Mr. Collins' zweiter Frühling

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Al Pacino als Repräsentant einer alternden Star-Generation

Wird das Dasein zyklisch betrachtet und metaphorisch an die vier Jahreszeiten der Natur angelehnt, so bildet der Frühling als Phase des Aufblühens und der Entfaltung nicht nur den Auftakt des Lebensbogens. Allein ihm als einzigem dieser saisonalen Elemente wird zumindest sprichwörtlich eine Rückkehr, eine Renaissance, ein Revival eingeräumt, das zumeist im oder nach dem Herbst angesiedelt wird – ein „zweiter Frühling“. Diese schlichte, doch zutiefst aussagekräftige Begrifflichkeit hat sich nicht zuletzt deshalb als feste, populäre Redewendung etabliert, weil sie einen ausführlich interpretierbaren Fundus an Bedeutung enthält. Wenn aus dem Originaltitel dieses Films, Danny Collins, der lediglich den fiktiven Namen der Hauptfigur darstellt, nun der deutsche DVD-Titel Mr. Collins’ zweiter Frühling geworden ist, so beinhaltet dieser bereits Pars pro toto die gesamte Geschichte. Denn in dieser geht es nicht um eine euphorische Eskapade eines alternden Mannes, sondern um die Möglichkeit eines ganz neuen Lebens.
Dieser Musiker hat einst in jungen Jahren ganz wunderbar ansprechende, erfolgreich zündende Stücke geschrieben, und obwohl er seit Jahrzehnten nichts Neues zu Papier und Gehör gebracht hat, kann er mit seinen Klassikern nach wie vor sein Publikum begeistern: Danny Collins (Al Pacino) ist ein Star Anfang der Sechzig, wird von seinen treuen Fans stets erkannt und bejubelt, absolviert souverän seine Standard-Shows und existiert gelangweilt als glamouröser Lebemann im Party-Modus mit jungen, hübschen Weiblichkeiten und reichlich Koks. Gerade schickt er sich an, die aparte, unkomplizierte Sophie (Katarina Cas) zu ehelichen, die selbstverständlich heimlich einen feschen Geliebten hat, als das kuriose Geburtstagsgeschenk seines ewigen Freund und Managers Frank (Christopher Plummer) ihn in ernsthafte Nachdenklichkeiten katapultiert: Einst schrieb der berühmte John Lennon dem jungen, aufstrebenden Danny einen Brief mit dem Rat, sich vom kommerziellen Erfolg nicht korrumpieren zu lassen, doch diese bedeutsamen Zeilen haben ihren Adressaten damals nicht erreicht. Und so umweht Danny nun der bittersüße Hauch verpasster Chancen, der sich nachhaltig und radikal auf seine Lebenshaltungen auswirkt …

Mr. Collins’ zweiter Frühling, der auf der wahren – oder zumindest ein wenig wahren, wie der Vorspann augenzwinkernd verschriftlicht – Geschichte eines Musikers, Steve Tilston, beruht, der in der Tat erst stark verspätet einen Brief von John Lennon erhielt, benutzt diesen historischen Clou jedoch nur als Aufhänger. Vielmehr geht es hier um die letzten Fragen von Identität und Sinn eines alternden Mannes, der diese bislang fortamüsiert hat, und zwar im Gewand einer sanft-zynischen, leichtgängig und oberflächlich scheinenden Komödie, deren tiefere Schichten unter einem Schleier aus flotten, gut laufenden kleinen Gags und nostalgischen Gefälligkeiten verborgen schwelen. Wenn Danny Collins sich in die Nähe seines zuvor hartnäckig ignorierten Sohnes Tom (Bobby Cannavale), seiner Frau Samantha (Jennifer Garner) und deren prätentiös wirkender Tochter Hope (Giselle Eisenberg) begibt, steigt er ausgerechnet im komfortablen Hilton Hotel ab, wo er im Handumdrehen das Personal bezaubert, ausgenommen die kontrollierte Managerin Mary (Annette Bening) als perfekte Gegenspielerin.

Dies ist ein wenig spektakulärer, doch reichlich unterhaltsamer Plot, der Al Pacino kräftig Gelegenheiten bietet, sein umfangreiches bis ausuferndes Spektrum an differenzierten Darstellungsmodi ansprechend zum Schwingen zu bringen. Der markante Akteur mit der durchwachsenen Laufbahn, ebenso vehement prämiert wie verrissen, erfüllt diese Rolle des sich selbst läuternden Stars mit beachtlichem Esprit, und doch repräsentiert er mit erstaunlicher Offenheit und Variabilität gleichzeitig eine ganze Generation von respektablen, nunmehr betagten Superstars wie Robert De Niro, Harvey Keitel und Robert Redford, die ebenfalls trefflich für diese Filmfigur getaugt hätten.

So versprüht Mr. Collins’ zweiter Frühling einerseits einen anziehenden, signifikanten Symbolismus, und doch mündet sein bewusst leichtgängig dargestellter, heiterer Euphorismus in eine geradezu rührende, humanistische Aufrichtigkeit. Scheinbar ohne Mühen entsagt Danny rigoros den Drogen, um später doch rückfällig zu werden. Seine Haltungen Menschen gegenüber öffnen sich schnörkellos der Bereitschaft, die gerade Anwesenden vorbehaltlos zu akzeptieren und gar zu umgarnen, und doch taucht er schließlich unvermittelt und augenscheinlich ohne größeres Bedauern wieder ab. Seine Bemühungen, im Leben seines Sohnes und dessen Familie einen Platz zu erringen, sind so holprig wie hartnäckig, doch findet er am Ende einen puristischen Weg, eine echte menschliche Bereicherung zu werden – und das ist es, was am Schluss bleibt und zählt, nach allen amüsanten Eskapaden und nostalgischen Schurkereien, vom John-Lennon-lastigen Soundtrack umschmeichelt.

Mr. Collins' zweiter Frühling

Wird das Dasein zyklisch betrachtet und metaphorisch an die vier Jahreszeiten der Natur angelehnt, so bildet der Frühling als Phase des Aufblühens und der Entfaltung nicht nur den Auftakt des Lebensbogens. Allein ihm als einzigem dieser saisonalen Elemente wird zumindest sprichwörtlich eine Rückkehr, eine Renaissance, ein Revival eingeräumt, das zumeist im oder nach dem Herbst angesiedelt wird – ein „zweiter Frühling“.
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