Rammbock

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Berliner Horror

Es gibt Reisen, bei denen weiß man schon kurz nach der Ankunft am Ziel, dass es ein Fehler war, sie überhaupt zu unternehmen. So ähnlich ergeht es wohl Michi (Michael Fuith), der extra aus Wien nach Berlin gereist ist, um seiner Exfreundin Gabi den Wohnungsschlüssel zurückzubringen. Doch Gabi ist gar nicht zuhause, stattdessen findet er in der Wohnung, zwei Handwerker vor, die sich gerade an der Heizung zu schaffen machen. Was dann passiert, geht rasend schnell und ist eigentlich kaum zu fassen: Vor den Augen Michis und seines jungen Lehrlings Harper (Theo Trebs) verwandelt sich der wackere Handwerksmeister – was wir freilich schon immer ahnten beidem Gebaren mancher Handwerk – in einen aggressiven Zombie, vor dem sich seine beiden potenziellen Opfer gerade noch in Sicherheit bringen können. Schlimmer noch: Der tobende und geifernde Handwerke ist kein Einzelfall. Die rätselhafte Seuche, die das Radio schnell vermeldet und die aus harmlosen Bürgern reißende Bestien macht, verbreitet sich in Windeseile in ganz Europa. Und ganz besonders schnell und für die beiden Eingeschlossenen besonders drastisch ist das in dem Berliner Mietshaus zu spüren, in dessen Hof sich bald eine hyperaggressive, nach Blut dürstende Meute zusammenrottet. Zusammen mit den anderen, noch nicht infizierten Bewohnern des Hauses suchen Mike und Harper verzweifelt nach einem Ausweg, einer Fluchtmöglichkeit. Denn lange können sie dieser Meute nicht standhalten.
Zugegeben: Auf den ersten Blick liest sich die Inhaltsangabe von Rammbock mehr als gewöhnlich. Doch der Eindruck täuscht, denn trotz der ausreichenden Genre-Ingredienzien, die an 28 Days oder an [REC] ist dieser Film ein außergewöhnlicher Zombiestreifen – und das nicht nur wegen seiner Herkunft aus Deutschland, wo lupenreine Genrefilme wie dieser angeblich wenig gelitten sind.

Eine der vielen bemerkenswerten Eigenheiten dieses Films ist es, dass er nie der Versuchung erliegt, mehr aus sich zu machen, als er ist. Nach knapp 60 Minuten ist bereits Schluss – doch in der Kürze liegt bei Rammbock (der brchiale Titel täuscht ein wenig über den tatsächlichen Inhalt hinweg) durchaus die Würze: Statt einer umständlich langen Exposition oder Seitenlinien und Verzweigungen in der Storyline zu wählen, nehmen der Regisseur Marvin Kren und sein Autor Benjamin Hessler den geraden Weg und geben der einfachen Geschichte so viel Drive und Rhythmus, dass sich davon anderen Erzeugnisse des Zombie-Genres einiges davon abschauen können.

Trotz der geringen Laufzeit ist ihr Film erstaunlich komplex geraten, sind die Figuren überzeugend und lebensnah herausgearbeitet und funktionieren als Beispiele für das Agieren und Reagieren in Extremsituationen ausgezeichnet. Auch der Look des Films kann sich sehen lassen. Dieses Berlin, das der Film zeigt, ist trist, bis auf wenige Farbtupfer scheint den Bildern jedes Leuchten und alles Helle und Klare abhanden gekommen zu sein, was zu der düsteren Atmosphäre und den bedrückenden Vorkommnissen bestens passt.

Gut möglich, dass Hardcore-Fans des Zombiefilms die (zu) wenigen Gewaltszenen und blutigen Passagen bemängeln werden, dass ihnen der explizite Horror und die schaurigen Gore-Effekte anderer Machwerken fehlen werden. Nach den Materialschlachten vergangener Jahrzehnte (insbesondere die Achtziger und Neunziger sorgten dafür, dass das Subgenre immer blutiger wurde) ist Rammbock ein kleiner, aber sichtlich reifer Zombiefilm, der zeigt, dass es jenseits der Amateurfilme von Fans und US-amerikanischen Produktionen durchaus noch Platz gibt für Filme wie diesen, die sich auf die feinen Zwischentöne verstehen.

Nicht zuletzt erinnert Rammbock in seinen besten Momenten — und derer gibt es einige — daran, dass die guten Zombiefilme niemals nur um des bloßen (Schauer)Effekts willen gedreht wurden, sondern dass sie stets auch eine Parabel waren auf eine zunehmend wölfische Gesellschaft, in der der Mensch des Menschen größter Feind ist. Und selbst die Liebe, jene Allzweckwaffe gegen erodierende Lebensumstände, entlässt die wackeren Helden dieses Films allenfalls in einer mehr als fragwürdige Zukunft.

Rammbock

Es gibt Reisen, bei denen weiß man schon kurz nach der Ankunft am Ziel, dass es ein Fehler war, sie überhaupt zu unternehmen. So ähnlich ergeht es wohl Michi (Michael Fuith), der extra aus Wien nach Berlin gereist ist, um seiner Exfreundin Gabi den Wohnungsschlüssel zurückzubringen.
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