Magic Mike XXL (2015)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Nackte Männer, gierige Frauen

Wenn man es sich einmal genau betrachtet, sind männliche Stripper so eine Art Fehler in der Matrix heteronormativer Maskulinität. Einerseits sind ihre Körper hypermännlich, sie sind die perfektionierten Spornosexuellen, also Männer, deren Körper nicht einfach aufgepumpt, sondern formvollendet in klassisch griechische Perfektion gemeißelt sind. Männlicher geht es nicht. Andererseits werden diese Körper auf Bühnen sexualisiert, eingeölt und lasziv tanzend zur Schau gestellt. Und da haben wir das Paradox. Denn wer ist der Träger des Blickes, der auf diese Körper gerichtet ist? Es sind vor allem Frauen und homosexuelle Männer und nicht — wie eigentlich üblich — heterosexuelle Männer. In den USA hat Magic Mike XXL jedenfalls jetzt schon einen ungewöhnlichen Zuschauerrekord gebrochen, denn bislang waren 96% der Zuschauer weiblich. Ein Wert, von dem selbst Romantic Comedies normalerweise nur träumen können.

Das ist zumindest deshalb beachtlich, weil Magic Mike XXL keineswegs ein Frauenfilm ist. Das Ungewöhnliche an diesem Nachfolgerwerk von Steven Soderberghs Magic Mike (2012) ist nämlich sein Geschlechtergrenzen überschreitender Charakter, der die typischen binären Kategorien von „männlich“ und „weiblich“ verschwimmen lässt. Und das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass sowohl Frauen wie auch Männer von diesem Film durchaus einiges lernen können. Man mag es gar nicht glauben, dass man so einen revolutionären Umgang mit Geschlecht ausgerechnet in einem Film über Stripper findet. Zumal dieser noch mit einer Geschichte daher kommt, die vermutlich auf eine halbe DIN A4-Seite passt. Gregory Jacobs Nachfolger zu Soderberghs Film knüpft drei Jahre nach den Ereignissen in Magic Mike an. Mike (Channing Tatum) ist seit drei Jahren erfolgreicher Möbeldesigner, als ihn ein Anruf seiner alten Stripper-Kollegen, der Tampa Kings, ereilt. Sie wurden von ihrem Boss verlassen und sind nun auf dem Weg nach Myrtle Beach, zu einem Stripper-Kongress, um es dort ein letztes Mal so richtig krachen zu lassen. Natürlich kommt Mike mit. Auf dem Weg schwelgen sie noch einmal in Erinnerungen und choreografieren neue Nummern, um den Damen noch einmal alles zu geben.

Hätten wir es hier mit einem nach den üblichen Hollywood-Strickmustern designtem Film zu tun, wäre Magic Mike XXL ein Road-Movie mit saufenden Männern, die über Weiber reden, sich eventuell mit Drogen voll pumpen und nur Mist bauen. Mit ein paar Kumpelsprüchen, reichlich Zoten und viel Zynismus. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Tampa Kings sind Männer, die in sich ruhen und die — im Gegensatz zum Vorgängerfilm — erstaunlich mehrdimensionale Charaktere aufweisen. Es sind Männer, die keine harte Maskulinität spielen müssen; sie sind Träger einer so noch nicht gesehenen, liebe- und respektvollen, sanften Männlichkeit. Und so drehen sich ihre Gespräche vor allem um die vertrackte Situation. Denn was soll man tun, wenn man alt wird und wenn die Stripper-Karriere vorbei ist? Und war das überhaupt ein richtiger Job? Hat man etwas bewirkt?

