Plan B - Scheiß auf Plan A

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Schach wird als das Spiel der Könige bezeichnet, heißt es zu Beginn des Films. Aber dabei werde schnell vergessen, dass auch Bauern gehörig Ärsche treten könnten. Dieser Metapher folgend ist Plan B — Scheiß auf Plan A ein Film der Bauern. Stuntmänner spielen die Hauptrollen, deren Aufgabe es zwar sonst ist, vollen Körpereinsatz zu bringen, aber dabei tunlichst unerkannt zu bleiben. Cha-Lee Yoon hielt seine Gliedmaßen für James Bond 007 — Skyfall hin, Phong Giang für Hitman: Agent 47. In ihren Lederjacken, ihrem Kampfstil und Gebaren erinnern sie hier nun an Sylvester Stallone in Die City-Cobra, an Bruce Lee in Mein letzter Kampf (Game of Death), in einer besonders abgefahrenen Szene auch an Michael Jackson im Musikvideo zu Thriller. Sie sind Typen, Stand-Ins für eine Geschichte, deren Hauptinteresse der Schauwert ist: Kampfaction von Kung-Fu bis Thai-Boxen, wie das eben so ist in B-Movies. Es sei denn, man liest zwischen den Zeilen.

Filme des Cannon-Universums, deutsche Edgar Wallace-Epigonen oder Kung Fu Craze-Streifen von Golden Harvest bekamen vielleicht keine Preise auf A-Festivals. Aber auch heute funktionieren sie neben ihrem unzweifelhaften Unterhaltungswert noch immer als Zeitkapseln. Sie erzählen uns etwas über den Zustand der Gesellschaft, in der sie entstanden sind: über ihre Bösewichte und Ängste, über ihre Heldenbilder und ihr Rechtsempfinden. Wenn Stallone in The City-Cobra seinen Spruch bringt – „Du bist die Krankheit, ich bin die Medizin“ –, dann schwingt darin die geradezu faschistische Paranoia der Ära Reagan mit. Can (Can Aydin) scheint den Spruch hingegen einfach zu adaptieren, weil er ihn cool findet. Dass die vier Antihelden von Plan B — Scheiß auf Plan A, Martial-Arts-Kämpfer mit Affinität zum Film, ohne eine tiefgreifende Philosophie handeln, könnte man dem Film als Unterkomplexität auslegen. Sie sind liebenswerte Losertypen, Can wohnt noch bei seinen Eltern, Phong plant mit Freundin und Kind sesshaft zu werden, Cha zweifelt daran, dass sich der Erfolg noch einstellen wird, und U-Gin (Eugene Boateng) gibt den Manager, krebst aber in einem ausbeuterischen Job auf dem Bau herum. Die Botschaft, die die vier am Ende vermittelt haben werden, ist denkbar simpel: kraft freundschaftlichen Zusammenhalts kriegt man trotz seiner Schwächen alles gebacken.

Plan B — Scheiß auf Plan A beginnt mit einer ziemlich generischen Actionszene: wie in einem Egoshooter fährt die Kamera zackig durch die verwinkelten Räume eines Fabrikgebäudes, in dem sich namenlose Bösewichte aufhalten. Das sich ergebende Geballer ist ermüdend, aber dem Himmel sei Dank nur von kurzer Dauer, entpuppt es sich nämlich bald als halbgare Jungsfantasie. Die gestärkten Hemden der Stuntmänner weichen Tanktops, die Maschinenpistolen geballten Fäusten. Vielleicht steckt hier doch ein Hauch von Philosophie: die Philosophie der Körperlichkeit, der Muskelkraft und Geschicklichkeit, des Schweißes und Drecks. Es folgt eine wahnwitzige Story: Can, Cha und Co geraten statt ins nächste Casting in eine tatsächliche Geiselnahme. Um den Gangsterboss zufriedenzustellen, begeben sie sich auf eine Schatzsuche quer durch Berlin und bedienen dabei Sehnsüchte nach solider old school B-Movie-Kost. Die Dialoge in einer Vernehmungsszene erinnern entfernt an die deutschen Synchronsprecher, die einst Bud Spencer, Terrence Hill und Co ihre Supersprüche in den Mund legten. Ein markantes Tattoo an der linken Hand ist das einzige Identifikationsmerkmal ihres unbekannten Verfolgers – cues wie aus dem manchmal schwerfälligen Suspense deutscher Nachkriegskrimis. Natürlich gibt es auch die obligatorische Szene im trist verräucherten Strip-Schuppen.

„Guck mal, da oben!“, schreit Phong – und als seine Häscher sich umdrehen, schenkt er ihnen ordentlich ein. Manchmal funktionieren die alten Tricks eben am besten. Plan B — Scheiß auf Plan A ist aber nicht die pure Nostalgie. Er verfügt auch über die Zeitkapselfunktion, Edition 2017. Neben zahlreichen on-location-Aufnahmen von den Straßen Berlins dokumentieren die Regisseure Ufuk Genc und Michael Popescu zum Beispiel sehr bewusst die alltägliche Jugendsprache. Viele Dialogzeilen klingen, als belausche man Teenager in der U8 zwischen Kottbusser Tor und Hermannstraße: „mies“, „nice“, „läuft bei dir“. Ab und zu werden inserts wie aus einem Duden eingeblendet: ver|ka|cken – bei etwas versagen. Bedauernswert ist eigentlich nur, dass Plan B — Scheiß auf Plan A nicht auf Film gedreht wurde. Das große Finale während des Sonnenaufgangs sähe so sicher noch viel atemberaubender aus: wenn das goldene Licht sich in der groben Körnung des 35mm-Material verfinge. Oder die Neonlampen in den Clubszenen eine schmuddelige Patina absonderten. Nun gut, wahrscheinlich gehören eben auch die Digitalaufnahmen in die Zeitkapsel von heute.
 

Plan B - Scheiß auf Plan A

Die drei Freunde Can, Phong und Cha sind nicht nur Fans der Actionfilme der 80er und 90er, sie selbst sind auch ausgebildete Stuntmänner und Martial-Arts-Experten, die schon lange auf einen Durchbruch im Film hoffen. Voller Vorfreude auf ihr nächstes Casting landen sie an einer völlig falschen Adresse und sprechen vor einem hohen Kriminellen vor. Um aus der darauf folgenden Verschwörung wieder zu entkommen, müssen die drei ihr ganzes Geschick anwenden.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen