Mit Siebzehn

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die Flatterhaftigkeit der Adoleszenz

Mit siebzehn ist es irgendwie nervig: Man ist noch nicht erwachsen, aber doch irgendwie zu alt für jegliche Bevormundung. Noch dazu ist man meist völlig verwirrt vom Leben, muss aber wichtige Entscheidungen für die Zukunft treffen und sein Abitur schaffen. Die lange Lebenszeit ist noch nicht greifbar — und doch muss man hier die Weichen stellen. Und das noch dazu in einem hormonell mehr als unausgeglichenen Zustand.
Als hätten die beiden 17-Jährigen Damien (Kacey Mottet Klein) und Thomas (Corentin Fila) nicht schon genug Probleme, machen sie sich auch noch das Leben gegenseitig schwer. In der Schule sind sie in der gleichen Klasse und prügeln sich, wann auch immer sie können. Die beiden können sich nicht ausstehen. Warum, das weiß keiner so genau, nicht einmal die Jungs selbst. Damien ist der Sohn der Landärztin Marianne (Sandrine Kiberlain) und eines Militärfliegers, der stets irgendwo an der Front im Auslandseinsatz ist. Marianne kümmert sich eines Tages um Thomas` Adoptivmutter, die schwanger ist, obwohl sie bislang dachte, sie sei unfruchtbar. Die Schwangerschaft ist hochkompliziert, weshalb Marianne Thomas bei sich aufnimmt, damit er sich auf die Schule konzentrieren kann. Damien ist nicht gerade begeistert davon, seinen Schulfeind bei sich zuhause zu haben. Und so richtig ausdrücken können sich die beiden Jungs nicht. Vor allem Thomas ist sehr verhalten, Damien hingegen ambivalent. Mal hasst er Thomas, mal hegt er Gefühle. Doch Worte sind keine da, die Emotionen erweisen sich als zu komplex, da bleibt dann nur die Faust im Gesicht des anderen. Erst als das Schicksal die beiden hart trifft, finden sie einen Weg zueinander.

Sehr liebevoll widmet sich André Techniné, der mit Les temps qui changent (2005) und Les témoins (Die Zeugen, 2007) schon mehrfach im Berlinale Wettbewerb vertreten war, seinen zwei Protagonisten, deren Gefühle sich so schnell und hart ändern wie das Wetter in dem in drei Trimester eingeteilten Film. Thomas lebt in den Bergen, seine Adoptiveltern sind nicht allzu wohlhabend. Damien wohnt in der Stadt, wohlbehütet und in gesicherten materiellen Verhältnissen. Was als Milieustudie beginnt, erweitert sich schnell zu einer Erzählung, die behutsam Einblick in das Seelenleben der zwei jungen Männer nimmt, die einfach noch nicht gelernt haben, wie man mit so etwas Großem und Ambivalentem wie der Liebe umgeht. Noch dazu der homosexuellen Liebe, die für beide ihr gewohntes Bild von Maskulinität in Frage stellt. Zum Ausgleich wird sich dann eben geprügelt.

André Techniné hat sich für diesen Film mit Céline Sciamma (Bande de Filles) zusammengetan. Gemeinsam haben sie Mit siebzehn als einen elegisch dahingleitenden Film konzipiert, der seine ProtagonistInnen in Ruhe beobachtet und deren Erlebnisse und Erfahrungssuchen dahingleiten lässt, ohne zu erklären, einzuschreiten oder gar alles auszuleuchten. Vielmehr taucht man immer mal wieder bei Thomas, dann bei Damien und Marianne ins Leben ein und bekommt oft die beiläufigen Alltäglichkeiten zu sehen, in denen jedoch die Essenz ihrer Entwicklungen enthalten ist. Die Geschehnisse bleiben oft internalisiert. Sie sind nur hier und da zu erkennen, wenn sie über die Gesichter der Figuren huschen wie kleine Schatten. Das mag einen stören, spielt Techiné doch fast nur mit flüchtigen Gesten und Andeutungen. Aber genau das macht den poetischen und emotionalen Kern des Filmes aus. Er flottiert zwischen Orten (Berg und Tal), sozialen Strukturen, zwischen Glück und Trauer, Wut und Liebe hin und her, ohne je eindeutig verortbar zu sein. Wem dies zusagt und wer sich darauf einlassen kann, einen flatterhaften Film zu erfahren, der eklektisch von einem Moment zum anderen zieht, wird seine helle (und dunkle) Freude an Mit siebzehn haben.

Mit Siebzehn

Mit siebzehn ist es irgendwie nervig: Man ist noch nicht erwachsen, aber doch irgendwie zu alt für jegliche Bevormundung. Noch dazu ist man meist völlig verwirrt vom Leben, muss aber wichtige Entscheidungen für die Zukunft treffen und sein Abitur schaffen. Die lange Lebenszeit ist noch nicht greifbar — und doch muss man hier die Weichen stellen. Und das noch dazu in einem hormonell mehr als unausgeglichenen Zustand.
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Meinungen

wignanek-hp · 24.02.2017

Endlich mal ein Film, der den Zuschauer ernst nimmt und ihm nicht alles vorkaut und alles durchdekliniert. Und der auch das Medium ernst nimmt. Nicht alles muss bis ins Letzte ausgesprochen oder diskutiert werden. Die erzeugten Bilder, Gestik und Mimik der Charaktere sind ein wichtiger Bestandteil in einem Film und sie sagen oft mehr als Worte. Das nimmt Techiné ernst, wenn er es dem Zuschauer überlässt, den beiden Jungen unvoreingenommen zu folgen, mit ihnen zu leiden, sich zu freuen. Hier und dort werden ein paar erklärende Sätze eingestreut. Ich habe selten einen so schönen Film gesehen, der es schafft, einen durch die erzeugte Atmosphäre in seinen Bann zu schlagen. Es ist schön, dass der Film nach über einem Jahr den Weg in die deutschen Kinos gefunden hat.