Self-Made Paradise

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Utopia im hohen Norden

Saunen, endlos lange Winter, Wodka und viel Melancholie – dies sind unsere Vorstellungen von Finnland, genährt vor allem durch die Filme Aki Kaurismäkis. Christoph Schuchs dokumentarisches Roadmovie Self-Made Paradise zeigt fünf finnische (Lebens-)Künstler, die ohne jede Ausbildung ihr eigenes Ding machen. Dabei fußen Schuchs Porträts, so exzentrisch sie auch sein mögen, durchaus auf wissenschaftlichen Fakten, denn bei der Recherche zu diesem Film half die Kunstwissenschaftlerin Minna Haveri, die zu dem Thema eine Dissertation verfasst hat. Schuch beschäftigt sich schon lange mit dem Phänomen der „self-made artists“, die er zum ersten Mal in den USA antraf. Als der Filmemacher weiter nachforschte, stieß er auf ein Bild des Yogagartens von Vejo Rönkkönen und wusste sofort, dass dies einer der ungewöhnlichsten Orte auf der ganzen Welt ist. Doch Rönkkönen ist kein Einzelfall in Finnland, im Gegenteil: Das Land weist die höchste Anzahl an „self-made artists“ in ganz Europa auf. Vor allem aber waren es die Menschen selbst, die Schuch dazu bewegten, diesen Film zu machen: „Diese Leute faszinieren mich, weil sie ganz unaufgeregt, ohne großes Pathos ihr Ding machen und dabei so wunderbare und wundersame Orte entstehen lassen. Typisch finnisch könnte man denken, einfach sympathisch, wie kleine Leute ohne viel Aufhebens so großartige Dinge schaffen.“
Auf seiner Fahrt im coolen roten Mustang – eine Attitüde, die auch einem Aki Kaurismäki gut zu Gesicht stünde – cruist Schuch durch den finnischen Sommer und begegnet nacheinander Aussteigern, self-made Künstlern und Freaks, die sich allesamt als über die Maßen sympathische und unterhaltsame Menschen entpuppen, mit denen man eine gute Zeit verbringen kann. Da ist beispielsweise Vejo Rönkkönen, ein Schichtarbeiter, der sich nahe der Grenze zu Russland in jahrelanger Kleinarbeit einen wundervollen Yogagarten geschaffen hat, der von zahlreichen Skulpturen bevölkert und mit Leben erfüllt wird. Die nächste Station liegt direkt an der Autobahn vor den Toren Lahtis, wo der 50-jährige Seppo Suomensyrjä lebt, der sich mit Reliquien aus seiner Kindheit und Jugend wie Cowboys und Indianern, riesigen E-Gitarren und Flamingos aus Schrottteilen umgibt. Die Reise führt weiter zu dem Schamanen und Ex-Jazzer Johannes Setälä, der den seltsamen Spitznamen „Feuerwacht des Nordens“ führt und der sich aufs Land zurückgezogen hat, um sich dort dem finnischen Nationalepos Kalevala zu widmen.

Wesentlich erdverbundener wirkt da der Biker Kari Tykkyläinen, der in Lappland lebt. Der Familienvater mit der Lederkutte, dem Bauch und dem wilden Bart sowie der martialisch mit Fellen und Tierknochen geschmückten Harley ist Bildhauer und Fotograf und hat seinen ganz eigenen Weg gefunden, um ein künstlerisches Gegengewicht zur um sich greifenden Depression zu bilden, welche Lappland seit Jahren aufgrund des Strukturwandels heimsucht. Er fotografiert Frauen aus Lappland, bevorzugt in den Sümpfen, in seltsamen, bizarren Posen und Situationen und gibt ihnen damit das Lachen zurück, das ihnen abhanden gekommen zu sein scheint. Die letzte Station der Reise liegt im Gebiet der größten Seenplatte Europas, hier lebt der beinahe 80-jährige Niilo Rytkönen auf seinem Bauernhof, umgeben von Aberhunderten von Kunstwerken, wie man sie in dieser Vielzahl kaum irgendwo anders finden kann. Noch beeindruckender aber als dieses lebendige Museum ist der Künstler, der die Self-Made Artists erst sehr spät für sich entdeckte und für den diese Form der Kunst zum Lebenselixier geworden ist.

Schuchs Film ist eine heitere, sonnendurchflutete, milde exzentrische Ode an das Leben und die Lust an der Selbstverwirklichung, die vor allem von den interessanten und charmanten Menschen lebt, denen der Filmemacher im Laufe der Reise begegnet. Sie, die Bilder der unendlichen Weiten der finnischen Landschaft und die wundervolle Musik von Alexander Sonntag und Georg Reichelt geben Einblicke in ein wahres Paradies auf Erden: Vejo, Seppo, Johannes, Kari und Niilo –sie leben ihren Traum. Und sie sind zutiefst glücklich damit. Fast könnte man ein wenig neidisch werden auf so viel Glück und Zufriedenheit…

Self-Made Paradise

Saunen, endlos lange Winter, Wodka und viel Melancholie – dies sind unsere Vorstellungen von Finnland, genährt vor allem durch die Filme Aki Kaurismäkis.
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Meinungen

Aili Greis · 02.02.2008

Gesamt gesehen der Film war gut. Ich hatte große Erwartungen an dem Schaman, und wurde enttäuscht. Aber der Lappe Seppo hat mit seiner Frische wieder Leben in den Film gebracht!! Die Einstellung zum Leben und ihre Einsichten, die die Künstler äußerten, beeindruckten! Ich war angetan von so viel Originalität und Durchsetzungsvermögen.

Julius · 15.01.2008

Ein wunderbarer Film! Die besuchten Künstler sind wirklich einen Blick wert! Ich hab den Film auf den Nordischen Filmtagen gesehen und war vor allem von der Offenheit gegenüber dem Regisseur Christoph Schuch begeistert. Toll was einem für Einblicke geboten werden! Von mir 5 Sterne.

Matthias Lutz · 10.01.2008

Ein sehr schöner Film, den man unbedingt anschauen sollte wenn man die Gelegenheit hat. Er ist gut, sorgfältig und mit viel Gespühr für die besondere Atmosphäre der Orte und Personen gemacht. Keine platte Doku sondern gute Unterhaltung. Für mich strahlten die Künstler vor allem 'Freiheit' aus, in dem was sie machen und wie sie leben. Und einen erstaunlichen Optimismus!
Schön!

Bucky · 09.01.2008

Finnische Melancholie par excellence! Skurille Typen vor fantastischer Natur! Endlich mal wieder ne tolle Doku...Angucken!