New York Saints

Eine Filmkritik von Falk Straub

Living on the Edge

In ihrem jüngsten Film taucht das Ehepaar Shari Springer Berman und Robert Pulcini tief in die 1980er Jahre ein. New York Saints erzählt von Drogen, Musik, Liebe und Tod in einer Stadt zwischen Dreck und Kreativität.
Wer heute durch New York City schlendert, mag kaum glauben, dass das Leben dort einmal dreckig, gefährlich und ausgesprochen günstig war. Bevor Bürgermeister Ed Koch den Haushalt der bankrotten Metropole in den 1980er Jahren sanierte und Rudolph Giuliani die Kriminalitätsrate in den 1990er Jahren drastisch senkte, waren nicht nur Protagonisten in Filmen gut beraten, U-Bahn-Stationen, Parks und manch dunkle Seitenstraße nach Sonnenuntergang zu meiden. Auch New York Saints spielt mit diesem Wissen der Zuschauer und bricht es ironisch, als der Althippie Les (Ethan Hawke) seinen Sohn Jude (Asa Butterfield) sichtlich amüsiert ins Problemviertel Alphabet City losschickt, in dessen Park die dramatischen Verwicklungen gegen Filmende schließlich kulminieren.

Doch der Reihe nach. Im verschlafenen Vermont träumen Jude und sein bester Freund Teddy (Avan Jogia) von einem Leben in der Stadt. Teddys Bruder Johnny (Emile Hirsch) spielt dort in einer Band. Auch Judes Vater Les hat sich mit seiner Freundin Diane (Emily Mortimer) und deren Tochter Eliza (Hailee Steinfeld) ein neues, unkonventionelles Leben am Hudson eingerichtet. Während Diane in einem luxuriösen Appartement wohnt, vegetiert Les samt hauseigener Cannabisplantage im East Village. Der Apfel fällt auch in New York Saints nicht weit vom Stamm. Um sich auf dem Land nicht zu Tode zu langweilen, sind Jude und Teddy die meiste Zeit auf Droge. Als Eliza auf dem Weg in den Big Aple einen Zwischenstopp in Vermont einlegt, wird aus dem jugendlichen Zeitvertreib tödlicher Ernst. Nach einer durchzechten Nacht liegt Teddy erfroren im Schnee. Les holt Jude zu sich ins East Village, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Schuldgefühle, Trauer und ein Geheimnis schweißen Jude, Eliza und Johnny nach Teddys Tod noch stärker zusammen.

In ihrem jüngsten Film haben sich Shari Springer Berman und Robert Pulcini (Nanny Diaries, Der letzte Gentleman) Eleanor Hendersons gleichnamigen Roman vorgenommen. An dem Projekt habe die gebürtigen New Yorker besonders jene pulsierende Ära gereizt, die sie dort selbst miterlebt hatten. Es war die Zeit der Hausbesetzer und Kreativen, die sich das Viertel mit Obdachlosen, Dealern und Kleinkriminellen teilten. Eine Zeit, in der den Jugendlichen die Rebellion gegen ihre liberalen Eltern schwerfiel. Um der Generation der Hippies etwas Schlagkräftiges entgegenzusetzen, schien einzig ein Leben in Anzug und Krawatte geeignet oder eines, das den irdischen Genüssen entsagt. Jude und Eliza entscheiden sich für Letzteres und landen bei Johnny. Der ist straight edge, krishna und vegan. Eigentlich keine schlechten Voraussetzungen für einen Film über ein Heranwachsen in den 1980er Jahren — voller Musik und Lebensgefühl.

Berman und Pulcini setzen das mit dem ein oder anderen Augenzwinkern und sehr detailverliebt in Szene, fast so, als ob sie jeden einzelnen Müllsack selbst in den Straßen drapiert hätten. Doch nicht selten wirkt diese Detailversessenheit etwas gekünstelt. Und auch das Pulsieren jener Ära will sich nicht recht beim Zuschauer einstellen. Das kreative Chaos, die Stimmung einer Epoche, ja einen Zeitgeist hat das Paar – etwa in American Splendor – schon deutlich authentischer auf die Leinwand gebracht. In New York Saints bildet das Ende der 1980er Jahre hingegen lediglich eine Folie, vor der Berman und Pulcini ein solide inszeniertes und routiniert gespieltes Drama entfalten. Statt Straight Edge und der Krishna-Bewegung hätte es aber auch jede andere Gegenkultur sein können.

New York Saints

In ihrem jüngsten Film taucht das Ehepaar Shari Springer Berman und Robert Pulcini tief in die 1980er Jahre ein. „New York Saints“ erzählt von Drogen, Musik, Liebe und Tod in einer Stadt zwischen Dreck und Kreativität.
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