Rendezvous

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Beziehungstheater par excellence

Eigentlich hatte sich das Ehepaar Walter (Sven Walser) und Anna (Lisa Martinek) den Abend in ihrem schicken Designerloft etwas anders vorgestellt. Jeder der beiden hat ein Rendezvous mit einem anderen Partner und jeder der beiden vermutet den anderen weit weg. Da aber beide ins heimische Nest zurückkehren, stehen sie plötzlich voreinander, betroffen ob der unerwarteten Situation, der peinlichen Nähe zum Partner, den sie hier nicht erwartet haben. Um die Peinlichkeit und das aufkeimende Misstrauen zu überspielen, ergehen sich der großmäulige und selbstbesoffene Bankmanager und seine Gemahlin in spitzen, kleinen Bemerkungen, Ausreden, Lügen, Phrasen und beiläufig auch Geständnissen, die mehr über den Zustand ihrer Ehe aussagen als die prächtige Fassade mit geschmackvoller Einrichtung und den obligatorischen großformatigen abstrakten Gemälden an der Wand.
Doch als wäre es zu zweit nicht bereits schrecklich genug, taucht plötzlich Jost (Tim Lang), ein Freund der beiden auf. Als er Walter erblickt, mit dem er offensichtlich nicht gerechnet hat, gibt er vor, Walters Rat wegen finanzieller Probleme einholen zu wollen, doch schnell ist dem erfolgreichen Manager klar, dass sein bester Freund eigentlich mit Anna zum Stelldichein verabredet war. Von Walter telefonisch verständig, taucht schließlich noch Yvonne (Anika Mauer), Josts Frau, in der Wohnung auf, so dass die Beziehungsschlacht weiter eskaliert – zumal auch Walter und Josts Frau eine Affäre miteinander haben. Nach anfänglichem Abtasten und nachdem alle Beteiligten Bescheid wissen, fallen alle Hemmungen und gesellschaftlichen Konventionen, es regiert der nackte Psycho-Überlebenskampf, bei dem es nur darum geht, dem anderen möglichst stark weh zu tu, damit man selbst die eigenen Narben und Verletzungen vergisst.

Alexander Schülers Debütfilm Rendezvous wurde in nur 14 Tagen an einem einzigen Ort mit einer Handkamera gedreht, und es ist nicht nur die formale und technische Beschränkung, sondern auch die hohe emotionale Dichte des beklemmenden, aber niemals langweiligen Kammerspiels, die an die besten Werke der DOGMA95-Filmer denken lassen. Der Regisseur und seine durch die Bank exquisiten Darsteller liefern hier ein brillantes Stück Kino ab, das seine Herkunft vom Theater niemals leugnet (die dramatische Vorlage stammt von Bob L. Sack, die Drehbuchadaption besorgte Tim Lang, der Darsteller des Jost), zugleich aber alle filmischen und dramaturgischen Mittel nutzt, um den vier Personen so nah wie möglich zu kommen. Rendezvous geht aufs Ganze, tut weh, enthüllt, entlarvt, zeigt die Hölle, die das Leben und die Ehe sein kann, erbarmungslos und eiskalt lächelnd. Kein Film für schwache Nerven, aber eines der ehrlichsten und intensivsten Beziehungsdramen seit langem. Ein Film, wie man ihn selten gesehen hat.

Rendezvous

Eigentlich hatte sich das Ehepaar Walter (Sven Walser) und Anna (Lisa Martinek) den Abend in ihrem Designerloft etwas anders vorgestellt. Jeder der beiden hat ein Rendezvous mit einem anderen Partner und jeder der beiden vermutet den anderen weit weg.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Ronja · 08.05.2006

Der Film ist absolute spitzenklasse. Ich hab in den letzten Monaten keinen Film gesehen, der an diese Dichte und Intensität herankommt. Alle Kritik ist wirklich unverständlich - ich war total begeistert und kann den Film nur jedem empfehlen, der nicht nur Geballer im Kino sehen möchte sondern bereit ist, über Werte, Vertrauen etc. nachzudenken.
VIEL SPAß!!

thomas · 29.04.2006

Hier für Alle, die es interessiert, die FAZ-Meinung zum Film.
Mit besten Grüssen von Pandora-Film an die nette Person, die hier zwar vor Filmstart schon 21-mal 1 Stern vergeben hat, sich aber hierr lieber nicht äußert, wahrscheinlich, weil sie den Film gar nicht gesehen hat.

FAZ Feuilleton, 28.04.06, S.36
________________________________________

Weinverwandtschaften
Geglückt: Alexander Schülers Erstlingsfilm "Rendezvous"

Spätestens nach einer halben Stunde will man aus dem Kinosaal flüchten.
Und zwar nicht etwa, weil "Rendezvous" von Alexander Schüler ein
schlechter Film wäre. Man möchte herausrennen, weil dieses doppelte
Beziehungsdrama so unerträglich echt wirkt - und man bleibt, weil
"Rendezvous" ein sehr gelungener Film ist. Genau diese Kombination aber
ist im abgenutzten Genre des Kammerspiels eine Überraschung.

