der Wohnungstür stattdessen „Wir wollen zum Nähkurs“. Atafeh (Nikohl Boosheri) und Shireen (Sarah Kazemy) leben in Teheran, und ihr Alltag ist, zumindest außerhalb privater Räume, streng reglementiert von der Moralpolizei, die ihre Augen überall hat. Die Mädchen schaffen sich mit ihrer Freundschaft, in die sich auch sexuelle Anziehung mischt, einen fantasievollen Freiraum. Der aber wird bedroht, als Atafehs Bruder Mehran (Reza Sixo Safai) sich für die hübsche Shireen interessiert. Sharayet — Eine Liebe in Teheran, das Spielfilmdebüt der aus dem Iran stammenden US-amerikanischen Filmemacherin Maryam Keshavarz gewann auf dem Sundance Film Festival 2011 den Publikumspreis.

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Atafeh wächst in einer liberalen Familie auf und weil ihr Vater Wert auf musikalische Bildung legt, steht das Klavier im Wohnzimmer nicht nur zum Zweck der Dekoration. Auch er habe sich früher aufgelehnt, wird er seiner Tochter sagen, als sie ins Visier der Polizei gerät. Bevor er beim Familienausflug ans Meer mit seinem Sohn schwimmen geht, tröstet er Atafeh, dass es irgendwann möglich sein werde, gemeinsam zu baden. Die Tochter hat in dieser Familie ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt und führt ihre Freundin in die jugendlichen Freizeitvergnügen der Stadt ein, mit Untergrunddisko und einer Videothek im Hinterzimmer eines Friseursalons. Shireen gilt in der Schule wegen ihrer verstorbenen Eltern, die Regimegegner waren, selbst als zweifelhafter Charakter.

Die Freundinnen blühen auf wenn sie zusammen sind. Sie kichern, werden übermütig, teilen ihre Lust am Leben und träumen von der gemeinsamen Flucht nach Dubai. In Atafehs Zimmer tauschen sie zärtliche Liebkosungen, die sich sexuell aufladen. Dabei ist es den Freundinnen wohl selbst nicht ganz klar, ob die körperliche Anziehung in erster Linie eine gleichgeschlechtliche Orientierung bedeutet, oder den individuellen Ausbruch aus der umfassenden gesellschaftlichen Reglementierung markiert. Der Film fängt ihr jugendliches Lebensgefühl mit impressionistischen Aufnahmen ein, bebildert ihre Träume, begleitet sie zum Baden im von der Morgenröte gefärbten Meer und lässt die Kamera langsam über ihren Köpfen kreisen, wenn sie sich aufs Bett fallen lassen.

Zwischen die romantischen Bilder drängen sich hie und da Aufnahmen von Überwachungskameras, zunächst auf der Straße, dann auch in geschlossenen Räumen. So gut Atafehs Familie es auch verstanden hat, sich im Privaten Freiheiten zu bewahren, sie halten einem Angriff von innen nicht stand. Mehran, nach einem Drogenentzug heimgekehrt, ist jetzt strenggläubig und spielt sich zum Sittenwächter auf. Er entdeckt, dass ihm das Regime dabei helfen kann, Shireen zu erobern. Die Macht der Fundamentalisten, welche Keshavarz anprangert, kreist um die Unterdrückung der Frauen. In den Übergriffen, die Atafeh und Shireen erleiden, vor allem auch in der Brutalität der Sprache, entlarvt sich die Feindseligkeit der Moralapostel ebenso, wie das Geltungsbedürfnis von Männern, die die Bevormundung der Frau für eine Statusfrage halten.

Die Regisseurin und Drehbuchautorin beweist mit der Vielzahl auch kleinerer Irritationen und Widersprüche, die sie im Alltag ihrer Hauptfiguren aufdeckt, dass sie die Doppelmoral und die Kluft zwischen öffentlichem Bekenntnis und inneren Einstellungen im Iran aus eigener Erfahrung kennt. Schon als Kind pendelte sie zwischen den USA, wo sie zur Schule ging, und dem Iran, wo sie die Sommermonate im Kreise ihrer großen Familie verbrachte. So kann sie ein authentisches Stimmungsbild der Diskrepanzen vermitteln, mit denen diese unfreie Gesellschaft zu leben gelernt hat. Die politischen und kulturellen Spannungen durchziehen selbst die einzelnen Familien, welche versuchen müssen, konservative und liberale Mitglieder, ja sogar politische Feinde zu integrieren. Vielschichtig, informativ und voller Energie enthüllt dieser Film, wie das Leben hinter der staatlich verordneten Fassade von Ruhe und Ordnung brodelt.
 

Sharayet - Eine Liebe in Teheran (2011)

Die beiden Freundinnen hören gern Popmusik und tanzen, wie andere Sechzehnjährige auch. Aber wenn sie auf eine Party gehen, sagen sie an der Wohnungstür stattdessen „Wir wollen zum Nähkurs“. Atafeh (Nikohl Boosheri) und Shireen (Sarah Kazemy) leben in Teheran, und ihr Alltag ist, zumindest außerhalb privater Räume, streng reglementiert von der Moralpolizei, die ihre Augen überall hat.

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