Oldboy (2013)

Eine Filmkritik von Christian Horn

Trittbrettfahrer oder Erschaffer eigenständiger Welten?

Man kann sich fragen, ob die Welt tatsächlich auf ein US-Remake zu Park Chan-wooks Meisterwerk Oldboy aus dem Jahr 2003 gewartet hat. Immerhin ist die südkoreanische Verfilmung des gleichnamigen Mangas (1996-98) bis heute rundum überzeugend. Andererseits ist es durchaus vielversprechend, dass der Autorenfilmer Spike Lee (Malcolm X, Inside Man) als Regisseur der Neuverfilmung fungiert und mit Josh Brolin (No Country for Old Men) ein markanter Protagonist gefunden wurde. Außerdem ist es natürlich legitim, einen faszinierenden Stoff, der in diesem Fall aus Comic und Originalfilm besteht, neu zu interpretieren. Über die offensichtlichen finanziellen Überlegungen hinaus kann ein Remake seinem Vorbild nämlich tatsächlich neue Aspekte abringen und etwas Eigenständiges schaffen, was erklärte Remake-Gegner oft unter den Tisch fallen lassen. So sind Scarface von Brian de Palma oder John Woos Meisterstück A Better Tomorrow Remakes – und auch David Fincher legte mit Verblendung einen gelungenen „Trittbrettfahrer“ vor. Doch wie stehen die Dinge bei Spike Lees Oldboy-Variante?
Nach Tokio im Comic und Seoul in der südkoreanischen Verfilmung spielt die Handlung jetzt in New Orleans. Und nach Shinichi Goto und Oh Dae-su ist nun Joe Doucett, ein geschiedener Werbemanager, der Protagonist. Hoffnungslos dem Schnaps verfallen ist der selbstherrliche Doucett ein absolut unangenehmer Typ. In einer Nacht des Jahres 1993 entführen Unbekannte den Säufer und sperren ihn ohne jede Erklärung in ein Hotelzimmer ohne Fenster. Im TV-Programm erfährt Doucett, dass die Polizei ihn des Mordes an seiner Exfrau verdächtigt und die Tochter bei Pflegeeltern aufwächst. Um sein Kind wiederzusehen, entsagt Joe dem Alkohol, den die perfiden Peiniger täglich durch eine Luke in der Tür reichen, trainiert seinen Körper und plant die Flucht. Doch nach zwanzig Jahren in Einzelhaft wacht Joe unerwartet in einer Kiste in einem Park auf. Getrieben von Rache will er den Grund seiner Bestrafung erfahren – und vergisst die Schlüsselfrage: Warum wurde er freigelassen?

Wer die Verfilmung von Park Chan-wook gesehen hat, kennt auch die Geschichte und sämtliche Plotwendungen des Remakes. Nach eigener Aussage orientiert sich Spike Lee zwar stärker an der Comicvorlage von Garon Tsuchiya und Nobuaki Minegishi, doch letztlich folgt er den einschneidenden Änderungen, die Park Chan-wook an dem Manga vorgenommen hat. Zudem kopiert der US-Regisseur eine ganze Reihe der visuell mitreißenden Bilder des Originalfilms. Den Handlungsverlauf variiert Spike Lee nur in wenigen Punkten, wobei die neue Schlusswendung am Auffälligsten ist und den Geschehnissen tatsächlich einen anderen Nachhall verleiht. Überhaupt wirkt die Atmosphäre des neuen Oldboy-Films trotz gleicher Geschichte anders, unter anderem deshalb, weil das Remake an die Stelle der opernhaften Musikgestaltung des Originals einen Thriller-Soundtrack setzt. Durch diese inszenatorische Änderung ist das Remake geerdeter: Was zuvor wie eine antike griechische Tragödie erschien, ist nun ein urbaner US-Thriller in New Orleans.

Doch eine wirklich neue Perspektive kann Spike Lee der doppelten Rachegeschichte, in der Vergangenheit und Gegenwart als Alptraum erscheinen, nicht abgewinnen. Und im Vergleich zum Original ist die US-Adaption der schwächere, weniger mutige und trotz der nihilistischen Geschichte konformere Film. Sieht man von dem beinahe unabdingbaren Vergleich mit der Vorlage jedoch einmal ab und nimmt den Film für sich alleine, ist der neue Oldboy aber ein durchaus gelungener, sauber inszenierter Thriller.

Oldboy (2013)

Man kann sich fragen, ob die Welt tatsächlich auf ein US-Remake zu Park Chan-wooks Meisterwerk „Oldboy“ aus dem Jahr 2003 gewartet hat. Immerhin ist die südkoreanische Verfilmung des gleichnamigen Mangas (1996-98) bis heute rundum überzeugend. Andererseits ist es durchaus vielversprechend, dass der Autorenfilmer Spike Lee („Malcolm X“, „Inside Man“) als Regisseur der Neuverfilmung fungiert und mit Josh Brolin („No Country for Old Men“) ein markanter Protagonist gefunden wurde.
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