Risse im Beton (2014)

Eine Filmkritik von Sophie Charlotte Rieger

Tiefensturz ohne Fallhöhe

Grau wie Beton ist die Welt im zweiten Langfilm von Umut Dag. Hart wie Beton sind seine Protagonisten. Im Strudel von Armut und Kriminalität gefangen, bleibt den beiden Hauptfiguren Ertan und Mikail nichts anderes übrig, als ihre wahren Emotionen hinter einer Fassade aus aggressiver Unantastbarkeit zu verstecken. Die im Titel versprochenen Risse im Beton bleiben aus. In diesem pessimistischen Sozialdrama ist kein Platz für Hoffnungsschimmer.

Ertan und Mikail befinden sich in einer nur allzu deutlichen Abwärtsspirale. Ertan (Murathan Muslu), nach zehn Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen, scheitert schmerzhaft an der Wiedereingliederung in Gesellschaft und Familie. Der Schulabbrecher Mikail (Alechan Tagaev) droht eben jenen Weg einzuschlagen, den der andere gerade verlassen hat. Eine Karriere als Rapper soll ein Leben jenseits der Kriminalität ermöglichen, doch um Geld für ein Demo-Tape aufzubringen, muss sich Mikail zunächst immer tiefer in ebene Strukturen hineinbegeben, denen er eigentlich entkommen möchte.

Ein seelisch gebrochener Ex-Häftling und ein gewaltbereiter Junge, dessen krimineller Absturz vorprogrammiert zu sein scheint: Umut Dags Hauptfiguren besitzen im Grunde keinerlei Fallhöhe und stürzen doch ins Bodenlose. Das Scheitern der Protagonisten ist dabei bedauerlicherweise derart vorhersehbar, dass der Handlungsverlauf keinerlei Spannung entwickeln kann. Der Zuschauer findet sich vielmehr in der Position eines hilflosen Beobachters wieder, der nur tatenlos mit ansehen kann, wie sich die Helden immer mehr ins soziale Abseits befördern. Echte Sympathie für ihr Schicksal ist hierbei kaum möglich. Mikail versteckt sich hinter einem aggressiven Schutzschild, Ertan hinter seiner ewigen Leidensmiene.

Die zahlreichen Fragen, die Umut Dag auf der Handlungsebene aufwirft, helfen wenig dabei, den Zuschauer in die Geschichte zu involvieren, da der Regisseur kein Interesse für die dazugehörigen Antworten wecken kann. Das Meiste lässt sich ohnehin erahnen. Auch stellen sich in Anbetracht all dieser Tragik schnell eine Übersättigung und der Wunsch ein, dieses Elend möge bald vorübergehen. Aber vielleicht geht es Umut Dag ja auch genau um diesen Effekt?! Wenn der Zuschauer das Ende des Films herbeisehnt, jedoch noch für eine weitere Stunde im Kinosessel gefangen ist, dann bekommt er einen kleinen Eindruck jener Ausweglosigkeit, die das Leben der Leinwandhelden bestimmt.

Risse im Beton ist das Gegenteil eines Unterhaltungsfilms. Umut Dag quält seinen Zuschauer mit einer von Depression durchtränkten Handlung, deren Tragik sich gerade aus ihrer Vorhersehbar ergibt. Während Mikail noch immer glaubt, als Gangster-Rapper durchstarten zu können, hat das Kinopublikum schon lange verstanden, dass der Junge mit Vollgas in eine Sackgasse rast. Dabei gestaltet sich die Omnipräsenz von Aggression in Mikails Umfeld als überaus anstrengend und es ist schwierig zu beurteilen, ob es sich hier um einen realistischen Vulgarismus unter gewaltbereiten Jugendlichen oder nicht vielleicht doch um eine Übertreibung des Regisseurs handelt.

Es sind diese Überzeichungen in Hinblick auf die Charaktere und den ungefiltert tragischen Handlungsverlauf, die dazu führen, dass trotz der realistischen Optik des Films kein Gefühl von Authentizität aufkommen mag. Risse im Beton wirkt niemals aus dem Leben gegriffen, sondern stets wie eine wohldurchdachte Inszenierung, deren Ziel es ist, größtmögliche Hoffnungslosigkeit zu transportieren. Diese emotionale Wirkung, so scheint es, ist Umut Dag wichtiger als eine gesellschaftskritische Botschaft, gibt sein Film doch keinerlei Hinweis darauf, wie sich derartige Schicksale vermeiden ließen.

Und doch sind da am Ende Risse im Beton, gerade groß genug für winzig kleine Hoffnungsschimmer. Vielleicht geht es doch anders. Vielleicht gibt es doch einen Ausweg. Aber nur vielleicht.
 

Risse im Beton (2014)

Grau wie Beton ist die Welt im zweiten Langfilm von Umut Dag. Hart wie Beton sind seine Protagonisten. Im Strudel von Armut und Kriminalität gefangen, bleibt den beiden Hauptfiguren Ertan und Mikail nichts anderes übrig, als ihre wahren Emotionen hinter einer Fassade aus aggressiver Unantastbarkeit zu verstecken. Die im Titel versprochenen „Risse im Beton“ bleiben aus. In diesem pessimistischen Sozialdrama ist kein Platz für Hoffnungsschimmer.

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