Schilf - Alles, was denkbar ist, existiert

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Leben wir in der einzig möglichen Welt?

Können zwei Dinge, die einander eigentlich ausschließen, gleichermaßen wahr sein? Über diese Frage streiten die befreundeten Physiker Sebastian (Mark Waschke) und Oskar (Stipe Erceg) seit Jahren. Sebastian glaubt an die Idee der Paralleluniversen, nach der sich das Universum bei jeder Entscheidung in mehrere Universen aufspaltet und in jeder einzelnen Welt nur eine der möglichen Varianten realisiert wird. Folglich gibt es nach der Viele-Welten-Theorie Zustände, in denen es nicht wahr sein muss, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt oder nicht – und die Wirklichkeit kann eine Überlagerung von beidem sein. Während Sebastian seit Jahren die Viele-Welten-Theorie wissenschaftlich zu beweisen versucht, gehört sie für Oskar – Physiker am CERN – in die Welt der Science Fiction. Vor allem aber macht er seinem Freund zum Vorwurf, dass er die Viele-Welten-Theorie als Ausflucht und Vorwand nutze, um keine Verantwortung für seine Entscheidungen zu übernehmen. Dann verschwindet eines Tages Sebastians Sohn Nick (Nicolas Treichel) an einer Raststätte spurlos – und um ihn wiederzusehen, begeht Sebastian einen Mord. Plötzlich ist er sehr in dieser einen Welt verankert und verliert zunehmend die Kontrolle über die Ereignisse und sein Leben.
In ihrer Adaption von Juli Zehs Roman Schilf findet die Drehbuchautorin, Regisseurin und promovierte Physikerin Claudia Lehmann insbesondere für die Viele-Welten-Theorie schöne Bilder. Wenn Sebastian die Raststätte verlässt, an der sein Sohn verschwindet, spiegelt sich die Tür und er tritt visuell in zwei Welten. Reflexionen, verschwommene Lichter und zahlreiche Kreisfahrten der Kamera verdeutlichen die zirkuläre Struktur des Films und lassen erkennen, dass in diesem Film Möglichkeiten verhandelt werden. Auch die Charaktere unterstützen diesen Eindruck. Oskar ist ein brillanter Physiker, der sich am CERN völlig der Wissenschaft verschrieben hat, Sebastians Frau Maike (Bernadette Heerwagen) ist hingegen völlig in der Realität verhaftet. Wenn sie von ihrer Reise zurückkehrt und erfährt, dass ihr Sohn entführt wurde, ergreift sie die Initiative und verständigt die Polizei. Durch sie wird offensichtlich, dass Sebastian in einer Parallelwelt steckt, in der eine ganz andere Wirklichkeit vorherrscht: Dort wurde sein Sohn entführt und wird er erpresst, in Maikes Welt treten Zweifel an dieser Version auf.

Schon in der Romanvorlage hat Juli Zeh aus konträren physikalischen Theorien ein spannendes Verwirrspiel entwickelt, dessen Stränge von einem Kommissar namens Schilf zusammengehalten werden. Er arbeitet nicht nur an der Aufklärung des Verschwindens von Sebastians Sohn, sondern leidet aufgrund eines Gehirntumors auch an Wahrnehmungsstörungen. Durch ihn erhält die Geschichte im Roman weitere Unwägbarkeiten, werden die philosophischen Implikationen der physikalischen Theorien deutlich und Fragen nach der Existenz eines freien Willens, der Schuld und der Verantwortung erörtert. Für den Film hat Claudia Lehmann die Figur umgedeutet: Schilf ist kein Kommissar, sondern eine mysteriöse Erscheinung, deren Geheimnis hier nicht verraten werden soll. Durch diese Umdeutung gerät zum einen die moralische Dimension der Geschichte in den Hintergrund. Zum anderen liefert Schilf eine Erklärung für die Ereignisse, die dem Film ein klein wenig seines reizvollen Spiels mit dem Möglichen beraubt.

Zwar wären unter Umständen eine insgesamt mutigere Inszenierung und das Wagnis eines weniger offeneren Endes angesichts des komplexen Stoffes zwar folgerichtiger gewesen, dennoch aber überzeugt Claudia Lehmanns Adaption der überaus komplexen Geschichte und macht Lust auf mehr Filme aus Deutschland, die den Schritt in Richtung Genreexperimente wie dieses wagen.

Schilf - Alles, was denkbar ist, existiert

Können zwei Dinge, die einander eigentlich ausschließen, gleichermaßen wahr sein? Über diese Frage streiten die befreundeten Physiker Sebastian (Mark Waschke) und Oskar (Stipe Erceg) seit Jahren. Sebastian glaubt an die Idee der Paralleluniversen, nach der sich das Universum bei jeder Entscheidung in mehrere Universen aufspaltet und in jeder einzelnen Welt nur eine der möglichen Varianten realisiert wird.
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Meinungen

Sinah · 03.01.2015

Der Film war absolut irreführend und die Handlung konnte bis zum Schluss nicht verstanden werden. Sogar trotz der Filmerläuterung auf verschiedenen Homepages unverständlich .
Liegt eine genaue Filmanalyse in einer Parallelwelt vor ? Und wenn ja in welcher ?