Marija

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Überleben in Dortmund

Die Ukrainerin Marija (Margarita Breitkreiz) lebt in Dortmund, arbeitet als Reinigungskraft in einem Hotel und träumt von einem Friseursalon. Jeden Monat versucht sie zu sparen, aber sie muss allein für ihre kleine Wohnung 150 Euro Miete in der Woche zahlen. Dann wird sie im Hotel beim Stehlen erwischt, verliert ihre Stellung und muss sich etwas einfallen lassen. Doch Marija hat die Nase voll, von Billigjobs, in denen sie ausgebeutet wird, von der Unsichtbarkeit und von diesem tagtäglichen Kampf um Kleinigkeiten. Veränderungen müssen her.
Als ihr Vermieter Cem (Sahin Eryilmaz) in der Wohnung steht und die Miete haben will, zögert sie einen kurzen Moment – und in ihrem Gesicht zeigt sich Entschlossenheit: Sie geht auf Cem zu, kniet sich vor ihm hin, macht seinen Reißverschluss auf und verpasst ihm einen Blowjob. Tatsächlich findet er Gefallen daran, er lässt ihr infolgedessen sogar Geld da, statt welches zu kassieren, und „hilft“ ihr mit Jobs. Denn mit „Hilfe“ verdient Cem sein Einkommen – und Marija soll für ihn aus dem Russischen übersetzen und wird dafür an dem Geld beteiligt, das ihm andere Illegale für seine Vermittlungen bezahlen müssen.

Auf diese Weise zeigt sich in Michael Kochs Sozialdrama Marija nach und nach das Leben, das illegale Einwanderer in Dortmund haben: angewiesen auf Männer wie Cem, die sich ihre Hilfe und ihr Schweigen gut bezahlen lassen, arbeiten sie für wenig Geld schwarz auf dem Bau oder in Hotels, putzen wie Marija für 4 Euro die Stunde. Es ist ein ausbeuterisches Dasein, in dem Marija auf dem Weg von der Ausgebeuteten zur Ausbeuterin ist – aber sie hat ein Ziel vor Augen: sie will ihren Friseursalon. Das Geld für die Kaution hat sie fast zusammen. Also bestimmt sie über ihren Körper, verkauft ihn an Cem, weil sie ihren Traum verfolgt, und lässt sich schließlich auch auf den Österreicher Georg (Georg Friedrich) ein, der illegale Kräfte auf dem Bau beschäftigt. Georg bezahlt sie für Übersetzungsdienste, allmählich aber nähern sie sich auch emotional an. Allerdings stellt sich für Marija schon bald die Frage, ob sie sich Gefühle und eine Beziehung überhaupt leisten kann.

In bester neorealistischer Tradition erzählt Michael Koch von einer jungen Ukrainerin, die entschlossen ihr Ziel anstrebt. Sie tut, was notwendig ist, ordnet alles ihrem Ziel von einem besseren Leben unter. Marija beharrt auf ihrer Selbstständigkeit, sie spricht deutsch, sie tritt bestimmt und mutig auf, ohne sich allzu sehr in den Vordergrund zu drängen. Zugleich liefert der Film ein Porträt von der Dortmunder Nordstadt, einem Viertel, in dem über 130 Nationen leben und eine bessere Zukunft anstreben. Mit Geld lassen sich Mietverträge und Kindergeldanträge, aber auch die Adresse eines Arztes bekommen, der ohne Versicherungskarte behandelt. Indem Marija Cem hilft, werden in dem Film viele kleine Geschichten nebenher erzählt, in denen sich jeweils eigene Dramen abspielen – und es zeigt sich auch, dass Mitleid als Hilfe allein nicht ausreicht.

Vor Ort gedreht, teilweise mit Laiendarstellern besetzt, erzeugt Marija ein authentisches Bild von dem alltäglichen Leben von Migranten in Deutschland. In Erinnerung bleibt insbesondere die Hauptdarstellerin Margarita Breitkreiz, die ihrer Figur die notwendige Härte verleiht, die Marija gegen sich und andere zeigt, es zugleich aber versteht, ein Rest Rätselhaftigkeit zu behalten. Marija muss für ihren Traum sehr viel aufgeben – und deshalb zeigt sich auf ihrem Gesicht am Ende auch kein Lächeln. Sie bekommt in ihrem Leben nichts geschenkt. Sie verdient es sich.

Marija

Die Ukrainerin Marija (Margarita Breitkreiz) lebt in Dortmund, arbeitet als Reinigungskraft in einem Hotel und träumt von einem Friseursalon. Jeden Monat versucht sie zu sparen, aber sie muss allein für ihre kleine Wohnung 150 Euro Miete in der Woche zahlen. Dann wird sie im Hotel beim Stehlen erwischt, verliert ihre Stellung und muss sich etwas einfallen lassen.
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