Miles Ahead

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Hochgradig ambitioniert

Für Don Cheadle war es ein Lebenstraum. Seit Jahren wollte er einen Film über sein großes Vorbild Miles Davis machen. Doch er bekam die Finanzierung einfach nicht zustande. Zu nischig sei der Film. Daran seien doch nur Afroamerikaner interessiert. Wer ist Miles Davis, fragten sie. Bis Ewan McGregor für das Projekt gewonnen werden konnte. Auf einmal flossen die Gelder. Ein Schelm, wer hier an Hautfarben und systemimmanenten Rassismus denkt …
Wer sich von Miles Ahead eine klassische biografische Darstellung des außergewöhnlichen Jazz-Trompeters erhofft, wird nicht fündig werden. Vielmehr nähert sich Don Cheadles Film dem Menschen und Star auf ästhetische und emotionale Weise. Dabei agiert er auf zwei Ebenen. Einerseits erzählt er eine fiktive Story rund um Davis (Don Cheadle) und einen abgehalfterten, kleinganovigen Journalisten (Ewan McGregor), der ihn interviewen will und dabei in eine Farce gerät, in der Davis völlig am Ende und total verkokst seiner letzten Aufnahme hinterher jagt, die ihm gestohlen wurde. Andererseits ist Miles Ahead innerhalb dieser Kerngeschichte mit Rückblenden aus verschiedenen Lebensperioden gespickt, die sich wie Geisterbilder immer wieder mit der Gegenwart verbinden und diese kommentieren. Der Film bleibt hier vor allem in den dunklen Zeiten Davis‘. In den 1970er Jahren hatte er sich selbst eine Auszeit genommen und sich vollends in Neurosen, Drogen und Einsamkeit verloren.

Cheadle arbeitet sich mit großer Liebe zum Detail durch die einzelnen Momente. Dabei sind Ausstattung, Atmosphäre und seine Interpretation des Jazz-Musikers wahrhaftig zur Perfektion getrieben. Ganz wie Davis sich in Drogen verlor, kann man Cheadle förmlich dabei zusehen, wie er in seiner Figur aufgeht und von ihr bei lebendigem Leibe verschlungen wird. Eklektisch sein Schauspiel, ganz wie die modale Jazz-Musik, die ihn den ganzen Film über begleitet und ihm und den Bildern den Rhythmus verleiht. Während Davis seinen Aufnahmen nachjagt, begegnet er noch anderen Figuren. Manche sind aus der Gegenwart, so wie Junior, ein junger, unsicherer aber talentierter Trompeter, und sein schmieriger Agent. Dabei stellt Junior eher eine Facette aus Davis‘ Persönlichkeit dar: der junge Anfänger, der nur Musik machen will, sich aber irgendwie verliert. Andere Figuren sind wiederum aus der Vergangenheit, Frances (Emayatzy Corinealdi) zum Beispiel. Sie ist Miles Davis‘ große Liebe, eine Liebe, die er verletzt und gebrochen und letztlich davon gejagt hat. Immer wieder geistert sie in diesem Film umher. Stück für Stück wird ihre und Davis‘ Liebes- und Leidensgeschichte zusammengepuzzelt, ganz so wie sein verkokstes Hirn sie gerade noch erzählen kann.

Miles Ahead ist hochgradig ambitioniert. Jede Filmsekunde versucht die Essenz des Künstlers einzufangen, sich ihm zu nähern, ihn zu erspüren, zu riechen, zu schmecken. Dabei verliert Cheadle jedoch ein wenig das Erzählerische aus dem Auge. Nach einer Weile fragt man sich schon, was der Film eigentlich sagen will, wenn der Kern fiktiv und überzogen ist und der Rest sich in hunderten biografischen Splittern und Anspielungen, die nur Insider verstehen, verliert. So wird er immer mehr zu einer Art Fachidiotie, die so manchen Zuschauer nicht mit auf den die Reise nehmen wird, sondern ihn an der Oberfläche zurücklässt.

Doch zugegeben, kaum eine Oberfläche jazzt so herrlich, poppt mit solchen Farben und ist durch und durch 70er-Jahre-cool.

Miles Ahead

Für Don Cheadle war es ein Lebenstraum. Seit Jahren wollte er einen Film über sein großes Vorbild Miles Davis machen. Doch er bekam die Finanzierung einfach nicht zustande. Zu nischig sei der Film. Daran seien doch nur Afroamerikaner interessiert. Wer ist Miles Davis, fragten sie. Bis Ewan McGregor für das Projekt gewonnen werden konnte. Auf einmal flossen die Gelder. Ein Schelm, wer hier an Hautfarben und systemimmanenten Rassismus denkt …
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