Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen

Eine Filmkritik von Andreas Günther

Sind die noch zu retten?

Heimgesucht von Wirtschaftsdauerkrise und islamistischem Terror, dürfte die Bevölkerungsmehrheit in Frankreich für Personalleiter, die Mitarbeiter feuern, und für orthodoxe Muslime vor allem Argwohn und Ablehnung übrig haben. Dass Mademoiselle Hanna und die Kunst nein zu sagen ausgerechnet Angehörige dieser Personenkreise in den Mittelpunkt stellt, wirkt ziemlich tollkühn. Menschlich, weil orientierungslos und verirrt, erscheinen gerade die, denen es das Vorurteil am wenigsten zutraut. Die französische Komödie weckt für ihre Antihelden sogar Rettungsimpulse, mag das Amalgam aus Klamauk und Sensibilität noch so bizarr sein.
Der alberne Anfang kann schon verärgern. Gerade hat Hanna Belkacem (Vimala Pons) im Krankenhaus erfahren, dass ihre Niere sich für eine Transplantation zugunsten ihres Bruders eignen würde, da herzt sie plötzlich der ihr unbekannte Paul Martins (Laurent Capelluto), weil er sie für eine ehemalige Klassenkameradin hält. Die Ereignisse überschlagen sich. Als Paul per Handy vom Tod seiner Mutter erfährt, chauffiert Hanna ihn zur Familie. Die weiß, dass sie nie Pauls Mitschülerin war, und bezichtigt sie der Hochstapelei. Paul fährt zerknirscht die weinende Hanna zum Bahnhof – die als Entschädigung für den Kummer, den sie verursacht haben will, Sex im Auto anbietet. Sex bei sich zuhause offeriert sie als Trost den Mitarbeitern, die sie als Personalleiterin entlassen muss.

Grotesk überzeichnet geht es zunächst weiter. Sie könne niemanden leiden sehen und eben nicht nein sagen, kommentiert Hanna aus dem Off, das habe sie von ihrem Vater (Ramzi Bedia). Geradezu masochistisch unterwirft sich der algerischstämmige Tante-Emma-Ladenbesitzer den Wünschen seiner Kunden, während Hannas Mutter Simone (Agnès Jaoui) als Gratis-Psychoanalytikerin arbeitet. Aus der Skurrilitätszone kommt der Film mit dem umständlichen Titel, wenn Hannas streng muslimischer Bruder (Mehdi Djaadi), der sich von Dieudonné zu Hakim unbenannt hat, die Nierenspende seiner Schwester zurückweist, weil er sie für moralisch unrein hält.

Einigermaßen überraschend und durchaus unbequem erreicht das Lustspiel die Konfliktzone zwischen den Parallelgesellschaften. Wie fast schon unerträglich glaubwürdig Mehdi Djaadi in Rückblicken die Islamisierung eines jungen Mannes vorführt, der nach Männlichkeit und ethnischer Identität sucht, aber letztlich nur eine Illusion findet, lässt den Atem stocken. Sein Wandel ist den Verhältnissen seines Wohnviertels geschuldet, aber auch dem sexuellen Missbrauch Hannas, den sie nur andeutet oder herunterspielt. Auf einem schlanken Körper in kurzen Kleidern oder nur mit einem durchsichtigen Bustier versehen, hält Vimala Pons das Gesicht ihrer Hanna in einer Balance nebeneinander bestehender Emotionen, die sich auch dann nicht klären wollen, als Hanna ihrer Liebe begegnet. Weil ein Happy End gar nicht mehr möglich scheint, wächst der Wunsch, durch die Leinwand zu greifen und die Geschwister selbst aus ihrem Schlamassel zu ziehen. In eine bessere Welt hinein?

Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen

Heimgesucht von Wirtschaftsdauerkrise und islamistischem Terror, dürfte die Bevölkerungsmehrheit in Frankreich für Personalleiter, die Mitarbeiter feuern, und für orthodoxe Muslime vor allem Argwohn und Ablehnung übrig haben. Dass „Mademoiselle Hanna und die Kunst nein zu sagen“ ausgerechnet Angehörige dieser Personenkreise in den Mittelpunkt stellt, wirkt ziemlich tollkühn.
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