Pianomania

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Lust und Last der Perfektion

Ob Lang Lang oder Alfred Brendel – alle Starpianisten brauchen einen Techniker, der viel mehr ist als ein „Klavierstimmer“. Auf dem Gipfel der Tonkunst wird es eng. Nur die besten Pianoexperten können verstehen, worum es den Genies an den Tasten überhaupt geht. Wie faszinierend das Ringen um Perfektion sein kann, zeigt der Dokumentarfilm Pianomania von Lilian Franck und Robert Cibis.
Pianomania erzählt — wie der Titel schon verrät — von einer Welt der Besessenen, von einer Leidenschaft für die klassische Musik und von der Bereitschaft zur absoluten Hingabe an ein Instrument mit 88 Tasten und 230 Saiten. Aber der Film ist zugleich eine Reflexion über Beruf und Berufung, über Engagement und Erschöpfung, über die Lust an der Perfektion und dem Leiden daran.

Der Film gibt Einblick in die Arbeit von Stefan Knüpfer, Cheftechniker und Meisterstimmer beim Pianobauer Steinway & Sons. Er zeigt die Begegnungen und Gespräche mit den Tastenstars und spinnt seinen roten Faden entlang eines ganz besonderen Projekts: Stefan Knüpfer soll dem französischen Starpianisten Pierre-Laurent Aimard helfen, die „Kunst der Fuge“ von Bach einzuspielen. Das Besondere daran: Aimard möchte nicht nur eine bestimmte Klangfarbe, für die der Flügel eingerichtet wird. Er möchte mehrere, je nach Stück. Für Stefan Knüpfer beginnt damit ein Jahr außergewöhnlicher Herausforderungen: „So etwas haben wir noch nie gemacht.“

Zwölf Monate zuvor beginnen also die Vorbereitungen – die Suche nach dem geeigneten Instrument, nach verschiedenen Techniken der Dämmung und nach dem, was Aimard meint, wenn er sagt, er möchte, dass der Flügel einmal mehr nach Cembalo klingt und ein anderes Mal mehr nach Orgel. Es wird ein spannendes Jahr. Mehr als einmal scheinen die Schwierigkeiten so groß, dass der 42-jährige Meisterstimmer bekennen muss: „Das habe ich noch nie erlebt.“

Auf den ersten Blick drehen sich die Gespräche um technische und musikalische Probleme. Aber was dieses Porträt eines außergewöhnlichen Berufs über Insider-Kreise hinaus interessant macht, ist die Begeisterung, mit der hier einer seinem Tagwerk nachgeht. Da ist ein Feuer zu spüren, das anderen Branchen ganz gut täte. Und: Am Beispiel von Stefan Knüpfer kann man die Lust und die Last des Perfektionismus studieren. Der Zuschauer spürt, wie sehr die Lebensfreude und der jugendliche Schwung damit zusammenhängen, dass hier einer das Unmögliche versucht und sich von keinem Hindernis abschrecken lässt. Aber es wird auch deutlich, welche Qual es sein kann, wenn man den CD-Player abstellen muss, weil man den Klang einer für normale Ohren hochklassigen Aufnahme so grässlich findet. Stefan Knüpfer weiß, dass er als Techniker noch vergleichsweise glimpflich davonkommt. Während er selber seine Arbeit spätestens bei Konzertbeginn beendet, ist ein guter Pianist nie zufrieden.

Wonach Knüpfer und seine Starpianisten streben, wenn sie nach einem „geöffneten“ oder „magischen“ Klang suchen – das lässt sich natürlich mit optischen Mitteln nicht einfangen. Umso mehr ist die Machart dieses Films zu loben. Zu Beginn und am Ende ahmen rasante Schnitte den Rhythmus der Musik nach, stimmen also auf das Thema ein. Der Mittelteil dagegen konzentriert sich auf ein intensives Begleiten, auf Gespräche und Beobachtungen. Hier nehmen sich die Regisseure die Zeit, um über Gesichtsausdrücke und kleine Gesten die Zwischentöne sichtbar werden zu lassen. Und da, wo die Worte nicht hinreichen, wird plötzlich deutlich, wie verwandt Film und Musik sein können.

Pianomania

Ob Lang Lang oder Alfred Brendel – alle Starpianisten brauchen einen Techniker, der viel mehr ist als ein „Klavierstimmer“. Auf dem Gipfel der Tonkunst wird es eng. Nur die besten Pianoexperten können verstehen, worum es den Genies an den Tasten überhaupt geht. Wie faszinierend das Ringen um Perfektion sein kann, zeigt der Dokumentarfilm „Pianomania“ von Lilian Franck und Robert Cibis.
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Meinungen

johann penzien · 05.05.2011

wunderbar