Zwei befreundete Paare, die sich heimlich über Kreuz verabreden und
durch eine Planungspanne am selben Abendtisch landen, wo sie sich das
Leben zur Hölle machen - das klingt nach höherer Beziehungsmathematik,
wie sie von Sartres "Geschlossener Gesellschaft" bis zu Doris Dörries
"Nackt" immer wieder durchgespielt worden ist. In ihrer Berechenbarkeit
münden solche Experimente oft in existentialistischen Edelkitsch und
quälende Langeweile. Doch im Erstlingsfilm des 1955 geborenen
Regisseurs, der ursprünglich Elektrotechnik studierte, als Außenseiter
zum Film kam und "Rendezvous" ohne Förderung mit einem Kleinstbudget von
knapp fünfzigtausend Euro drehte, läuft das so oder ähnlich schon
tausendmal aufgeführte Psychodrama des doppelten Betrugs in brutalster
Echtzeit ab, ganz als würde es gerade eben geschehen.

Das beginnt schon bei der Eröffnung, die den erfolgreichen Banker Walter
(Sven Walser) allein im gediegenen Loftapartment zeigt. Als seine Frau
Anna (Lisa Martinek) die Wohnung betritt, nimmt sie schon in der Tür
seine Witterung auf und stellt auf Vorsicht um, als beträte sie ein
fremdes Revier. Beide Alibis - eine Dienstreise und ein Besuch bei der
Mutter - platzen zugleich, und nur das Gleichgewicht des Schreckens
verhindert eine Eskalation. Statt dessen liefert sich das Paar einen
klischeefreien Ausweichdialog, unterlegt vom Schnarren der
Espressomaschine, dem Anmeldegeräusch des Telefons und dem Kreischen des
Papageis: "Tut mir leid, daß ich da bin." - "Mir auch."

Später steht plötzlich Walters Freund Jost (Tim Lang) als unerwarteter
Besuch vor der Tür: Auch seine Ausrede, er wolle Walter um Hilfe bei
einem Kredit für sein bankrottes Unternehmen bitten, hält nicht lange
stand. Das improvisierte Essen zu dritt gerät schnell unter die Regie
des Hausherrn, der die enttarnten Ehebrecher durch grausame Späße quält.
Als dann noch Josts Frau Yvonne (Anika Mauer) dazustößt, setzt die
Chemie der Wahlverwandtschaften ihre unvermeidliche Reaktion in Gang.
Die Paare zerfallen und sortieren sich an den fein markierten Grenzen
dieses Abends neu - Rotwein versus Weißwein, Exzentrik gegen
Verschwiegenheit, Erfolg versus Scheitern. Der Partnertausch beim Sex in
der Sauna, mit wackelnder Kamera gefilmt wie ein billiger Amateurporno,
markiert gar nicht unbedingt den Höhepunkt an Härte.

Daß "Rendezvous" keineswegs an zäher Theaterhaftigkeit krankt, obwohl
der Film auf einem vom Darsteller Tim Lang unter seinem Pseudonym Bob L.
Sack verfaßten Theaterstück beruht, liegt nur zur Hälfte an den
ausgezeichneten Schauspielern, die für eine Gesamtgage von jeweils 750
Euro gespielt haben. Allenfalls Tim Lang neigt zum übertriebenen
Artikulieren. Alexander Schüler drehte "Rendezvous" an vierzehn
aufeinanderfolgenden Nächten in einer Berliner Wohnung und ließ Szenen
von bis zu dreißig Minuten Länge am Stück durchspielen: Doch dieser Film
lebt nicht von den überraschenden Auf- und Abtritten, der mißtrauischen
Gespräche unter vier und sechs Augen. Er lebt von jener Ahnung, welche
er von den unsichtbaren Filmen in den Köpfen vermittelt. Denn
"Rendezvous" besteht fast nur aus Subtext, und der wird mit der
Geheimtinte des Kinos auf die Leinwand geschrieben.

Das durchgängig auf Video aufgenommene Drama, das durch die schwache
Nachtbeleuchtung oft ins Bläuliche und Grobkörnige driftet, verzichtet
fast ganz auf Auflösung: Kein Gegenschuß entlastet den von Gesicht zu
Gesicht schweifenden Blick von Leif Karpes Kamera, die kein
verräterisches Zeichen übersehen will und gerade deshalb immer einen
Tick zu spät zu kommen scheint. Am Ende der alkoholreichen Nacht, als
alle Karten auf dem Tisch liegen und bald auch ein Messer und
Schlaftabletten, da fängt der Film die in alle vier Ecken des geräumigen
Wohnzimmers geflüchteten Protagonisten noch einmal in einer gnadenlosen
Weitwinkelaufnahme ein - und man sehnt sich fast danach, sie aus diesem
optischen Gefängnis zu befreien. Alexander Schüler hat mit einfachsten
Mitteln einen Film gedreht, dem nichts Dogmatisches anhaftet.

ANDREAS ROSENFELDER

Hans · 24.04.2006

Stuttgarter Premiere mit Lisa Martinek und Regisseur war toll. Nach diesem Film hat man wirklich Diskussionsbedarf, und es wurde lang geredet. Polarisiert extrem. Wirklich sehenswert.