Raising Resistance

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Nachhaltig? Nicht die Bohne

Wie gefräßige Riesenheuschrecken fressen sich vier gigantische Mähdrescher durch ein vertrocknetes Land: Die Sojaernte in Paraguay hat begonnen. Was Monokultur bedeutet, wird hier sinnlich erfahrbar. Kein Baum, kein Strauch, kein anderes Feld. Nur eine unendliche Fläche gelbbrauner, erntereifer Sojapflanzen. Es sind Bilder wie diese, die die Qualität der sehenswerten Dokumentation von Bettina Borgfeld und David Bernet ausmachen. Entgegen dem kämpferischen Titel Raising Resistance haben sie keinen Propaganda-Film gedreht. Sondern eine differenzierte Analyse, die dem Zuschauer keine fertige Meinung vorgibt.
„Die Erde ist die Quelle des Lebens und die Fabrik der Armen“, sagt Kleinbauer Geronimo Arevalos aus dem Dorf Santa Rosa einmal. Was er damit meint, kann man sehen. Der Mann ernährt seine Familie mit dem fruchtbaren Boden, der ihm alles liefert, was fünf Menschen zum Leben brauchen. So machen es viele in dem Dorf. Aber die Selbstversorgung ist bedroht, wie Juana Gonzalez, eine andere Protagonistin des Films, dem Kameramann demonstriert. Sie hält ihm ein paar vertrocknete Erdnüsse vor die Linse, verdorben durch das Spritzmittel, mit dem die riesigen Sojafelder rund um das Dorf eingenebelt werden. Juana hat das Pech, dass ihr Land am Rand des Dorfes liegt und der Wind die „Unkrautvernichtungsmittel“, denen auch die Erdnüsse zum Opfer fallen, zu ihr herüberweht.

Santa Rosa liegt wie eine Insel in einem Meer von Soja, eingeschnürt und bedroht durch eine industrielle Form der Landwirtschaft, die nur den Großgrundbesitzern, den Gentechnikmultis und den Billigfleisch-Konsumenten in den reichen Ländern des Westens nützt. Für die Dörfer in Paraguay, mittlerweile das viertgrößte Anbaugebiet von Gensoja weltweit, bedeutet der Siegeszug der eiweißreichen Bohne das Aus, wie auch Staatspräsident Fernando Lugo Mendez beklagt. Der sieht allerdings wenig Chancen, die Entwicklung zu stoppen. „Wir brauchen die Einnahmen aus dem Soja-Export“, sagt er.

Geronimo, Juana und der Kleinbauern-Aktivist Antonio Cabera bauen schon lange nicht mehr auf „ihren“ Präsidenten, den einstigen Hoffnungsträger, den man den „Armenbischof“ genannt hat, weil er in seinem früheren Beruf ein hoher Geistlicher war. Sie nehmen die Sache selbst in die Hand, besetzen ein Stück Land und erobern sich ihr Recht zur Selbstversorgung zurück. Wie dieser Konflikt ausgeht, wird zum Zentrum des Films: eine kluge Entscheidung von Bettina Borgfeld und David Bernet, denn so können sie dem abstrakten Thema des Gensoja-Anbaus ein menschliches Gesicht geben. Sie können von den Gegebenheiten vor Ort erzählen, in einem konzentrierten Rhythmus und mit klaren, eindrücklichen Bildern, die meist mehr sagen als viele Worte.

Auch wenn sie ihre eigene Meinung durchblicken lassen – allein schon in der Auswahl der Szenen und im Aufbau des Films – gelingt den Regisseuren etwas, was selten ist bei politisch polarisierenden Themen. Sie lassen die Gegenseite auf eine Weise zu Wort kommen, die deren Aussagen nicht von vornherein lächerlich macht oder durch die Montage in einen denunzierenden Zusammenhang rückt. So atmet der Film bei allen Konflikten eine wohltuende Sachlichkeit und Unaufgeregtheit. Die Fairness gegenüber den Gentechnikbefürwortern hat sich offenbar ausgezahlt. Sie berichten in bemerkenswerter Offenheit über die Probleme, die ihnen die Gensojapflanzen inzwischen bereiten – vom höheren Spritzmittelbedarf bis hin zu resistenten Unkräutern. Einer der Gensojafarmer hält sogar ein wild wucherndes, außer Kontrolle geratenes Super-Unkraut vor die Kamera. Noch so ein Bild, das mit einem Schlag klar macht, worum es geht.

Raising Resistance

Wie gefräßige Riesenheuschrecken fressen sich vier gigantische Mähdrescher durch ein vertrocknetes Land: Die Sojaernte in Paraguay hat begonnen. Was Monokultur bedeutet, wird hier sinnlich erfahrbar. Kein Baum, kein Strauch, kein anderes Feld. Nur eine unendliche Fläche gelbbrauner, erntereifer Sojapflanzen.
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Meinungen

Martin · 16.10.2013

Herr Friedrichsen, wenn so übermäßig viel Land zur Verfügung steht, warum muss dann genau dort Soja angebaut werden, wo bereits andere ihre Früchte anbauen? Da passt wohl in Ihrer Aussage was nicht.
Was verstehen Sie unter Monokultur? Dass auf den 40 Mill. Hektar mehr als eine Pflanzenart wächst, das ist jedem klar. Aber dass auf großen Flächen Soja angebaut wird (und vermutlich überall die selbe Sorte) lässt sich doch kaum bestreiten (und das selbe gilt anscheinend auch für Mais). Als Monokultur wird auch bezeichnet, wenn auf den selben Feldern jedes Jahr die selbe Pflanzenart angebaut wird (Selbstverständlich weiß auch Wikipedia was dazu de.wikipedia.org/wiki/Monokultur).
Andere Themen wie Regenwaldabholzung und Klimawandel will ich jetzt gar nicht erst anschneiden.

