Man of Steel

Eine Filmkritik von Florian Koch

In der Überwältigungsfalle

Er ist nahezu unverwundbar und auch übermenschlich stark, solange er nicht auf Kryptonit beißt. Diese Eigenschaften machten Superman, den ersten Superhelden der Comicgeschichte, nicht nur zum Superstar der Populärkultur, sondern auch zu einem echten Problemfall für Filmemacher. Denn wie kann man einer nahezu unfehlbaren Figur, der eigentlich alles zufliegt und die nicht nur sprichwörtlich über den Dingen steht, Leben einhauchen, so dass sie auch für den Normalo im Zuschauerraum spannend bleibt? Diese Frage haben sich auch Regisseur Zack Snyder und Produzent Christopher Nolan gestellt, als sie den Mythos nach dem Bryan-Singer-Flop Superman Returns für das Hit-durstige Warner-Studio wiederbeleben sollten. Ihre actionlastige Antwort wird nicht allen gefallen, aber zumindest eine Menge Dollars einspielen: Aus Superman wird in Man of Steel eine Erlöserfigur, die nicht nur dank der ständig ausgebreiteten Arme an Jesus erinnert.
So beginnt der Film gleich mit einer Geburtsszene, zwar nicht im Stall von Bethlehem, aber auch unter besonderen Umständen auf dem Planeten Krypton. Der Wissenschaftler Jor-El (Russell Crowe) und seine mit den Wehen kämpfende Frau Lara Lor-Van (Ayelet Zurer) sind in Eile, denn ihr Planet droht auseinanderzubrechen. Aber nicht nur das. Auch der machthungrige Kryptonier General Zod (Michael Shannon) ist den beiden mit seinen Gefolgsleuten auf den Fersen. Sie wollen verhindern, dass Kal-El, wie der Sohn getauft wird, mit einem Raumschiff ins Weltall geschossen wird, um auf einem anderen Planeten eine neue Chance zum Überleben zu bekommen. Doch Zod scheitert mit seinem Plan und wird zur Strafe in einem Weltraum-Gefängnis eingeeist.

Kal-El wiederum hat die Reise auf die Erde nicht nur überlebt, wie es der Zuschauer in Rückblenden langsam erfährt, sondern wächst auch noch behütet im ländlichen Kansas bei seinem Adoptivvater Jonathan Kent (Kevin Costner) und dessen Frau Martha (Diane Lane) auf. Aber während es Kal-El alias Clark Kent (Henry Cavill) bereits in der Schule schwerfällt, mit seinem merkwürdigen Verhalten und seinen unwirklichen Rettungsaktionen nicht als Freak wahrgenommen zu werden, kann er sich als Erwachsener in der Arbeitswelt noch viel schwerer integrieren. Bei einem seiner Hilfsjobs stößt er gemeinsam mit einem arktischen Forschungsteam und der engagierten Journalistin Lois Lane (Amy Adams) auf ein Raumschiff, das ihm endlich beweist, dass er nicht der einzige seiner Art ist. Nur die neugierige Reporterin kommt hinter sein Geheimnis, verspricht ihm aber, seine wahre Identität nicht öffentlich zu machen. Dieses Versprechen wird auf eine harte Probe gestellt, als der entflohene General Zod und seine Häscher die Drohung aussprechen, die Menschheit zu vernichten, wenn sie ihm Kal-El nicht innerhalb von 24 Stunden aushändigen.

Die verwickelte Geschichte — samt der vielen Stolperfallen für den späteren Helden — erinnert in ihrer den Mythos noch mal neu aufrollenden Erzählweise und ihrem schwermütig-realistischen Tonfall nicht von ungefähr an Batman Begins. Immerhin zieht mit Nolan als Produzent und Co-Autor im Hintergrund ganz bewusst der Mann die Fäden, der Batman in seiner auch von der Kritik gefeierten Trilogie wieder neu belebt hat. Auch Superman alias Kal-El ist wie die menschliche Fledermaus ein blitzgescheiter Mann, der außer seinen Ersatzeltern (dort Butler Alfred, hier Jonathan und Martha) niemandem vertraut und von den Menschen nicht gerade mit offenen Armen empfangen wird. Hier wie dort wird der Schmerz des Andersseins genauso betont wie das Gefühl, nirgendwo zu Hause zu sein. Es bleibt aber auch die Möglichkeit offen, dass Kal-El doch noch zum Messias werden kann, um „Wunder zu vollbringen“, wie es sein Vater einmal weihevoll ausspricht.

Und natürlich ist Superman mit seinen übermenschlichen Kräften auch ein anderes Kaliber als sein irdischer DC-Comic-Gefährte Batman. Das weiß auch Nolan, und so bleibt es verständlich, dass nicht er, sondern Zack Snyder auf dem Regiestuhl sitzt, ein Mann der sich besonders auf das Inszenieren von CGI lastigen Effektespektakeln (300) versteht. Seinen Hang zur Zeitlupen-Überästhetisierung, der ihm gerade bei seinem letzten Projekt Sucker Punch nicht nur Freunde beschert hat, lebt er in Man of Steel allerdings nicht voll aus.