Diese Männer machen sich nicht gegenseitig fertig. Sie brüsten sich auch nicht oder verstecken ihre Gefühle. Sie sind einfach Menschen und Freunde, die einander zuhören und sich einander ehrlich unterstützen. So banal das auch klingt, wie oft hat man so etwas schon im Film ohne dass es wie eine geschlossene und verschworene Clique daher kommt, die, dann im Umkehrschluss alle anderen ausschließen muss, weil so viel Offenheit Angst macht. Diese erwachsene Emotionalität ist es, die Magic Mike XXL zu einem Film macht, der für Männer durchweg interessant sein kann; vor allem, da der gesellschaftliche Druck, Männlichkeit zu spielen und zu markieren besonders in Gruppen sehr hoch ist. Es ist aber unabhängig vom Geschlecht einfach ein Genuss, diesen Figuren zuzusehen, wie sie sich ganz ohne Zynismus mit dem Leben auseinandersetzen. Und so erscheint es auch nicht absurd, sondern gut durchdacht, wenn sie vor ihrem großen Endziel noch die Erkenntnis erlangen, dass sie in der Tat einen guten Job gemacht haben. Ein Job, der etwas bedeutet, denn sie sind in gewisser Weise Heiler.

Sie heilen so manch geschundene Frauenseele. Frauen, denen nicht genügend Aufmerksamkeit gegeben wird, Frauen, die nicht gut behandelt werden. Oder die von ihren Liebhabern gefragt werden, was sie anmacht, was sie gern wollen. Genau diese Frauen sind ihr Klientel. Hier wird der Film ein wenig schwierig, denn einerseits muss Frau also bezahlen, um Aufmerksamkeit zu kriegen, andererseits predigt der Film, was er selbst nicht tut: Keine der Frauen im Publikum wird jemals gefragt, ob und was sie möchte. Vor allem Zoe (Amber Heard) nicht, eine Fotografin, die Mike kennen lernt und irgendwann ungefragt auf die Bühne gezerrt und ihr sein Gemächt ins Gesicht drückt. Hier überschätzt Mike stellvertretend für den Film seine „Frauenkenntnis“ und agiert ohne deren Zustimmung.

Wo er allerdings goldrichtig liegt, ist in der Darstellung des Publikums selbst. Auch hier: eine kleine Revolution. Frauen allen Alters, aller Körperformen und aller Hautfarben sind im Publikum vereint. Alle werden bedient, keine von ihnen wird jemals in ihrem Spaß und ihrer Lust lächerlich gemacht oder bloßgestellt. Spontan fällt mir kein Film ein, der solch divergente Weiblichkeit zeigt. Und noch dazu eine, die ernst genommen wird, der zugestanden wird, sexuell zu sein, ohne dies jemals zu belächeln oder gegen die Frauen zu verwenden.

Magic Mike XXL ist ein absolutes Unikum — ein Film, der mit den Grundvoraussetzungen seiner Geschichte und Charaktere normalerweise auf unterstem American Pie-Niveau spielen würde, welcher aber unter der dünnen Oberfläche ein unglaubliches Portfolio an humanistischem Gedankengut und Geschlechtergrenzen neu definierenden Darstellungen mit sich bringt. Und der noch dazu die Grenzen von hetero- und homosexuell auflöst, denn sowohl die Zuschauer können beides sein, als auch die Figuren, deren Körper sich eh dem homosexuellen Körperkult entlehnen und deren grundsätzliches Verhalten im Film keine eindeutige heterosexuelle Konnotation zulässt.

Abgesehen von all diesen wunderbaren Grenzüberschreitungen macht der Film dank seiner radikal lebensbejahenden Freude zudem verdammt viel Spaß. Und ganz nebenbei: Die nackten Körper sind natürlich auch ganz nett.
 

Magic Mike XXL (2015)

Wenn man es sich einmal genau betrachtet, sind männliche Stripper so eine Art Fehler in der Matrix heteronormativer Maskulinität. Einerseits sind ihre Körper hypermännlich, sie sind die perfektionierten Spornosexuellen, also Männer, deren Körper nicht einfach aufgepumpt, sondern formvollendet in klassisch griechische Perfektion gemeißelt sind. Männlicher geht es nicht.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen