Mein Praktikum in Kanada

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Ein ziemlich gutes Team

Ein junger Haitianer kommt nach Kanada, um dort ein Praktikum bei einem Politiker zu machen. Das klingt zunächst nach einer dieser typischen Komödien, die ihren Witz aus dem Zusammenprall verschieden „entwickelter“ Länder und Menschen unterschiedlicher sozioökonomischer Herkunft beziehen. Doch Mein Praktikum in Kanada ist cleverer: Der haitianische Praktikant Souverain (Irdens Exantus) ist nämlich bestens auf sein Aufenthalt in Kanada vorbereitet, hat sich in die Geschichte des Landes eingelesen und ist in Politiktheorien weitaus belesener als der kanadische Politiker Steve Guibord (Patrick Huard), in dessen Abgeordnetenbüro er Erfahrungen sammeln will. Deshalb staunt er zwar angesichts der Weite des Landes, vor allem aber steht er Guibord bei der wohl schwierigsten Entscheidung in dessen Karriere zur Seite: Der parteilose Abgeordnete ist durch einen Zwischenfall zur entscheidenden Stimme bei der Abstimmung über Kanadas Beteiligung im Krieg in Afghanistan geworden. Plötzlich wird er von den regierenden Konservativen mit Posten gelockt und muss tatsächlich eine klare Entscheidung treffen. Das ist nicht unbedingt Guibords Stärke, deshalb folgt er dem Vorschlag Souverains, seine Wähler zu befragen. Und damit beginnt ein turbulenter Versuch direkter Demokratie, der alle Vor- und Nachteile dieses Prinzips in amüsanter Form präsentiert.
Schnell erweist sich die Herkunft der exzellent besetzten Hauptfiguren als mehr als ein Anlass für Witze: In einem Inselstaat aufgewachsen, der von der Duvalier-Diktatur, von Putschen und Instabilität geprägt ist, ist Souverain von der Demokratie und ihren Möglichkeiten derart begeistert, dass er uns als naiv und idealistisch erscheint. Er kennt jeden noch so abwegigen Politiktheoretiker und jedes Zitat. Indem er anfangs seiner Familie, dann einer wachsenden Schar von Zuhörern regelmäßig von den Neuigkeiten berichtet, zeigt sich aber auch das Spannende eines demokratischen Prozesses – und noch dazu werden weitere Positionen diskutiert. Dagegen ist Ex-Eishockeyspieler Guibord längst gefangen in politischen Spielen und zeigt weit weniger Interesse an theoretischen Konzepten. Er ist nicht demokratiemüde, aber für ihn ist sie zu einem Alltag geworden, der aus Straßensperren besteht, die aus Protest gegen Straßensperren errichtet werden, und in dem die Einweihung eines Pavillons größere Bedeutung als ein Kriegseinsatz hat.

Mein Praktikum in Kanada ist daher eine leichte, aber sehr politische Komödie, die nicht immer sehr subtil vorgeht – der Name Souverain deutet es schon an. Die „bösen“ Politiker sind dank ihrer Überzeichnung klar zu erkennen, der aufrechte Guibord will im Grunde seines Herzens das Richtige tun, hat aber immer wieder Schwierigkeiten, klare Aussagen zu machen. Auch in der Diskussion um den Kriegseintritt gibt es stereotype Befürworter, die immerhin Argumente vorbringen, die ein Politiker berücksichtigen sollte: Wenn eine Beteiligung am Krieg neue Aufträge für die örtliche Industrie bringen könnte, bringt die Angst vor Arbeitslosigkeit Arbeiter dazu, für den Krieg zu sein. Außerdem könnte ein Land wie Kanada auch die moralische Verpflichtung haben, in einer Situation militärisch einzugreifen, in der Menschenrechte verletzt werden. Die Kriegsgegner kommen zwar mit Friedenstauben daher, verweisen aber auch auf die Opfer, die ein Kriegs zwangsläufig mit sich bringt. Und so verhandelt Regisseur Philippe Falardeau inmitten von Witzen über Trucker, Straßensperren und langen Wegen in Kanada das Für und Wider eines Krieges, der direkten Demokratie, der Probleme eines Flächenstaats sowie eines eng parteigebundenen Systems.

Mein Praktikum in Kanada

Ein junger Haitianer kommt nach Kanada, um dort ein Praktikum bei einem Politiker zu machen. Das klingt zunächst nach einer dieser typischen Komödien, die ihren Witz aus dem Zusammenprall verschieden „entwickelter“ Länder und Menschen unterschiedlicher sozioökonomischer Herkunft beziehen. Doch „Mein Praktikum in Kanada“ ist cleverer.
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