Auf Action verzichten muss man deshalb aber nicht. Im Gegenteil. Gerade der fast 50 minütige, bombastisch ermüdende Showdown, bei der von der Kleinstadt Smallville bis zum New-York-Klon Metropolis alles platt gemacht wird, was nicht niet- und nagelfest ist, erinnert in seiner Zerstörungswut und seinem CGI-Gewitter nur allzu häufig an das Finale von The Avengers und vor allem Transformers 3. Selbst der Kameramann Amir Mokri ist dabei der selbe, und der sorgt auch in Man of Steel für einen Sonnenlicht-durchflutenden Hochglanz-Look, der sich an Michael Bays aufdringlicher Werbeästhetik orientiert. Vom wie Bay martialisch hämmernden Hans-Zimmer-Score ganz zu schweigen.

Im Unterschied zu Bays Überwältigungsmaschinerie sind es bei Snyder aber die allesamt glänzend gecasteten Schauspieler, die dafür sorgen, dass der Zuschauer nicht nur durchgeschüttelt, sondern manchmal auch bewegt wird. Besonders hervorzuheben ist hier Kevin Costner, der in wenigen Szenen gekonnt seine Standardrolle des anpackenden, ehrlichen Arbeiters umreißt. Er ist es auch, der Superman ein Wertesystem vermittelt und verhindert, dass der Heißsporn Dummheiten anstellt. Nur als er im Tornado-Gewitter noch amerikanisch-heldenhaft einen Hund rettet und Superman verbietet, ihn zu retten, droht die Rolle zur Karikatur zu werden. Angenehm zurückhaltend agiert auch Russell Crowe als wirklicher Vater, der in Form von Hologrammen seinem Sohn auch aus dem Jenseits immer wieder gute Tipps gibt: Zum Beispiel, dass es sich als Held geziemt, einen passenden (glücklicherweise ohne peinlichen Lendenschurz) Anzug zu tragen.

Tudors-Darsteller Henry Cavill, der in die Fußstapfen von Christopher Reeve tritt, hat nicht nur den passenden Adonis-Körper für die Heldenrolle, er bewahrt sich auch – im Gegensatz zu Brandon Routh – eine gewisse Würde und Ernsthaftigkeit, was als Superman leichter gesagt als getan ist. Ganz im Geiste Nolans verweigert er sich leider auch jeder (Selbst)Ironie und Komik, und steht damit ganz im Kontrast zu den humoristischen Interpretationen aus der Richard-Lester-Ära. Selbst die Retterfigur Superman findet im Film erstaunlich lange gar nicht statt, selbst der Name wird mehr geflüstert als ausgesprochen. Snyder, Nolan und Autor David S. Goyer begründen diese Verweigerung damit, dass wie in den Worten Costners, die Welt noch nicht reif für so einen Helden ist. Superman muss also noch ganze Überzeugungsarbeit leisten, was ihm im Schlussduell mit Zod durchaus gelingt.

Der wunderbar vielseitige Charakterdarsteller Michael Shannon ist in der Rolle des Superbösewichts etwas unterfordert. Ständig muss er seine faschistoide Doktrin (andere, schwächere Rassen wie die Menschen auslöschen und durch die eigene, Überlegene zu ersetzen) wiederholen, bis es anfängt, langweilig zu werden. Spannender ist da schon die deutsche Schauspielerin Antje Traue, die an Zods Seite eine überzeugend durchtriebene Gehilfin des Despoten mimt. Auch die wichtigste Frauenfigur im Superman-Universum wurde mit Amy Adams spannend besetzt. So darf die Rothaarige endlich eine starke, selbstbewusste und Pulitzer preisgekrönte Lois Lane geben, die dem Jüngelchen Superman nicht nur an Jahren (Henry Cavill ist 30, Amy Adams 38 Jahre alt) einiges voraus hat.

Die famose Besetzung und der stimmige Umgang mit der Superman-Mythologie verhelfen dem 225 Millionen Dollar teuren Reboot zu einem weitgehend gelungenen, wenn auch überlangen Start. Etwas mehr Lockerheit im Tonfall und ein weniger ausdauernder Schlachten-Showdown hätte dem Blockbuster sicher nicht geschadet. Aber das kann sich in der schon beschlossenen Fortsetzung ja noch ändern.

Man of Steel

Er ist nahezu unverwundbar und auch übermenschlich stark, solange er nicht auf Kryptonit beißt. Diese Eigenschaften machten Superman, den ersten Superhelden der Comicgeschichte, nicht nur zum Superstar der Populärkultur, sondern auch zu einem echten Problemfall für Filmemacher. Denn wie kann man einer nahezu unfehlbaren Figur, der eigentlich alles zufliegt und die nicht nur sprichwörtlich über den Dingen steht, Leben einhauchen, so dass sie auch für den Normalo im Zuschauerraum spannend bleibt?
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