Martin · 16.10.2013

Vincent, ich glaube nicht, dass man Erdnüsse nur verkaufen kann, s. de.wikipedia.org/wiki/Erdnuss#Erdnussprodukte und der nachfolgende Absatz. Sie bauen ja nicht nur Erdnüsse an, und als _ein_ Teil der Ernährung kann ich mir das ganz gut vorstellen.

Willy Friedrichsen · 18.04.2012

Oh wie kann man die Menschen doch nur verdummen wenn man sie von einem solchen Film beeinflussen lässt. Paraguay ist seit 30 Jahren meine Wahlheimat, und ich weiß das dieses Land 40 Millionen Hektar groß ist, davon sind nur ca. 2,5 Millionen Hektar im Ackerbau, und nur auf dieser Fläche wird im Sommer Soja und Mais angebaut. Was soll das ganze dumme Gerede von Monokultur den nur bewirken? Auch ist in dem Film nicht zu sehen das gegen einen der Hauptanführer dieser Campesinos (Victoriano Lopez) einen Haftbefehl ausgestellt wurde, weil er die kleinen Minderjährigen Mädchen in den Camps der Carperos Sexuell mistbraucht hat, und seinen ``eigenen`` Angaben nach, die Volljährigen Frauen zu Prostitution bewogen hat damit er in die Hauptstadt reisen kann. Ich hätte so große Lust den Film in alle Einzelteile zu zerlegen...

ÖPF · 15.04.2012

Ich würde eher Ev Bischoff zustimmen und zum Nachdenken anregen. "... eine handelbare Feldfrucht und mit dem Geld kauft er sich dann alles, was er so zum Leben braucht" - wenn der Campesino denn so viel Geld für seine Feldfrucht bekommt, dass er sich das kaufen KANN, was er zum Leben braucht! "Das ist auch nicht verkehrt, sofern in Maßen betrieben..." - das ist doch rein theoretisch argumentiert, wenn das Maß, wie im Film gezeigt, von den Großgrundbesitzern bestimmt wird die jetzt schon mächtiger und und durch den sojaanbau noch mehr gewinnen.
Und: Haben sich durch die Industrialisierung die Schulbildung und medizinische Versorgung verbessert? Oder mussten Sie erkämpft werden?

Vincent · 12.04.2012

Ganz unabhängig von der Qualität des Films, sollte dem Rezensenten mal jemand sagen, dass Erdnüsse auch nicht gerade ein Grundnahrungsmittel sind...das widerspricht ein wenig der Aussage: Der Mann ernährt seine Familie mit dem fruchtbaren Boden, der ihm alles liefert, was fünf Menschen zum Leben brauchen. Fakt ist, der Boden liefert ihm eine handelbare Feldfrucht und mit dem Geld kauft er sich dann alles, was er so zum Leben braucht. Das ist auch nicht verkehrt, sofern in Maßen betrieben - bisher hat reine Subsistenzwirtschaft, von wegen autonomes Leben usw, jedenfalls noch keine Schulbildung möglich gemacht oder die Bezahlung medizinischer Versorgung...

katrin · 11.04.2012

Ich weiss aus Argentinien wie sehr die Bevölkerung und die Natur unter dem ständigen Wachstum des Sojaanbaus leiden. Leider sind es dort auch gearde die campesinos die, weil am kurzfristigen finanziellen Erfolg orientiert, am schwersten zu überzeugen sind, dass der Anbau genmanipulierten Sojas mit immer mehr Pestiziden langfristig nur wenige Gewinner wie Monsanto hat, nicht die Bauern, nicht die argentinische Bevölkeung und unwiederrufliche Schäden an der wunderschönen Natur und ihrer Artenvielfalt anrichtet. Ich wünsche mir sehr, dass viele viele Menschnen in allen Ländern diesen Film sehen werden und motiviert werden auf jegliche ihnen mögliche art und Weise etwas gegen diesen Wahnsinn und für eine nachhaltige Landwirtschaft tun werden. Für eine lebenswerte Zukunft, ohne Genmanipulation, ohne Monokulturen, ohne Pestizide, Herbizide,... für einen gesunden Boden, sauberes Wasser , gesunde Nahrungsmittel.....
Gemeinsam schaffen wir das!!

Karin · 04.04.2012

Ein unglaublich beeindruckender Film - selbst für Insider... Das gestörte Verhältnis zur Sojabohne wird unter diesem Film weiter leiden - wer ihn gesehen hat kann nur jeglichen Konsum von Soja, selbst in Bestandteilen ablehnen! Und dann steht dieser Campesino mit all seiner Kraft vor einem und sagt: Gemeinsam schaffen wir das! Dieser Wunsch soll uns Pflicht sein!

Ev Bischoff · 02.04.2012

ein hervorragender sehenswerter nachdenklich machender Film