Power To Change - Die EnergieRebellion

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Wo wir sind – ist vorne

Zugegeben: Neugeborene Technologiebegriffe wie „Lageenergiespeicher“ oder „Batteriekraftwerke“ klingen jetzt nicht gerade spannend – oder besonders sexy. Nein, von „Schwarmbatteriesegmenten“ oder jüngsten Erkenntnissen aus dem boomenden Bereich der „Gravity Power“ haben bisher sicherlich nur New-Technology-Lobbyisten oder Physik-Nerds Näheres gehört. Carl-A. Fechner möchte das ändern: als Regisseur, Umweltaktivist, Pädagoge und überzeugter Baden-Württemberger aus dem grünen Ländle, wo der dokumentarische Kämpfer mit der Kamera und erfolgreiche (Mit-)Produzent (u.a. The Farmer and I, Passion for Planet) seit Jahren glücklich ist. Ob er dort in einem Passivhaus – wie in seinem Film am Beispiel Heidelbergs vorexerziert – lebt, ist nicht bekannt.
Aber dass er es überaus ernst meint – geradezu aufrichtig – mit den filmischen Erzeugnissen seiner Arbeit, ist längst vielen Kinobesuchern wie Filmbranchenvertretern klar: Mehr als 30 realisierte Imagefilme und zahlreiche Konzepte für Themenabende sprechen eine eindeutige Sprache: Der schöpferische Impetus jenes Mannes ist ungebrochen. Auch sein neuestes Kinoprojekt Power To Change – Die EnergieRebllion hat er trotz starkem Gegenwind aus der deutschen Energieindustrie durchgeboxt. Diesmal sogar ohne offizielle Fördermittel, Senderbeteiligungen, Redakteure im Kreuz etc. Allein eine Reihe unabhängiger Sponsoren hat an diesen Film geglaubt, genauso wie zahlreiche Crowdfunding-Spender. Nicht zuletzt das Engagement des 2012 gegründeten Vereins „Energiewende Hohenlohe e.V.“ hat dazu beigetragen, dass Fechners Plan am Ende aufging, eine Art Fortsetzung zum Status quo der gegenwärtigen Energiepolitik – diesmal speziell aus deutscher wie EU-Sicht – als Filmemacher und Produzent in Eigenregie anzugehen.

Denn bereits 2010 hatte sein Dokumentarfilm Die 4. Revolution – Energy Autonomy, den immerhin 100.000 Menschen im Kino sahen, den Fokus auf dieselbe Thematik gelegt, nur im globalen Maßstab: Wie schaffen wir das eigentlich mit der kreativen Energieerzeugung sowie effektiven Energielagerung, gerade jetzt am Ende des fossilen Zeitalters? Wo sollen weitere erneuerbare Energiequellen plötzlich noch herkommen, nachdem alle klassischen wie Sonne, Wasser oder Biomasse längst erschlossen sind – zumindest auf dem Papier und tatsächlich vermehrt in manchen Hirnen deutscher Energieriesen, auch wenn sie das öffentlich selten so zugeben würden. RWE oder EON könnten schließlich ein Lied davon singen: Beide Großkonzerne, lange Zeit dinosauriergleiche Relikte des 20. Jahrhunderts in punkto Energieversorgung und Technologiefeindlichkeit, schreiben seit geraumer Zeit rote Zahlen. Fechners neuester Film Power To Change – Die EnergieRebllion kommt also wirklich zur richtigen Zeit in die Kinos.

Nur wird er seine Zuschauer bekommen? Angesichts realpolitischer wie gefühlter Dauerkrisen im täglichen Medienurwald ist es für einen finanziell ambitionierten, für die große Leinwand produzierten und per Eigeninitiative entwickelten Dokumentarfilm – dazu noch mit jener komplexen Thematik – sicherlich nicht einfach. Trotzdem hätte er es verdient, wenn nicht gleich im Kino, dann doch wenigstens prominent im Fernsehen – und speziell auch in Schulen und Universitäten – gezeigt bzw. rege diskutiert zu werden. Denn nach diesen 90 Minuten steigt zwar einerseits das innere Gefühl der Machtlosigkeit angesichts der Uneinsichtigkeit vieler globaler Großkonzerne weiter an, was das Thema Energiewende im Jahre 2016 konkret noch bedeutet. Andererseits hat man quasi auf der Leinwand gerade eine Reihe neuer polit-ökonomischer Rebellen kennengelernt, die sich – überzeugungstätergleich – eben nicht vor den Karren der Atom-, Öl- oder Kohleindustrie spannen lassen wollen und längst eigenständige Pläne ausgeheckt haben: In langen, etwas überkandidelten CinemaScope-Einstellungen schwelgt Fechners Film lange Zeit im Aufbruchsgeist seiner Protagonisten.

