My First Lady

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Barack Obama überzeugt Michelle

Wie erzählt man aus einem Leben? Biografien sind Narrationen und — natürlich — immer auch eine Selektion, eine Auswahl aus Lebensmomenten, die in Buch oder Film präsentiert, arrangiert, eventuell kommentiert wird. Im Fall von My First Lady haben sich die Macher für einen einzigen Tag entschieden, um die Hauptfigur bzw. die Hauptfiguren zu portraitieren: Das vermeintlich erste Rendezvous von Michelle Robinson – als Titelfigur – und Barack Obama im Jahr 1989.
Der Film beginnt mit beschwingter Musik (ein toller Soundtrack u.a. von John Legend), die gute Laune verbreitet, aber auch die Stimmung der späten 1980er Jahre vermittelt, in denen sich Barack (Parker Sawyers) und Michelle (Tika Sumpter) kennen lernen und sich an einem Tag verabreden. Für Michelle handelt es sich dabei – auch wenn sie sich besonders fein macht – um ein Arbeitstreffen, für Barack ist es ein Date. Er will seine Vorgesetzte mit auf ein Gemeindetreffen nehmen, führt sie jedoch zuerst in den Park, in eine Kunstausstellung, später ins Kino und zum Essen aus.

My First Lady begleitet die beiden engagierten Anwälte an diesem einen Tag, an dem sie sich durch Chicago bewegen und aus ihrem Leben erzählen, Meinungen und Lebenseinstellungen austauschen, an dem Barack Michelle aber auch von sich und seinen Qualitäten überzeugen will. Egal wie sich das Kennenlernen der späteren Ehegatten realiter zugetragen haben mag, die Story ist eine, wie sie das Kino mag: Eine starke Frau trifft sich mit einem Mann, der sie hofiert, vielleicht sogar schon liebt. Sie aber ist zunächst abweisend. Erst im Zusammenspiel mit anderen Menschen und während einer schon fast politischen Rede an die Mitglieder einer Gemeinde erobert er ihr Herz.

Diesen glücklichen Verlauf, der doch stark nach Inszenierung schmeckt, spricht Michelle später direkt an; sie hat das Muster der Verführung erkannt. Und damit legt der Film gleichzeitig die narrativen Mechanismen einer Filmgeschichte offen, denn genauso funktionieren doch die Liebesgeschichten im amerikanischen Kino: Der Mann braucht eine Plattform, auf der er sich beweisen kann, damit die Frau erkennt, was sie eigentlich schon im Innern wusste: wie wunderbar er doch ist. Dass die Ansprache Obamas dabei recht mager und wenig authentisch wirkt, ist für den weiteren Verlauf der Geschichte egal, hinterlässt beim Zuschauer aber denselben Geschmack wie bei Michelle – den der Inszenierung. Unweigerlich stellt man sich die Frage, die man sich ja ohnehin gerne in Biopics stellt: Was ist wahr, was ist erfunden? Mehr aber noch wirft My First Lady die Frage auf: Spiegelt der Film hier das Leben, oder wird Film auf das Leben projiziert? Und das macht den Film von Richard Tanne vor allem aus narratologischer Sicht interessant.

Ansonsten aber überzeugt My First Lady nicht besonders: Das, was man über Michelle und Barack Obama lernt, ist nicht sehr viel. Geht auch nicht, wenn der Film nur einen einzigen Tag zeigt – selbst, wenn er die Figuren viel sprechen lässt, was sie ja tun. Wer Filme mit viel Dialog nicht mag, steigt ohnehin schon früher aus; aber selbst wenn man Dialogfilmen etwas abgewinnen kann, ist das alles doch wenig gehaltvoll. Michelle und Obama sprechen über sich und über das Leben und sagen so wenig. Und dabei hätte man sie so viel (Kluges, Schönes, Herzerwärmendes) sagen lassen können. So aber tauschen sie vor allem Floskeln und Klischees, viel Belangloses aus – auch (und das ist vielleicht gesellschaftlich oder kulturwissenschaftlich spannend) über das Dasein als Schwarzer und als Frau in einer von Weißen und Männern dominierten Gesellschaft. Dennoch wird man weder überrascht noch begeistert. Und es stellt sich auch nicht die Erkenntnis ein: „oh, das sind ja ganz normale Menschen wie du und ich“. Da hätte man sich einen Richard Linklater im Filmteam gewünscht, der es vermutlich geschafft hätte, den Gesprächen mehr Authentizität und Leben einzuhauchen.

Vielleicht aber hätte auch eine klassischere Form des Biopics mit Blick in Jugend und Studienzeit der späteren First Lady oder Barack Obama sbesser funktioniert, vermutlich auch mehr interessiert, hätte sie (noch) mehr über die politische Formierung der beiden sagen können – was bei Kinostart im letzten Jahr von Obamas zweiter Amtszeit als US-Präsident gerade hätte spannend sein können. So sind die Figuren schon zu Beginn des Films an fertig, zeigen zwar ihr Engagement für Bürgerrechte, entwickeln sich aber wenig, und das langweilt. Schade! Die Idee, Barack aus Sicht Michelles zu zeigen, ist durchaus reizvoll, die Geschichte allerdings zu dünn.

Wie also erzählt man aus einem Leben? Am besten nicht anhand eines einzigen Tages! Auch wenn es das erste Rendezvous oder der Moment ist, in dem sich Michelle in Barack verliebt. Das ist zu wenig, das reicht nicht aus, um gerade solch prominente Figuren zu portraitieren, an die man viele Fragen hat und deren Leben wirklich interessieren würde. Und selbst wenn My First Lady das Portrait gar nicht wollte, nicht aus dem Leben der Obamas erzählen (sondern nur eine Liebesgeschichte nach bekanntem Muster sein) will, so tut er es eben doch (bzw. ist es eben nicht)! Er vermittelt uns unweigerlich ein Bild von den beiden, weil er sie benennt, weil er Michelle und Barack Obama zeigt. Und dann malt er aber dieses Bild nicht aus. Das ist schade und unbefriedigend.

My First Lady

Wie erzählt man aus einem Leben? Biografien sind Narrationen und — natürlich — immer auch eine Selektion, eine Auswahl aus Lebensmomenten, die in Buch oder Film präsentiert, arrangiert, eventuell kommentiert wird. Im Fall von „My First Lady“ haben sich die Macher für einen einzigen Tag entschieden, um die Hauptfigur bzw. die Hauptfiguren zu portraitieren: Das vermeintlich erste Rendezvous von Michelle Robinson – als Titelfigur – und Barack Obama im Jahr 1989.
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