Mondscheinkinder

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Von der tröstlichen Kraft eines Paralleluniversums

Wenn sich das Medium Film jenseits von Abenteuer und Komödie mit den Welten von Kindern beschäftigt, ist das Resultat häufig eine emotional bewegende Geschichte, die nicht nur ein junges Publikum anspricht. Einmal mehr, wenn es um Themen wie Krankheit und Tod geht, denen im Zusammenhang mit kleinen Wesen eine ganz besonders tiefe Tragik innewohnt. Auch wenn Mondscheinkinder in dieser Kategorie beheimatet ist, so ist dieser Hochschul-Abschlussfilm einer engagierten Crew um die Regisseurin Manuela Stacke weit mehr als das: Er ist zugleich ein beinahe beängstigendes Soziogramm einer Generation von Kindern und Jugendlichen, die angesichts überforderter und wenig präsenter Erwachsener weitgehend auf sich selbst gestellt ist sowie eine Hommage an ihre Stärke und Kreativität, die sie bei Zeiten dennoch zu entwickeln im Stande ist. Und nicht zuletzt ist es ein großartiger Film sowohl über die innige Zuneigung zweier Geschwister als auch über die zart-wilden Bewegungen einer ersten jugendlichen Liebe.
Xeroderma pigmentosum ist der Name der so seltenen wie tückischen Erbkrankheit, die im Volksmund als „Mondscheinkrankheit“ bezeichnet wird. Dieses Schicksal als Mondscheinkind zwingt den sechsjährigen Paul (Lucas Calmus), sich strikt möglichst vor jeglichem Sonnenlicht zu schützen und permanent gegen gefährliche Tumore zu kämpfen. Seine allein erziehende Mutter (Renate Krößner) fühlt sich familiär wie beruflich überbeansprucht, und Pauls lange Tage in der abgedunkelten Wohnung wären die Hölle, wäre da nicht seine Schwester Lisa (Leonie Krahl), die sich mit ihren zwölf Jahren jeden Nachmittag nach der Schule hingebungs – und liebevoll um ihren Bruder kümmert, dessen Wohlergehen ihr unendlich mehr bedeutet als alle Aktivitäten, denen Mädchen ihres Alters gewöhnlich nachgehen. Im Bemühen, Paul zu trösten und für den Verzicht auf so viele Dinge eines frohen Kinderlebens zu entschädigen, erschafft Lisa in der Enge und Düsternis seiner Abgeschiedenheit ein eigenes, grenzenloses Universum aus phantastischen Geschichten für ihn, in dem sie gemeinsam galaktische Abenteuer im Raumfahrt-Szenario seines Zimmers erleben und ihre soziale Isolation in der Wärme ihrer Innigkeit verblasst.

Doch eines Tages gerät diese ebenso schützende wie trügerische Idylle ins Wanken, denn Lisas Interesse an der Außenwelt erwacht explosiv, als sie sich das erste Mal verliebt, und zwar in Simon (Lucas Hardt), einen begeisterten Weltraum-Freak. Nun entwickelt sich ein Konflikt, der die große Schwester und den kleinen Bruder in eine heftige Krise stürzt, denn so sehr sie Paul liebt und dieser sie braucht – ist sie doch nahezu seine ganze Welt –, sehnt sich Lisa auch danach, ihre Zeit mit Simon zu verbringen. Als der Leidensdruck zu groß wird, entschließt sie sich schweren Herzens dazu, Simon das streng gehütete Geheimnis um ihren Bruder anzuvertrauen, und ihr feinfühliger Freund betritt komplizenhaft die phantastische Galaxie der Geschwister. Fortan paktieren die drei und erleben verschworene nächtliche Abenteuer, doch schließlich beginnt Pauls gesundheitliches Befinden sich zu verschlechtern, und die von Lisa erschaffene Welt prallt an verteufelt realistische Grenzen …

Die nagende Intensität der Dramaturgie von Mondscheinkinder basiert auf der grandiosen Lebendigkeit der jungen Hauptdarsteller, denen es als Laien mit bestechender Natürlichkeit gelingt, herzzerreißende Emotionen zu transportieren, ohne in hochnotpeinliche Rührseligkeiten abzugleiten. Die Sequenzen, in denen Lisa mit ihren Geschichten eine Art von Parallelwelt für Paul entwirft, werden als Animation dargestellt, und es ertönt eine giga-galaktische Weltraum-Musik, so dass der klaffende Kontrast zur harten Wirklichkeit künstlerisch leicht überzeichnet von einer visuellen wie akustischen Komponente getragen wird.

Trotz oder auch auf Grund seiner ernsthaften Thematik und deren mutiger und glaubwürdiger Inszenierung ist Mondscheinkinder gleichermaßen einem jungen und auch betagten Publikum wärmstens zu empfehlen, vor allem deshalb, weil er neben anderen wichtigen Werten auch die Botschaft hinüberbringt, dass die Kraft der Imagination und Phantasie innerhalb einer desolaten Realität bei Zeiten eine wenn auch nicht völlig heilende, so doch ganz bestimmt lindernde und tröstliche Wirkung haben kann.

Mondscheinkinder

Wenn sich das Medium Film jenseits von Abenteuer und Komödie mit den Welten von Kindern beschäftigt, ist das Resultat häufig eine emotional bewegende Geschichte, die nicht nur ein junges Publikum anspricht.
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Meinungen

Maren · 10.09.2011

Dieser Film ist wirklich schön... ich hab ihn mir jetzt schon zum zweiten Mal angeguckt und ich finde ihn immer noch wunderschön!

Doris · 21.03.2008

Ein wirklich gelungener Film, der sehr differenziert und tiefgründig Themen wie den Tod, das Leben, die Liebe und Fürsorge behandelt. Nebst aller Traurigkeit versprüht der Film starke Lebensfreude. Die jungen Schauspieler überzeugen sehr durch ihre Natürlichkeit. Ein wirklich sehenswerter, bewegender Film!

Petra · 08.11.2007

Ein schöner FIlm. Den muss man mal gesehen haben - als Kind und nochmal als Erwachsener

Wiebke · 05.11.2007

Der Soundtrack zu diesem Film ist jetzt erschienen und auf der Internetseite des Komponisten erhältlich: www.nicolasnohn.de.

Manuela · 18.09.2007

Wann erscheint der film Mondscheinkinder auf DVD .

Mike · 10.01.2007

Ich glaube nicht, dass es ein OST zu diesem Film geben wird.

Micha · 19.12.2006

Würde mal gerne wissen wann der Soundtrack zum Film erscheint??