Lutz Malechewski ist einer von ihnen: früher lange arbeitslos, heute lange im Dauereinsatz. Als Stromsparhelfer im Dienste der Berliner Caritas hat er einen neuen Lebenssinn gefunden – und ist damit endlich glücklich geworden. Kann die Energiewende auch im kleinen Maßstab gelingen? Vielleich ja gerade so. Malechewskis Beispiel macht zumindest Mut, dass es prinzipiell nie zu spät ist, mit der Ressourcenschonung aktiv zu beginnen: Gerade auch in den heimischen vier Wänden, wenn es die Großkonzerne schon nicht tun (wollen).

Dass das Mega-Projekt Energiewende letztlich nur im Verbund mit aufgeschlossen Jungunternehmern vollzogen werden kann, zeigt der Lebensweg des Ende der 1980er Jahre aus dem Iran geflüchteten Amir Roughani: Als Macker-Typ mit fetter Uhr und teuer Limousine zählt er in Power To Change – Die EnergieRebellion sicherlich nicht zu den Sympathieträgern. Trotzdem ist ihm seit heutiges finanzielles Engagement im Bereich der Solar-Anlagen-Technik, die er in die hintersten Flecken Thüringens gebracht hat, hoch anzurechnen. Neben vielen neuen Arbeitsplätzen hat Roughani vor allem eines in diese wenig beachtete Region gebracht: Soziale wie ökonomische Nachhaltigkeit – und den Glauben an Merkels „Wir schaffen das!“. Nur in einem anderen, nicht weniger essentiellen Zusammenhang.

Gleichzeitig gehen weiterhin unentwegt neue Kohlekraftwerke (wie z.B. 2012 in Neurath) in Betrieb: Das ist die Kehrseite der Medaille. Da kann der IT-Riese SAP weltweit bereits seine eigene Konzernenergieversorgung auf mittlerweile 100% regenerative Energien umgestellt haben, schön und gut. Aber das ist en gros immer noch ein Einzelfall. Auch der nicht minder global agierende VW-Riese aus Wolfsburg lässt zwar einerseits die weltweit größten Windkraftanlagen in Emden das hiesige Werk versorgen. Andererseits zeigt sich der Auto-Gigant gerade im Bereich der generellen Energieumstellung bzw. -nachrüstung nach wie vor zögerlich, um es gelinde auszudrücken.

Vom „Schlachtfeld Energiewende“ spricht diesbezüglich auch unverblümt Prof. Dr. Claudia Kemfert in Fechners Dokumentarfilm. Sie muss es wissen, als Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung: Die Gier nach Macht, Energie und Ressourcensicherheit wird den Lauf der Welt in den nächsten Jahrzehnten irreversibel bestimmen. Das sind zwar im ersten Moment keine neuen Nachrichten für die Köpfe vieler Zuschauer, aber die Dimension und Unumkehrbarkeit dieser Dinge wird allen in jedem Falle umso bewusster. „Mit Ölimporten finanzieren wir den Terror, der uns bedroht“, meint dementsprechend Hans-Josef Fell (Bündnis 90/Die Grünen) in einer Szene auf dem Maidan in Kiew. Vor allem diese Sätze bleiben in Power To Change – Die EnergieRebellion hängen.

Denn sie sind bei weitem wirkungsmächtiger als alle Hochglanzbilder dieses Films – und hallen bedeutend länger nach als der schwer erträgliche Glanz-und-Gloria-Score dieser zuweilen aufgesetzt wirkenden Mut-Mach-Produktion. Trotz allem: Wo sieht man eigentlich konkret die Beschlüsse des Pariser Klimagipfels aus dem letzten Jahr? In den Gesichtern vieler portraitierten Energie-Rebellen in Fechners Film: Wo wir sind – ist vorne. Zumindest 90 Minuten lang glaubt man das. Immerhin.

Power To Change - Die EnergieRebellion

Zugegeben: Neugeborene Technologiebegriffe wie „Lageenergiespeicher“ oder „Batteriekraftwerke“ klingen jetzt nicht gerade spannend – oder besonders sexy. Nein, von „Schwarmbatteriesegmenten“ oder jüngsten Erkenntnissen aus dem boomenden Bereich der „Gravity Power“ haben bisher sicherlich nur New-Technology-Lobbyisten oder Physik-Nerds Näheres gehört. Carl-A. Fechner möchte das ändern: als Regisseur, Umweltaktivist, Pädagoge und überzeugter Baden-Württemberger aus dem grünen Ländle, wo der dokumentarische Kämpfer mit der Kamera und erfolgreiche (Mit-)Produzent (u.a. „The Farmer and I“, „Passion for Planet“) seit Jahren glücklich ist.
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Meinungen

Frauke Thiel · 24.03.2016

Diesen Film solle jeder sehen, bei sich anfangen und andere inspirieren.