Schattenväter

Eine Filmkritik von Gesine Grassel

Das schwere Erbe

Deutschlands Kinder sind auf der Suche nach den Vätern. Wenn filmische Themen zeitlichen Zyklen unterliegen, ist 2005 das Jahr der mysteriösen Väter und fragender Kinder. Wer in Horst Buchholz … mein Papa oder 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß oder Winterkinder noch nicht genug Antworten gefunden hat, kann es ein weiteres Mal versuchen. In Schattenväter stehen sich zwei Lager und zwei Generationen gegenüber. Am 24. April 1974 werden Günter Guillaume und dessen Frau Christel in Bonn verhaftet. Der engste Berater von Willy Brandt war als DDR-Spion enttarnt worden. Wenig später tritt Brandt als Bundeskanzler zurück.

Während sich in der großen Politik Dramen abspielen, stehen die Söhne der beiden Männer vor ganz anderen Problemen. Nachdem die Eltern verhaftet sind, wird der damals 17-jährige Pierre Guillaume in die DDR gebracht. Zunächst hat er keinen Kontakt zu seinen Eltern, die in Köln in Untersuchungshaft sitzen. Monate später werden sie ausgetauscht und künftig zu Propagandaveranstaltungen innerhalb der DDR groß präsentiert. Als Spion hatte sich Günter Guillaume verpflichtet, seine wahre Identität nirgends preiszugeben, auch nicht in der eigenen Familie. Der 12-jährige Matthias Brandt hat bis zu diesem Tag nicht viel von seinem Vater gehabt und sein größtes Problem ist der Umzug aus der Kanzlervilla auf dem Bonner Venusberg.

Fast 30 Jahre später befragt Regisseurin Doris Metz die beiden erwachsenen Männer nach persönlichen Erinnerungen, ihrem Leben nach 1974 und zur Wahrnehmung der inzwischen verstorbenen Väter. Beide Väter standen überlebensgroß in der Öffentlichkeit und warfen einen riesigen Schatten voraus. Schnell wird klar, dass sie für ihre Söhne immer ein Rätsel geblieben sind.

Die Söhne kehren getrennt an die Orte ihrer Vergangenheit zurück, lassen ihre Erinnerungen aufleben und sprechen über das komplizierte Verhältnis zum Vater. Schnell wird klar, dass die öffentlichen Staatsmänner nicht viel mit den privaten Familienvätern gemein hatten. Brandt erinnert sich an Drehstuhl-Karussellfahrten im Büro des Vaters, an einen Rummelbesuch, bei dem er so viele Lose ziehen musste, bis für die Presse ein Gewinn dabei war. Er wandert durch die leerstehende Kanzlervilla und erklärt in unzähligen kleinen Momenten sein Leben als Sohn des Bundeskanzlers.

Pierre Boom wandert stattdessen durch Berlin. Hin zu seiner ersten Einlegerwohnung, in der er von netten MfS-Mitarbeitern „betreut“ wurde, an die Arbeitszentrale der Eltern, an Grenzstationen.

Brandt und Broom versuchen unbeantwortete Fragen aufzuklären, sie mit Erinnerungen zu füllen und zu begründen. Die Reise in die Vergangenheit ist teilweise sehr persönlich, fast immer sehr schwermütig, was sicher auch am ständigen Schneefall im Film liegt. Darüber hinaus gibt es unzählige heitere und komische Momente, von denen vor allem Matthias Brandt zu berichten weiß. Doris Metz versucht dem Thema noch mehr Schwere zu geben, hat es dabei leider mit der Musik übertrieben und verliert sich in erdrückenden Momentaufnahmen von Architektur und Landschaft. Die Männer laufen suchend durch die Welt, was anfänglich eine gewisse Berechtigung hat, dann aber sehr anstrengt. Am Ende weiß der Zuschauer viel über die Söhne, aber kaum etwas über die Väter. Somit ist Schattenväter eine Sinnsuche der Söhne nach ihrer eigenen Vergangenheit und dem Verhältnis zum Vater. Ein interessanter Dokumentarfilm, der leider etwas trocken bleibt und viele Fragen offen lässt.
 

Schattenväter

Deutschlands Kinder sind auf der Suche nach den Vätern. Wenn filmische Themen zeitlichen Zyklen unterliegen, ist 2005 das Jahr der mysteriösen Väter und fragender Kinder.

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