Nice Places to Die

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Nahe bei den Toten

Der Filmemacher Bernd Schaarmann dachte immer, seine Eltern und er hätten nahe mit dem Tod gelebt. Er wuchs als Kind von Bestattern auf und erzählte von ihrer Arbeit im Dokumentarfilm Leben und Sterben in Castrop-Rauxel aus dem Jahr 2006. Für seinen neuen Film Nice Places to Die aber besuchte er Menschen, die noch selbstverständlicher mit den Toten leben, zum Beispiel weil sie auf einem Friedhof wohnen oder die verstorbenen Angehörigen jahrelang bei sich zu Hause aufbahren. Dabei wirkt der in Argentinien, Kairo, Manila und in Indonesien gedrehte Film wie eine optimistische Hommage an das Leben. Die Uraufführung auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis 2015 musste posthum stattfinden, denn Schaarmann verstarb völlig unerwartet im Oktober 2014 im Alter von nur 46 Jahren.
Der 45-jährige Argentinier Ricardo wuchs in einem Armutsviertel von Buenos Aires auf. Eines Tages hatte er nur die Wahl zwischen Arbeitslosigkeit und dem Job eines Leichentransporteurs. Er wählte diesen und fährt nun die Toten über Land zur Bestattung in ihren Heimatdörfern. Ricardo muss unterwegs manchmal im Wagen neben dem Sarg übernachten. Wenn er Rast macht, spielt er Gitarre oder denkt sich beim Anblick eines abgelegenen kleinen Friedhofs mitten in den Anden: „Was für ein schöner Ort zum Sterben!“ In Kairo leben in der Totenstadt Al’Qarafa 100000 Menschen. Sie wohnen entweder über der Gruft ihrer Angehörigen oder haben ein fremdes Mausoleum angemietet. Die Kinder der 29-jährigen Hanan gehen hier sogar zur Schule und freitags gibt es immer einen Markt, zu dem auch die Kairoer Bürger kommen, die den Ort sonst tunlichst meiden.

Auch in der philippinischen Hauptstadt Manila leben viele Menschen auf dem Friedhof. Hier ist das Leben weniger gefährlich als in den überfüllten Slums. Sie zahlen keine Miete, zapfen Strom von Oberleitungen an. Der 47-jährige Rolando lebt seit 18 Jahren hier, seine Frau führt einen Kiosk auf dem Gelände. Bei den Torajas im indonesischen Sulawesi ist es üblich, die mit Formalin konservierten Toten jahrelang zu Hause im Kreis der Familie zu halten, wo sie nur als krank gelten und mit Speisen – für die Seele — versorgt werden. Der 69-jährige Dorfbürgermeister Laso hat seine tote Mutter seit fünf Jahren im Haus. Für jeden Verstorbenen gibt es irgendwann eine festliche Bestattungszeremonie, die je nach sozialem Rang ein Vermögen kosten kann. Es müssen Wasserbüffel geschlachtet werden, sonst kann der Tote die Pforte ins Jenseits nicht passieren.

„So richtig tot ist hier niemand, auch wenn er eine Leiche ist“, kommentiert Schaarmann den Brauch des Wohnens mit den noch nicht bestatteten Toten. Als Voice-Over-Erzähler mischt er manchmal ein wenig von diesem Humor in sein Staunen, ergänzt das Gehörte und Gesehene mit Erfahrungen aus der eigenen Kindheit. Im Film stehen trotz des Themas die Lebenden und ihr oft so schwieriger Alltag im Zentrum. Aufmerksam registriert Schaarmann, mit welcher Gelassenheit sie sowohl über die eigene Lage, als auch über die Sterblichkeit nachdenken. Nice Places to Die erweitert den Horizont des westeuropäischen Betrachters in einer längst fälligen Richtung: Er regt auf unterhaltsame Weise dazu an, den Tod nicht mehr gewohnheitsmäßig aus dem Bewusstsein auszusperren. Aber der Film zeigt auch mit leiser Ehrfurcht, dass er das größte Mysterium bleibt, mit dem sich die Menschen auseinandersetzen müssen.

Nice Places to Die

Der Filmemacher Bernd Schaarmann dachte immer, seine Eltern und er hätten nahe mit dem Tod gelebt. Er wuchs als Kind von Bestattern auf und erzählte von ihrer Arbeit im Dokumentarfilm „Leben und Sterben in Castrop-Rauxel“ aus dem Jahr 2006. Für seinen neuen Film „Nice Places to Die“ aber besuchte er Menschen, die noch selbstverständlicher mit den Toten leben, zum Beispiel weil sie auf einem Friedhof wohnen oder die verstorbenen Angehörigen jahrelang bei sich zu Hause aufbahren.
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Meinungen

@Carsten · 21.09.2015

Alle Chart-Funktionen, gleichgültig welcher Art und auf welcher Plattform, lassen sich mit etwas Aufwand manipulieren. Und bei 24 Votes für diesen Film scheint sich kaum jemand die Mühe gemacht mehrfach zu voten würde ich mal behaupten, zudem das auch nicht ohne weiteres möglich ist, wie Du hier behauptest.

Carsten · 07.09.2015

Die LeserCharts sind das Opfer von Manipulation.
Die Ergebnisse sind nicht mehr aussagekräftig,
dass Mehrfachvotes einmal pro Tag möglich sind,
macht die Charts unmöglich.
Alternative mal wieder Facebook:
Direkt auf Facebook, zumindest in Gruppen gibt es die Umfragefunktion, sonst Likes von FB, oder den Log-In zum Abstimmen über Facebook