Mit besten Absichten

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Witwe über 60 sucht ... das Leben

Frauen haben in Film und Fernsehen ein frühes Verfallsdatum, denn immer noch sind sie allzu häufig auf Rollen abonniert, in denen attraktives Aussehen im Vordergrund steht. Außerdem scheuen Drehbuchautoren wohl generell vor dem zwar grau durchwirkten, aber auch so konturschwachen Phänomen des In-die-Jahre-Kommens zurück, erst recht, wenn es um eine Frau geht. Wenn ihr Glas nicht mehr halb voll ist, womit ließe es sich denn auffüllen, außer mit Mitleid? Und vor allem, wo bleibt die Story, wenn die Hauptperson im dritten Lebensabschnitt vom Tod noch so weit entfernt ist, dass es nicht für ein Drama über den Abschied vom Leben reicht?
Marnie Minervini (Susan Sarandon), eine Witwe Mitte 60, zieht von New Jersey nach Los Angeles, um ihrer Tochter Lori (Rose Byrne) näher zu sein. Voller Energie stürzt sie sich in deren Leben, ruft sie pausenlos an, steht unangemeldet auf der Matte. Als die schwer genervte Drehbuchautorin beruflich nach New York verreist, bittet sie ihre Mutter eindringlich, nicht mitzukommen, sondern lediglich auf ihre Hunde aufzupassen. Nun muss Marnie schauen, wie sie das große Loch in ihrem auf die Familie ausgerichtetes Leben füllt.

Der zweite Spielfilm der Regisseurin und Drehbuchautorin Lorene Scafaria (Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt) ist inspiriert von ihrer Beziehung zur eigenen Mutter. Diesen Realismus strahlt die Geschichte durchgehend aus, schon indem sie ihre Dramaturgie dem Thema anpasst. Marnies Neuorientierung besteht aus lauter kleinen Gehversuchen, die voller Komik stecken können, aber nicht automatisch einen roten Faden ergeben. Sie bekommt zwar zwei Verehrer an die Seite gestellt und einer von ihnen, der pensionierte Polizist Zipper (J.K. Simmons), hat durchaus Chancen bei ihr. Aber trotzdem geht es hier nicht in erster Linie um Romantik, sondern viel geerdeter und komplizierter um die Auseinandersetzung einer Frau mit sich selbst und mit der Frage, welche Rollen ihr jetzt in der Gesellschaft offenstehen.

Marnie ist seit Neuem stolze Besitzerin eines iPhones und weil sie den jungen Verkäufer im Apple Store so nett findet, fährt sie ihn regelmäßig zum College. Auch für Loris Freundin Jillian (Cecily Strong) wird sie zur Ersatzmutter und bietet ihr spontan an, eine rauschende Hochzeitsfeier für sie und ihre Frau auszurichten. Schließlich hat Marnies Mann ihr mehr Geld hinterlassen, als sie für sich ausgeben kann. Dann gibt es noch eine alte Frau, die Marnie im Krankenhaus besucht. Manchmal aber geht sie auch einfach nur auf den Straßen herum, mit offenen Augen, in einem Schwebezustand zwischen Neugier und Verlorenheit.

Susan Sarandon spielt Marnie mit lebhafter Natürlichkeit und Seele. Sie wirkt in dieser Rolle auch deswegen junggeblieben, weil sie ein Hauch dieser leichten, lässigen Unangepasstheit umgibt, die ihre Filmcharaktere wiederholt auszeichneten. J.K. Simmons spielt einen sehr ruhigen, liebenswerten Charakter, quasi den Traummann, der Geborgenheit und Wärme verspricht – und damit das Gegenteil seiner aggressiven Figur aus Whiplash. Auch Träume gehören zum Leben, und Scafarias Film verweigert sich den Möglichkeiten der Fiktion auf diesem Gebiet nicht vollständig. Aber bis dahin bastelt die Geschichte an ihrem kleinteiligen Wirklichkeitspuzzle aus Dingen, die witzig, trist, verwunderlich sein können oder auch nur Momentaufnahmen bleiben. Das Fehlen eines großen Spannungsbogens macht den Spielfilm nicht langweilig, sondern weckt die Neugier auf solche neuen Erzählformen und ungewohnten Inhalte. Und das nicht nur, weil man Susan Sarandons Spiel ewig zuschauen könnte.

Mit besten Absichten

Seit dem Tod ihres Mannes fühlt sich Marnie, einsam, verlassen und nutzlos. Wie gut, dass ihre Tochter Lori wieder in ihre Nähe zieht: Mit Feuereifer macht sich die Witwe daran, das Leben ihrer Tochter in die Hand zu nehmen — das lenkt so schön von den eigenen Defiziten ab. Doch dann begegnet sie Menschen, die ihrer Hilfe dringender benötigen.
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