Nerve (2016)

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Die digitale Verrohung

In erster Linie ist Nerve ein rasant erzählter Teenie-Thriller, der davon lebt, dass der Zuschauer involviert wird, indem er sich fragen soll, welche Herausforderungen er selbst wohl eingehen würde. Es ist ähnlich wie bei 13 Sins. Anfangs sind es Kleinigkeiten, aber dann wird der Einsatz immer höher und das Aussteigen immer schwieriger. Das ist die Oberfläche, aber Nerve hat weit mehr als das zu bieten.

In New York ist ein neues Spiel der letzte Schrei: Nerve. Man kann ein Watcher oder ein Player sein. Player werden vor Herausforderungen gestellt, die sie meistern müssen, um Geld zu verdienen. Die Watcher sehen zu und feuern ihre Helden an. Eigentlich ist Vee (Emma Roberts) gar nicht der Typ Mensch, der an einem solchen Spiel teilnehmen würde, aber dann meldet sie sich aus Frust an. Bei der ersten Herausforderung lernt sie Ian (Dave Franco) kennen, mit dem sie eine Nacht der Abenteuer erlebt – aber auch eine, bei der die Herausforderungen immer härter und gefährlicher werden. Bis es ums nackte Überleben geht …

Nerve ist spannend, sieht mit seinem Farbspiel hip aus und unterhält locker. Aber es gibt noch eine andere Ebene. Denn Nerve ist auch ein bissiger Kommentar auf die digitale Gesellschaft. Die kann harmlos sein wie jene, die mit dem Handy Pokemons jagen – und selbst da gab es schon fragwürdige Zwischenfälle –, oder gnadenlos, wenn ein Baby-Delfin zu Tode gebracht wird, nur um ein Selfie mit ihm machen zu können. Solche Menschen sind es, die zu den Watchern werden, die sich stets noch perversere Herausforderungen ausdenken und in ihrem Voyeurismus immer entmenschlichter werden. Weil die Anonymität des Internets es ihnen so leichtmacht.

Das ist die Substanz, aus der dieser knackige, kleine Thriller besteht. Die ist so reizvoll und stark, dass man sogar kleinere Abstriche in Kauf nimmt, was die Logistik dieses Spiels betrifft. Im Film wird etabliert, es sei ein Open-Source-Game ohne festen Server und wohl auch ohne Betreiber, dass im Grunde jeder Watcher oder Player zugleich auch das Spiel betreibt. Aber der Schwarm kann keine Einzelentscheidungen treffen – und irgendwo muss das eingenommene Geld auch zusammenlaufen. Das ist ein komplexer Teil dieses Spiels, auf den die Geschichte nicht weiter eingeht. Man soll und muss hinnehmen, dass die Botschaft über allem steht.

Die ist tatsächlich wertvoll, auch wenn nur ein paar Zuschauer erreicht werden, die über die Mechanismen nachdenken, nach denen sie selbst funktionieren. Nerve ist das Porträt einer Gesellschaft, die immer weiter verroht, die einen Narren am eigenen Bildnis gefressen hat und in ihrer Bereitschaft, sich selbst zu produzieren, ein weit größeres Stück ihres Selbst opfert, als ihr das eigentlich bewusst ist.
 

Nerve (2016)

In erster Linie ist „Nerve“ ein rasant erzählter Teenie-Thriller, der davon lebt, dass der Zuschauer involviert wird, indem er sich fragen soll, welche Herausforderungen er selbst wohl eingehen würde. Es ist ähnlich wie bei „13 Sins“. Anfangs sind es Kleinigkeiten, aber dann wird der Einsatz immer höher und das Aussteigen immer schwieriger. Das ist die Oberfläche, aber „Nerve“ hat weit mehr als das zu bieten.

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