Señor Kaplan

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Eine Heldentat der letzten Tage

Wenn Jacob Kaplan (Héctor Noguera) auf sein Leben zurückblickt, fragt er sich, was er denn Großes geleistet hat. Seine jüdischen Eltern schickten den Jungen 1939 aus Polen mit dem Schiff nach Amerika, um sein Überleben zu sichern. Jetzt, im Jahr 1997, ist Señor Kaplan ein Rentner in Uruguay, seit 50 Jahren glücklich verheiratet, Vater zweier Söhne, Großvater einer Enkelin. Aber nur weil er 76 Jahre alt ist und soeben den Führerschein abgeben musste, heißt es nicht, dass es für Weltbewegendes zu spät ist. Kaplan denkt dabei an Vorbilder wie Goethe oder Winston Churchill. Als er im Fernsehen Berichte über in Südamerika versteckte deutsche Nazis hört, wachsen seiner Fantasie Flügel: Er möchte einen Nazi-Verbrecher entführen, wie es der israelische Geheimdienst 1960 mit Adolf Eichmann vormachte. Und zwar denkt er dabei an den Betreiber einer Strandbar in der Nähe, den die Leute seiner Enkelin Lottie (Nuria Fló) zufolge „den Nazi“ nennen.
Señor Kaplan, der zweite Langfilm des uruguayischen Regisseurs Álvaro Brechner ist eine zwischen Drama und Komödie schwankende Geschichte über das Altwerden. Brechner wurde dazu von seinem 1938 aus Polen emigrierten Großvater inspiriert, der so vieles hinter sich lassen musste. Der Filmemacher fragte sich, welche Spuren ein durchschnittlicher Mensch überhaupt auf der Welt hinterlässt, wenn er einmal stirbt. In seinem Buddy-Movie lässt er den alten Mann gegen die Windmühlenflügel der Vergänglichkeit ankämpfen, assistiert von einem zweifelhaften Gehilfen. Señor Kaplans besorgte Söhne stellen ihm Wilson (Néstor Guzzini) vor, der von nun an sein Auto für ihn fahren soll. Wilson war drei Jahre lang bei der Polizei, sieht aber jetzt ziemlich heruntergekommen aus. Seine Frau und seine Kinder sind zum Schwager gezogen, der ihn mit Verachtung straft. Bevor er weiß, wie ihm geschieht, steckt Wilson mittendrin in der geheimen Mission von Señor Kaplan: Er muss ihn an den Strand fahren und den mysteriösen Deutschen (Rolf Becker) mit dem Fernglas beobachten. Die beiden Hobby-Detektive lauern in den Dünen und schweben permanent in der Gefahr, sich komplett lächerlich zu machen.

Von Anfang an scheint klar, dass die beiden Abenteurer auf verlorenem Posten stehen – dabei geht es in der Geschichte gerade um Trugschlüsse, Vorurteile und Wunschdenken. Verschiedene Indizien erhärten Señor Kaplans Verdacht, dass der Strandcafé-Besitzer Julius Reich ein Nazi ist. Ebenfalls aufgrund von Indizien hält Señor Kaplan Wilson für einen Versager, der die Mission nicht ernst genug nimmt. Aber gerade an der Person Wilsons demonstriert die Geschichte besonders schön, wie der Schein trügen kann. Die Menschen folgen allzu oft eingeschliffenen Assoziationen und fragen nicht, wie es wirklich zu der Situation kam, die sie vor Augen haben.

Die beiden Hauptdarsteller spielen ihre Figuren sympathisch und mit einem guten Gespür für Zwischentöne und für Ambivalenz. Hübsch ist auch die Einbeziehung der wohlmeinenden Familie Señor Kaplans: Er ist keineswegs ein trauriger einsamer Mann, sondern steht in einem Spannungsfeld von Bindungen und Abgrenzungsversuchen. Der Tonfall bleibt bis zum Schluss durchwachsen, er ist immer etwas melancholisch, meistens unaufdringlich witzig und auf das detektivische Abenteuer eingestimmt. Die Atmosphäre kann sich plötzlich ändern, aber nicht durch einen Paukenschlag, sondern als Folge einer Gewichtsverschiebung – und zu knistern beginnen. Die Schmunzelkomödie erzählt keine weltbewegende Geschichte, aber sie begleitet ihre beiden Hauptfiguren mit viel Herz auf ihrem originellen Zickzackkurs.

Señor Kaplan

Wenn Jacob Kaplan (Héctor Noguera) auf sein Leben zurückblickt, fragt er sich, was er denn Großes geleistet hat. Seine jüdischen Eltern schickten den Jungen 1939 aus Polen mit dem Schiff nach Amerika, um sein Überleben zu sichern. Jetzt, im Jahr 1997, ist Señor Kaplan ein Rentner in Uruguay, seit 50 Jahren glücklich verheiratet, Vater zweier Söhne, Großvater einer Enkelin.
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