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Peter Dinklage geht in Rememory dem Tod eines Forschers auf den Grund und sucht dabei nach den eigenen Erinnerungen. 

Rememory (2017)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Woran man sich erinnert

Was ist wert, erinnert zu werden, und was sollte man lieber vergessen? „Erinnerung entscheidet über unser Leben. Ohne sie wäre die Gegenwart ohne Kontext“, sagt Gordon Dunn (Martin Donovan) gleich zu Beginn von Rememory vor einem vollen Hörsaal. Dann erklärt der Forscher seinem Publikum, dass die Erinnerung zwar durch alles, was man tut, verändert wird, dass im Gehirn jedoch eine pure, unveränderte Version existiert – und dass er eine Maschine gebaut hat, um diese aufzuzeichnen. Im Publikum sitzt auch Sam Bloom (Peter Dinklage). Er hat bei einem Unfall seinen Bruder verloren, ohne die letzten Worte des Sterbenden richtig zu verstehen. Nun will er mithilfe der Maschine diese Erinnerung ausgraben. Doch er schafft es nicht mehr, den Forscher zu kontaktieren. Kurz nach dem Vortrag wird Gordon Dunn tot in seinem Büro aufgefunden, die Maschine ist verschwunden, auf den Überwachungsvideos sind gleich mehrere Verdächtige zu sehen. Sie alle gehörten zur ehemaligen Testgruppe des Professors. Also beginnt Sam Bloom mit der Suche nach dem Mörder. 

Regisseur Mark Palansky inszeniert die Geschichte vom Forscher und seinem Spiel mit den Erinnerungen der Testpersonen als klassischen „Whodunit“-Krimi. Bloom, der sein Geld als Modellbauer verdient, fertigt kleine Figuren der Verdächtigen an (mit Anton Yelchin als traumatisiertem Experimentteilnehmer, Henry Ian Cusick als gierigen Geschäftspartner und Julia Ormond als trauernder Witwe allesamt großartig besetzt) und sucht einen nach dem anderen auf. Als er dabei die Maschine findet, beginnt er im Selbstversuch seine Erinnerungen zurückzuholen. Das geht nicht ohne Nebenwirkungen.

Palansky legt seine Geschichte zu großen Teilen in die Hände von Peter Dinklage und dessen Figur Bloom und das ist eine sehr gute Entscheidung. Bloom taucht erst beim Schwimmen in das kalte Wasser vor seiner Haustür ein und dann immer tiefer in die Erinnerungen der Testpersonen ab. Wie sehr man den Erinnerungen dieses Mannes trauen darf, bleibt dabei lange unklar. Bei seinen Ermittlungen stellt er sich immer wieder mit neuem Namen vor, streift eine Identität nach der anderen über, so dass man langsam zu hinterfragen beginnt, was eigentlich seine Motivation ist. 

Peter Dinklage flicht diesen doppelten Boden elegant in sein Spiel ein. Da ist der kurze Blick, mit dem er etwas zu interessiert aufschaut, als die Witwe ihm von der Forschung ihres Mannes erzählt. Und seine Miene, wenn er von einer Erinnerung erzählt, die eigentlich keine ist, von deren Existenz er sich in diesem Moment jedoch selbst so sehr überzeugen muss, dass sie wahr wird. Dinklage hatte bereits mit Palansky in dessen erstem Spielfilm, dem romantischen modernen Märchen Penelope, zusammengearbeitet. Diesmal begannen die Dreharbeiten mit den Aufnahmen seiner Einzelszenen, was für Schauspieler und Filmteam so intensiv war, dass man an den Abenden gemeinsam Komödien schaute, um die Stimmung zu heben. Die Intensität und der Freiraum, den Palansky seinen Schauspielern lässt, tun dem Film gut und heben ihn weit über das Niveau eines klassischen Whodunit-Krimis hinaus. 

Das liegt auch am Thema, das er hier philosophisch angeht: Was macht eine Erinnerung aus? Wie viel darf und sollte man vergessen? Und was passiert mit den Menschen, wenn sie etwas, das ihr Gehirn aus Schutz vor ihnen selbst vergraben hat, wieder hervorholen? Macht es das Leben besser oder schwieriger? Und können Menschen mit der absoluten Wahrheit und den daraus folgenden Konsequenzen überhaupt umgehen?

Am Ende gibt er darauf eine versöhnliche und sehr kluge Antwort. Da steht Bloom wieder am Meer und diesmal tauchen seine wahren Erinnerungen in die Fluten, er selbst geht zurück zu seinem Leben und stellt sich seinem Nachbarn erstmals mit seinem richtigen Namen vor. Die Zusammenarbeit von Dinklage und Palansky macht aus dem Stoff einen sehenswerten Science-Fiction-Film im Gewand eines Krimis.

Rememory (2017)

Nach dem Tod des brillanten Wissenschaftlers Gordon Dunn beschäftigt sich dessen Witwe Carolyn mit dem letzten Coup ihres genialen Mannes — einer Maschine, die in der Lage ist, die Gedanken und Erinnerungen von Menschen aufzuzeichnen und wiederzugeben. Eines Tages taucht ein mysteriöser Mann bei der zurückgezogen lebenden Frau auf, der die Apparatur stiehlt und versucht, damit das Rätsel um Dunns Tod zu lösen. Doch diese Untersuchung führt ihn an Orte voller Gefahr und Überraschungen.

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