Regression

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Kleinstadtparanoia

M. Night Shyamalan hat nach diversen Fehlschlägen jüngst mit The Visit vorgemacht, dass eine Rückkehr zu alten Vorlieben durchaus heilsam sein kann. Auch der in Chile geborene Alejandro Amenábar (The Others) knüpft in seiner aktuellen Regiearbeit Regression an seine Thriller-Ursprünge an. Anders als bei seinem Kollegen erweist sich das Endprodukt allerdings als zweitklassiger Reißer, der weder große Spannung noch Überraschungen bieten kann. Gemessen an der Auflösung stellt sich sogar die Frage, warum es über 100 Minuten dauert, bis sich die eigentlich offensichtlichen Puzzleteile ineinanderfügen.
Wie ein kurzer Einführungstext den Zuschauer informiert, ist die Geschichte von realen Ereignissen inspiriert. Genauer gesagt den Debatten über Satanismus und blutige Rituale, die in den 1980er Jahren vielerorts in den USA entbrannten. Als Angela Gray (Emma Watson) ihren Vater John (David Dencik) des sexuellen Missbrauchs beschuldigt, glaubt der Kleinstadt-Cop Bruce Kenner (Ethan Hawke) zunächst an einen gewöhnlichen Fall, der sich schnell und einfach klären lässt. Erstaunlich ist allerdings, dass der tief religiöse John ein Geständnis ablegt, obwohl er sich nicht an die Tat erinnern kann. Um Licht ins Dunkel zu bringen, führt der herbeigerufene Psychologe Kenneth Raines (David Thewlis) eine sogenannte Regressionstherapie durch und fördert damit noch schlimmere Verdachtsmomente zu Tage: Offenbar hat sich nicht nur John an seiner Tochter vergangen, sondern auch eine satanische Sekte, der Kenners Polizeikollege Nesbitt (Aaron Ashmore) anzugehören scheint. Für den akribischen Detective erst recht ein Grund, sich weiter in den Fall zu verbeißen.

Ein Kleinstadt-Setting, gläubige Landbewohner, ein mysteriöses Verbrechen und ausgewaschene Farben – manches an Regression erinnert an den pessimistisch-düsteren Entführungsthriller Prisoners, mit dem Denis Villeneuve vor zwei Jahren ein beachtliches Hollywood-Debüt ablieferte. Gelang es dem Frankokanadier, eine durchgehend packende, bedrohlich brodelnde Stimmung zu erzeugen, bleiben Amenábars Versuche zumeist im Ansatz stecken. Egal, wie viele heruntergekommene oder spärlich beleuchtete Schauplätze wir auch zu sehen bekommen. Von Anfang an wirkt die bedrückende Atmosphäre zu bemüht, als dass sie den Zuschauer ernsthaft fesseln könnte. Was sicherlich verwundern muss, da es der Filmemacher etwa in The Others oder Öffne die Augen noch bestens verstand, sein Publikum mit schleichendem Unbehagen zu erfüllen.

Gemäß dem altbekannten Ermittlereinmaleins verliert sich Protagonist Bruce Kenner zunehmend in den Verstrickungen des brisanten Falls. Eindringliche Spannungsmomente haben dennoch Seltenheitswert, weil Regisseur und Drehbuchautor Amenábar lieber auf vorhersehbare Schockmuster rekurriert. Bizarre Alpträume und Wahnvorstellungen, die den Betrachter ins Grübeln bringen sollen, oft aber nur mit einem Schulterzucken zu quittieren sind. So sehr sich der ausgemergelt dreinschauende Ethan Hawke auch abmüht, kann er nicht kaschieren, dass seine Figur etwas überhastet in Paranoia und Orientierungslosigkeit verfällt.

Überhaupt wird das Klima der Verunsicherung, das der Glaube an böse Mächte hervorruft, nur unzureichend spürbar, obwohl es mehrfach Hinweise auf die mediale Ausschlachtung der satanischen Verschwörungstheorien gibt und Figuren wie der Psychologe Raines und Pfarrer Beaumont (Lothaire Bluteau) ihre diametralen Auffassungen offen aussprechen dürfen. Merkwürdig ist auch, dass Angela Gray – immerhin das Opfer und der Auslöser für die Nachforschungen – verhältnismäßig wenig Leinwandzeit erhält. Besonders im ersten Akt glänzt die junge Frau durch Abwesenheit, weshalb die im Hintergrund durchscheinende traumatische Familiengeschichte nur mit Abstrichen betroffen macht.

Biegt Amenábar nach etwas mehr als anderthalb Stunden schließlich mit der Erklärung des Geschehens um die Ecke, macht sich endgültig Ernüchterung breit. Zum einen, weil der Weg zur Erkenntnis im Stolperschritt genommen wird – soll heißen, dramaturgisch ungelenk erscheint. Zum anderen, weil sich das Ende dem Betrachter schon weit im Voraus aufdrängt. Spätestens im Finale erweist sich der Titel des Films als ungewollt prophetisch, da er nicht nur auf die oben erwähnte Therapieform anspielt. Im Vergleich ist Regression leider auch ein qualitativer Rückfall hinter Amenábars frühere Thriller-Arbeiten.

Regression

M. Night Shyamalan hat nach diversen Fehlschlägen jüngst mit „The Visit“ vorgemacht, dass eine Rückkehr zu alten Vorlieben durchaus heilsam sein kann. Auch der in Chile geborene Alejandro Amenábar („The Others“) knüpft in seiner aktuellen Regiearbeit „Regression“ an seine Thriller-Ursprünge an. Anders als bei seinem Kollegen erweist sich das Endprodukt allerdings als zweitklassiger Reißer, der weder große Spannung noch Überraschungen bieten kann.
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