Mirikitanis Katzen

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Von Katzen und Menschen

Wann immer sich derart gewaltige Katastrophen ereignen wie bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA, sind die Dimensionen der menschlichen und sozialen Folgen kaum überschaubar. Es ist ein erfreuliches Phänomen in diesem Zusammenhang, dass sich dabei immer wieder eine außergewöhnliche Solidarität entdecken lässt, mit der sich einzelne Personen spontan für in Not geratene Menschen in ihrer Umgebung einsetzen. Eine solche Geschichte führte zu dem Dokumentarfilm Mirikitanis Katzen / The Cats of Mirikitani von Linda Hattendorf, der auf zahlreichen internationalen Festivals ausgezeichnet wurde und nun auch in den deutschen Kinos zu sehen sein wird.
Auf dem Weg zu ihrer Arbeit begegnet die New Yorker Kamerafrau und Cutterin Linda Hattendorf nicht selten dem obdachlosen Maler Jimmy Mirikitani, der an einer Ecke in Soho seine Bilder anfertigt, die von seltsamen Katzen bevölkert werden. Als sie Anfang 2001 schließlich miteinander ins Gespräch kommen, ist die junge Frau zunehmend fasziniert von den Geschichten, die sich hinter den Bildern des alten Künstlers verbergen, so dass sie ihn nun regelmäßig mit der Kamera besucht und diese aufzeichnet. Nach den Anschlägen im September desselben Jahres findet Hattendorf Mirikitani elend auf der Straße wieder und quartiert ihn kurzerhand in ihrer kleinen Wohnung ein – eine Entscheidung, die das Leben der beiden extrem unterschiedlichen Menschen nachhaltig verändern wird.

1920 in Sacramento geboren wanderte Jimmy Mirikitani als Kind mit seiner Familie nach Japan aus, kehrte aber als 18-Jähriger aus Hiroshima in die USA zurück, um Künstler und nicht Soldat zu werden. Doch die politischen Verstrickungen des Zweiten Weltkriegs führten zu seiner Internierung, und erst 1947 wurde er nunmehr ohne die amerikanische Staatsbürgerschaft aus dem Lager Tule Lake entlassen, durch die schlimmen Erfahrungen dort und den Verlust seiner Familie beim Atombombenabwurf auf Hiroshima traumatisiert. Nach verschiedenen Jobs landete der Künstler letztlich in New York auf der Straße, ohne sich davon abhalten zu lassen, seinem widrigen Schicksal durch seine Bilder Ausdruck zu verleihen und sich damit ein Stück weit selbst zu therapieren, denn Jimmy Mirikitani ist trotz aller üblen Umstände ein Mann, der sich weigert, dem Unglücklichsein allzu viel Raum zu geben.

Im Verlauf des Zusammenlebens mit Mirikitani engagiert sich Linda Hattendorf dafür, von seiner Geschichte und deren Auswirkungen zutiefst berührt, den sich zunächst sträubenden Maler bei der Verarbeitung seiner lähmenden Erlebnisse zu unterstützen und ihm zu einem gesicherten Dasein zu verhelfen, so dass er die amerikanische Staatsbürgerschaft und seine Social Security Number zurückerhält, mit ihr gemeinsam das ehemalige Lager Tule Lake besucht, seine Schwester wiedertrifft, die er bereits lange für tot hielt, und schließlich wieder ein eigenes Zuhause innerhalb einer sozialen Einrichtung erhält. 2006 erhalten die Bilder Jimmy Tsutomu Mirikitanis mit der Darstellung seiner persönlichen Lebensgeschichte im Wing Luke Asian Museum in Seattle eine eigene Ausstellung, die kritisch die Zusammenhänge zwischen Kriegspolitik und Diskriminierung in der US-amerikanischen Geschichte beleuchtet.

Ohne Pathos und mit wachsender Intensität tastet sich die Dokumentation Mirikitanis Katzen / The Cats of Mirikitani, die im Original mit deutschen Untertiteln gezeigt wird, an das komplexe Schicksal des alten Künstlers heran, dessen Zusammenleben mit der Regisseurin sich nicht immer harmonisch gestaltet, doch letztlich für beide einen Gewinn an erfreulichen Perspektiven und Konsequenzen nach sich zieht, zu denen selbstverständlich auch dieser bemerkenswerte Film gehört.

Mirikitanis Katzen

Wann immer sich derart gewaltige Katastrophen ereignen wie bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA, sind die Dimensionen der menschlichen und sozialen Folgen kaum überschaubar.
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